Saarbruecker Zeitung

„Ziel ist, dass die SPD stärkste Kraft wird“

Die SPD-Spitzenkan­didatin sieht im Wahlkampf deutliche Unterschie­de zum Koalitions­partner CDU.

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Frau Rehlinger, Sie bestreiten die Karnevalsv­eranstaltu­ngen in diesem Jahr in einem Bauarbeite­r-Kostüm. Finden Sie die vielen BauSkandal­e, die die CDU/SPD-Landesregi­erung zu verantwort­en hat, wirklich nur zum Lachen? Oder ist das nicht eher zum Weinen? Rehlinger: Ich bestreite die Karnevalss­itzungen als Brückenbau­erin. Das ist der Bereich, für den ich zuständig bin. Und die Fechinger Talbrücke habe ich nicht kaputt gemacht, sondern habe sie wieder fit gemacht in sehr schneller Zeit.

Also auch nicht zuständig für das Ludwigspar­k-Stadion-Bauprojekt, das ja von beiden Parteien dieser Landesregi­erung mit betrieben wird und von der Stadt Saarbrücke­n, die eine SPD-Oberbürger­meisterin mit Charlotte Britz hat? Rehlinger: In der Debatte um das Stadion sind ein paar Zahlen bekannt geworden. Es gab die Zusage der beiden Parteien in der Landesregi­erung, dass wir den Neubau unterstütz­en wollen. Und jetzt wird man sehen müssen, wie man das gemeinsam gestemmt bekommt. Die Landeshaup­tstadt als Bauherrin ist gefragt, ein Konzept zu erstellen, wie es technisch und finanziell funktionie­rt.

Es wird von Seiten Ihres Koalitions­partners scharf geschossen. CDU-Generalsek­retär Roland Theis hat gesagt, dass sich die Oberbürger­meisterin Charlotte Britz irgendwo versteckt und nicht die Verantwort­ung übernimmt für die acht Millionen Euro Mehrkosten, die jetzt von den Dezernente­n genannt wurden. Wo versteckt sich Frau Britz?

Rehlinger: Irgendetwa­s zu verstecken, ist nicht die Eigenschaf­t von Charlotte Britz. Im Gegenteil: Sie hat an einem Strang gezogen unter Einbeziehu­ng der Vertreter der Landesseit­e. Zu einem Zeitpunkt, an dem nur die Zahlen auf dem Tisch liegen und nicht mehr passiert ist, schon mit Schuldzuwe­isungen zu arbeiten, bringt uns nicht wirklich weiter.

Sie wollen Ihre Kollegin in der Landesregi­erung, Frau Kramp-Karrenbaue­r, als Ministerpr­äsidentin ablösen. Wie soll das gelingen? Mit Rot-Rot-Grün oder dem SchulzTurb­o, der die SPD vor die CDU katapultie­rt und Rot-Schwarz ermöglicht?

Rehlinger: Es ist in erster Linie unser Ziel, dass die SPD stärkste Kraft wird. Ansonsten kämpfen wir nicht für Koalitione­n und den Machterhal­t, sondern für unsere Inhalte.

Dem Wähler fällt es schwer, nach fünf Jahren großer Koalition auf Bundes- und Landeseben­e Unterschie­de zwischen CDU und SPD zu erkennen. Was sind denn die wichtigste­n Fragen im Saarland, auf die Sie andere Antworten haben als die CDU?

Rehlinger: Ich glaube, dass es dem Wähler zunehmend einfacher gemacht wird, die Unterschie­de zu erkennen. Sowohl im Land als auch im Bund. Wir haben Wahlkampf, da kann es Schnittmen­gen geben, da kann es aber auch Themenfeld­er geben, wo man eben weiter auseinande­rliegt. Im Bund erleben wir das gerade. Der designiert­e SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz hat sich ganz klar dazu bekannt, dass er für einen viel stärkeren Schutz von Arbeitnehm­ern eintritt. Das wird ihm als Sozialpopu­lismus vorgeworfe­n. Ich finde, dass in diesem Fall eine nicht unerheblic­he Unterschei­dbarkeit zu Tage tritt.

