Le Pen lässt Vorwürfe zu Parlamentsjobs abperlen
Mitten im Präsidentschaftswahlkampf spitzen sich die Ermittlungen um Assistenten-Jobs bei der Europaabgeordneten des Front National zu.
PARIS/BRÜSSEL (dpa) An der französischen Rechtspopulistin Marine Le Pen scheint nichts hängen zu bleiben. Seit Tagen erhöhen Ermittler den Druck auf die Präsidentschaftskandidatin des Front National (FN). Es geht um den Vorwurf, dass FN-Mitarbeiter rechtswidrig aus der Kasse des EU-Parlaments bezahlt worden sein sollen. Doch die Popularität Le Pens hat dadurch kaum einen Kratzer erhalten. In Umfragen für die erste Runde der Präsidentschaftswahl in knapp zwei Monaten liegt sie unerschüttert vorn.
Le Pen setzt auf eine simple Verteidigungsstrategie: Jeden neuen Ermittlungsschritt erklärt sie zu einem politischen Manöver, der ihren Wahlkampf schaden soll. Ein Angriff des „Systems“, das sie mit Inbrunst verteufelt. Es sei doch „ziemlich erstaunlich, dass es urplötzlich zwei Monate vor der Präsidentschaftswahl diese große Aktivität der Justiz“gebe, orakelte die 48-Jährige im Sender TF1.
Dabei kommen die Einschläge näher: Gegen die Chefin von Le Pens engstem Mitarbeiterstab wurde diese Woche ein Ermittlungsverfahren wegen Verschleierung von Untreue eingeleitet, zuvor gab es eine Durchsuchung in der FN-Zentrale. Für Mittwoch hatten Polizisten die Europaabgeordnete Le Pen selbst vorgeladen – sie ging aber nicht hin und will erst nach den Wahlen mit Ermittlern sprechen. Das sei keine Blockade der Justiz, sondern die Verhinderung „einer Form der Ungerechtigkeit, die ihr widerfährt“, erklärt Le Pens Anwalt Rodolphe Bosselut. Ins Rollen gebracht hatte die Ermittlungen die EU-Antibetrugsbehörde Olaf. Sie untersucht Vergehen mit Auswirkungen auf den EU-Haushalt, ist für eine mögliche Strafverfolgung aber auf nationale Behörden angewiesen. Wegen Auffälligkeiten bei Assistenten von FN-Abgeordneten hatte sie schon 2015 die französische Justiz eingeschaltet, seit Dezember haben dort Ermittlungsrichter den Fall übernommen.
Bei Marine Le Pen hat Olaf in seinen Untersuchungen „schwere Unregelmäßigkeiten“festgestellt. Die Europaabgeordnete habe einem Mitarbeiter einen „rein fiktiven Arbeitsvertrag“ausgestellt. Eine andere Mitarbeiterin arbeitete laut Olaf zudem nicht wie vorgeschrieben in der Volksvertretung, sondern in der Gegend von Paris für den FN. Es dürfte dabei um Le Pens Büroleiterin gehen.
Le Pen weist die Vorwürfe zurück, sie sieht die Brüsseler Behörde als Erfüllungsgehilfen ihrer Gegner. Ins Visier nahm sie vor allem SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz, bis kürzlich Präsident des Europaparlaments. Weil Le Pen eine Frist zur Rückzahlung von 298 000 Euro ans EU-Parlament verstreichen ließ, behält das Parlament die Hälfte ihres Abgeordneten-Gehalts zurück. Das gleiche gilt für fünf weitere FN-Europaabgeordnete – darunter Marine Le Pens Vater Jean-Marie. Dieser und zwei weitere Abgeordnete haben dagegen vor dem EU-Gericht in Luxemburg geklagt, das gleiche hat Marine Le Pen angekündigt.
Auffällig ist, wie unterschiedlich die Konsequenzen bislang im Vergleich zu Le Pens konservativem Konkurrenten François Fillon ausfallen. Ihm hatte der Verdacht der Scheinbeschäftigung seiner Frau auf Kosten des französischen Parlaments einen schweren Schlag verpasst, selbst in der eigenen Partei gab es kurzzeitig Rufe nach einem Rückzug, die inzwischen aber verstummt sind. Allerdings wird Le Pen keine eigene Bereicherung angelastet – anders als im Fall des Ehepaars Fillon. Und die Vorwürfe gegen Le Pen sind nicht neu, sondern köcheln schon relativ lange vor sich hin.
Die Zeitung „Libération“präsentierte zudem folgende These: Eine Wählerschaft, die Immigration und Islam ablehnt und mit den traditionellen Parteien abgeschlossen hat, sei wohl bereit, der FN-Kandidatin viel zu verzeihen, wenn sie ihr Programm umsetzen kann. Fraglich, ob die neuen Entwicklungen Le Pen doch noch in Bedrängnis bringen können.