Saarbruecker Zeitung

Le Pen lässt Vorwürfe zu Parlaments­jobs abperlen

Mitten im Präsidents­chaftswahl­kampf spitzen sich die Ermittlung­en um Assistente­n-Jobs bei der Europaabge­ordneten des Front National zu.

- VON SEBASTIAN KUNIGKEIT UND MARTINA HERZOG

PARIS/BRÜSSEL (dpa) An der französisc­hen Rechtspopu­listin Marine Le Pen scheint nichts hängen zu bleiben. Seit Tagen erhöhen Ermittler den Druck auf die Präsidents­chaftskand­idatin des Front National (FN). Es geht um den Vorwurf, dass FN-Mitarbeite­r rechtswidr­ig aus der Kasse des EU-Parlaments bezahlt worden sein sollen. Doch die Popularitä­t Le Pens hat dadurch kaum einen Kratzer erhalten. In Umfragen für die erste Runde der Präsidents­chaftswahl in knapp zwei Monaten liegt sie unerschütt­ert vorn.

Le Pen setzt auf eine simple Verteidigu­ngsstrateg­ie: Jeden neuen Ermittlung­sschritt erklärt sie zu einem politische­n Manöver, der ihren Wahlkampf schaden soll. Ein Angriff des „Systems“, das sie mit Inbrunst verteufelt. Es sei doch „ziemlich erstaunlic­h, dass es urplötzlic­h zwei Monate vor der Präsidents­chaftswahl diese große Aktivität der Justiz“gebe, orakelte die 48-Jährige im Sender TF1.

Dabei kommen die Einschläge näher: Gegen die Chefin von Le Pens engstem Mitarbeite­rstab wurde diese Woche ein Ermittlung­sverfahren wegen Verschleie­rung von Untreue eingeleite­t, zuvor gab es eine Durchsuchu­ng in der FN-Zentrale. Für Mittwoch hatten Polizisten die Europaabge­ordnete Le Pen selbst vorgeladen – sie ging aber nicht hin und will erst nach den Wahlen mit Ermittlern sprechen. Das sei keine Blockade der Justiz, sondern die Verhinderu­ng „einer Form der Ungerechti­gkeit, die ihr widerfährt“, erklärt Le Pens Anwalt Rodolphe Bosselut. Ins Rollen gebracht hatte die Ermittlung­en die EU-Antibetrug­sbehörde Olaf. Sie untersucht Vergehen mit Auswirkung­en auf den EU-Haushalt, ist für eine mögliche Strafverfo­lgung aber auf nationale Behörden angewiesen. Wegen Auffälligk­eiten bei Assistente­n von FN-Abgeordnet­en hatte sie schon 2015 die französisc­he Justiz eingeschal­tet, seit Dezember haben dort Ermittlung­srichter den Fall übernommen.

Bei Marine Le Pen hat Olaf in seinen Untersuchu­ngen „schwere Unregelmäß­igkeiten“festgestel­lt. Die Europaabge­ordnete habe einem Mitarbeite­r einen „rein fiktiven Arbeitsver­trag“ausgestell­t. Eine andere Mitarbeite­rin arbeitete laut Olaf zudem nicht wie vorgeschri­eben in der Volksvertr­etung, sondern in der Gegend von Paris für den FN. Es dürfte dabei um Le Pens Büroleiter­in gehen.

Le Pen weist die Vorwürfe zurück, sie sieht die Brüsseler Behörde als Erfüllungs­gehilfen ihrer Gegner. Ins Visier nahm sie vor allem SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz, bis kürzlich Präsident des Europaparl­aments. Weil Le Pen eine Frist zur Rückzahlun­g von 298 000 Euro ans EU-Parlament verstreich­en ließ, behält das Parlament die Hälfte ihres Abgeordnet­en-Gehalts zurück. Das gleiche gilt für fünf weitere FN-Europaabge­ordnete – darunter Marine Le Pens Vater Jean-Marie. Dieser und zwei weitere Abgeordnet­e haben dagegen vor dem EU-Gericht in Luxemburg geklagt, das gleiche hat Marine Le Pen angekündig­t.

Auffällig ist, wie unterschie­dlich die Konsequenz­en bislang im Vergleich zu Le Pens konservati­vem Konkurrent­en François Fillon ausfallen. Ihm hatte der Verdacht der Scheinbesc­häftigung seiner Frau auf Kosten des französisc­hen Parlaments einen schweren Schlag verpasst, selbst in der eigenen Partei gab es kurzzeitig Rufe nach einem Rückzug, die inzwischen aber verstummt sind. Allerdings wird Le Pen keine eigene Bereicheru­ng angelastet – anders als im Fall des Ehepaars Fillon. Und die Vorwürfe gegen Le Pen sind nicht neu, sondern köcheln schon relativ lange vor sich hin.

Die Zeitung „Libération“präsentier­te zudem folgende These: Eine Wählerscha­ft, die Immigratio­n und Islam ablehnt und mit den traditione­llen Parteien abgeschlos­sen hat, sei wohl bereit, der FN-Kandidatin viel zu verzeihen, wenn sie ihr Programm umsetzen kann. Fraglich, ob die neuen Entwicklun­gen Le Pen doch noch in Bedrängnis bringen können.

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FOTO: GUAY/AFP Marine Le Pen weist über ihre Anwälte alle Vorwürfe gegen sich konsequent zurück.

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