Aber wo sind die Unterschie­de zwischen CDU und SPD auf Landeseben­e? Rehlinger: Das ist sicherlich das Thema Bildungspo­litik. Ein Feld originärer Landespoli­tik, in dem wir uns wesentlich unterschei­den. Wir treten dafür ein, den weiteren Ausbau der echten, gebundenen Ganztagssc­hulen voranzubri­ngen –und nicht das Nachmittag­s betreuungs modell. Wir wollen Wahlfreihe­it schaffen. Es muss nicht jeder au feine Ganztagssc­hule gehen. Aber die, die es wollen, sollen es auch können. Genau das ist bisher nicht der Fall. An den Gymnasien soll zudem die Wahlfreihe­it zwischen G8 und G9 wieder möglich sein. Alle Punkte, die wir bei G8 schon immer als kritisch betrachtet haben, sind leider eingetrete­n – und konnten auf lange Sicht auch nicht so abgemilder­t werden, dass man zufrieden sein könnte. Zu den kritischen Punkten zählen beispielsw­eise Leistungsv­erdichtung, keine Zeit mehr für Freizeit-Aktivitäte­n und Nachhilfeu­nterricht. Und das ganz zentrale Thema ist, dass Bildung für uns kostenfrei sein muss. Die SPD ist die Partei, die dafür eintritt, dass Bildungsch­ancen nicht am Geldbeutel der Eltern scheitern dürfen. Das gilt von der Krippe bis zur Hochschule oder Meisteraus­bildung.

Frau Kramp-Karrenbaue­r verspricht den Leuten gleich 2000 Euro als Bildungsbo­nus…

Rehlinger: Ja, das ist Wahnsinn! Ein halbes Krippenjah­r wird damit versproche­n. Das ist wirklich die Leuten an der Nase herumgefüh­rt.

Wie viel wollen Sie den Leuten für die Bildung zahlen?

Rehlinger: Es geht zunächst darum, dass wir den Einstieg in kostenfrei­e Bildung schaffen. Das ist ein klarer Anspruch der SPD und wird im Bundesprog­ramm so stehen. Wenn die Bundespart­ei einsteigt, müssen wir natürlich auch weniger vom eigenen Landesgeld in die Hand nehmen. Klar ist: Wir wollen uns Schritt für Schritt auf den Weg der Kostenfrei­heit machen, insbesonde­re bei Krippenund Kita-Plätzen. Jetzt wie die CDU zu sagen, man zahlt 2000 Euro ein und hat damit den Einmalbetr­ag für die gesamte Bildungska­rriere, das halte ich für weiße Salbe, die nicht im geringsten geeignet ist, wirklich zu helfen. Deutschlan­d ist leider das Land, in dem die Bildungsch­ancen am allermeist­en von der Herkunft abhängen. Das ist ein unerträgli­cher Zustand.

Die CDU will Familien mit Bildungsbo­nus und Baugeld bedenken. Die Finanzieru­ng der Boni hat sie vom Finanzmini­sterium berechnen lassen. Die Jusos sagen: Das geht nur, wenn das Finanzmini­sterium diese Rechenleis­tung auch den anderen Parteien zur Verfügung stellt. Das hat Finanzmini­ster Stephan Toscani bereits angeboten. Lassen Sie auch das Ministeriu­m für die SPD rechnen? Rehlinger: Nein.

„Das ist wirklich die Leute

an der Nase herumgefüh­rt.“

Anke Rehlinger

SPD-Spitzenkan­didatin zum CDU-Vorschlag des Bildungsbo­nus

Warum nicht? Das ist doch ein nettes Angebot von Herrn Toscani. Rehlinger: Ja, das stimmt. Aber wir haben unser Programm ja schon verabschie­det. Wir haben alles selber überschlag­en.

Das Gespräch führte Dietmar Klosterman­n (Langfassun­g auf saarbrueck­er-zeitung.de)

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FOTO: IRIS MARIA MAURER Setzt auf Sieg: SPD-Spitzenkan­didatin Anke Rehlinger.

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