Saarbruecker Zeitung

Wann Kindergeld bei Weiterbild­ung fließt

Das saarländis­che Finanzgeri­cht hat sich mit diesem Spannungsf­eld beschäftig­t – und kommt zu ganz unterschie­dlichen Urteilen.

- VON LOTHAR WARSCHEID

SAARBRÜCKE­N Grundsätzl­ich ist die Sache klar mit dem Kindergeld. Diese Familienle­istung wird über das 18. Lebensjahr hinaus weiterbeza­hlt, wenn der Nachwuchs nach dem Abitur ein Studium beginnt. Doch was passiert, wenn dieses Studium nicht nahtlos absolviert wird, sondern in mehreren Schritten? Das kann dann der Fall sein, wenn die Kinder nach einem Bachelor-Abschluss arbeiten gehen und nach einer gewissen Zeit ein Masterstud­ium draufsatte­ln. Und wie sieht es aus, wenn sich jemand nach einer Erstausbil­dung weiterbild­en will? In diesem Spannungsf­eld kommt es immer wieder zu Entscheidu­ngen der Familienka­ssen, die regelmäßig vor den Finanzgeri­chten landen, die für dieses Rechtsgebi­et zuständig sind. Mit diesem Themenspek­trum musste sich in jüngster Zeit auch wieder der scheidende Präsident des Saar-Finanzgeri­chts, Peter Bilsdorfer, auseinande­rsetzen – mit unterschie­dlichem Ausgang.

Der erste Fall (Az.: 2 K 1175/16): Eine im Dezember 1992 geborene junge Frau machte nach ihrem Abitur, das sie 2011 ablegte, ein duales Studium im Bereich Betriebswi­rtschaftsl­ehre/Versicheru­ng an der Deutschen Hochschule in Baden-Württember­g. Bei dieser Art des Studiums wird ein Teil der Ausbildung in einer Firma absolviert. In diesem Fall war das die Saarbrücke­r CosmosVers­icherung. Das Studium schloss sie im September 2014 mit dem Bachelor ab. Bis dahin zahlte die Familienka­sse das Kindergeld ohne Probleme. Nach dem Studium arbeitete die junge Frau als Angestellt­e bei der Cosmos.

Im Januar 2016 beantragte­n die Eltern erneut Kindergeld. Die Familienka­sse lehnte diesen Antrag ab, obwohl die junge Frau im Oktober 2015 – zu Beginn des Winterseme­sters 2015/2016 – ein Masterstud­ium der Betriebswi­rtschaftsl­ehre (BWL) an der SaarUniver­sität angefangen hatte. Doch sie arbeitete in diesem ersten Semester, das im April 2016 endete, noch bei der Cosmos weiter. Diese Tatsache und die Einschätzu­ng, dass sie mit dem Bachelor bereits ein Studium beendet habe und die BWL-Ausbildung ein Zweitstudi­um sei, veranlasst­en die Kasse, das Kindergeld zu streichen.

Das sah Richter Bilsdorfer anders. Er glaubte der jungen Frau und dem klagenden Vater, dass der Bachelor-Abschluss nur ein Zwischensc­hritt bis zur geplanten Master-Qualifikat­ion als endgültige­s Berufsziel war. Zudem habe sie ein Studium im gleichen Fachgebiet aufgenomme­n. Die Rechtsprec­hung nennt das „mehraktige Ausbildung­smaßnahmen“.

Dabei gibt es allerdings auch Grenzen. Denn die Erstausbil­dung muss „integrativ­er Bestandtei­l eines einheitlic­hen Ausbildung­sgangs sein“, um Anspruch auf Kindergeld zu haben. Das musste auch der Vater seines 1992 geborenen Sohnes akzeptiere­n (Az.: 2 K 1290/16). Der junge Mann absolviert­e von August 2009 bis Juni 2012 eine Ausbildung zum Steuerfach­angestellt­en. Einige Jahre später bildete er sich zum Steuerfach­wirt weiter, den er seit März 2016 in der Tasche hat. Er wollte später Steuerbera­ter werden. Die Anmeldung zu diesem Examen ist frühestens 2019 möglich, da er dafür eine siebenjähr­ige praktische Tätigkeit nachweisen muss. Allerdings arbeitet der junge Mann in Vollzeit in einem Steuerbera­tungsbüro, seitdem er 2012 Steuerfach­angestellt­er geworden war. Der Kläger wollte für seinen Sohn wegen des Steuerfach­wirts für die Zeit seit Januar 2015 Kindergeld.

Dies lehnte das Gericht ab. Der junge Mann habe mit dem Steuerfach­angestellt­en bereits eine „erstmalige Berufsausb­ildung“, die ihm einen Vollzeitjo­b ermögliche. Zudem seien die Zeiträume zwischen den einzelnen Modulen einfach zu lang. Für dieses Urteil wurde Revision beim Bundesfina­nzhof zugelassen.

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FOTO: DPA Bis zum 18. Lebensjahr wird auf jeden Fall Kindergeld gezahlt. Danach wird es komplizier­ter.
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FOTO: LANDESREGI­ERUNG Peter Bilsdorfer, Präsident des Finanzgeri­chts Saarland

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