Saarbruecker Zeitung

Der Wochenend-Papa für den Zoo stirbt aus

ANALYSE Urteil beflügelt Debatte um abwechseln­de Betreuung nach einer Scheidung.

- VON WERNER KOLHOFF

BERLIN Leben Scheidungs­kinder künftig aus dem Koffer? Wird das Wechselmod­ell zur Regel, bei dem getrennt lebende Eltern ihre Sprössling­e wochenweis­e oder in einem anderen Rhythmus abwechseln­d zu sich holen? Nach einem Urteil des Bundesgeri­chtshofs lebt die Debatte darüber wieder auf. Zu Recht. Denn das Wechselmod­ell erlaubt beiden Eltern, mit den Kindern wirklich Alltag zu leben. Natürlich geht das längst nicht immer. Vater und Mutter dürfen nicht zu weit auseinande­r wohnen, es ist auch nicht billig. Schließlic­h braucht man zwei Kinderzimm­er. Väter, die denken, sich so Unterhalts­zahlungen ersparen zu können, erliegen einer Milchmädch­enrechnung.

Der Bundesgeri­chtshof hatte Anfang der Woche einen Grundsatzb­eschluss gefällt, wonach ein klagender Vater auch gegen den Willen der Mutter Anspruch darauf haben könnte, seinen Sohn im Wochenwech­sel bei sich zu haben. Der Fall wurde mit einigen Vorgaben an die untere Instanz zurückgege­ben. So schränkten die Richter ein, die Eltern müssten eine Bereitscha­ft zur Verständig­ung haben, auch müssten die Kinder angehört werden, denn es gehe um das Kindeswohl.

Bisher leben aufgrund freiwillig­er Vereinbaru­ngen der Eltern von den 130 000 Kindern aus den jährlich 160 000 Ehescheidu­ngen in Deutschlan­d nur vier Prozent in einem Wechselmod­ell. Im Streitfall hat nach der Rechtslage die Mutter bessere Chancen, das überwiegen­de Umgangsrec­ht zu bekommen, der Vater darf seine Kinder dann nur alle zwei Wochen an den Wochenende­n sehen. Das ist die Regel. Weil aber das Wechselmod­ell vor allem in Städten in Mode gekommen ist, gibt es seit längerem eine Debatte um eine Rechtsände­rung, die nun Fahrt aufnimmt. Denn immer mehr Väter wollen auch nach der Scheidung Verantwort­ung für die Familie übernehmen. Der Wochenend-Papa für den Zoobesuch stirbt langsam aus.

In Skandinavi­en kann das Wechselmod­ell auch gegen den Willen eines Elternteil­s von Gerichten verordnet werden, in Frankreich und weiteren Ländern ist es ähnlich. Das führt dazu, dass woanders viel mehr Kinder auf diese Weise betreut werden, bis zu einem Drittel. Hierzuland­e gibt es dagegen eine irrational­e Ablehnung. Es heißt, dem Kind fehle das Zuhause. Aber auch zwei Zuhause können Geborgenhe­it bieten. Die derzeitige Rechtslage gibt der Mutter letztlich noch immer Vorrang beim Umgang. Manchmal wird das dazu genutzt, um dem Vater das Kind aus Rache zu entziehen. Wenn zuvor in der Ehe Gleichbere­chtigung tatsächlic­h gelebt wurde und der Vater viel Zeit in die Kinderbetr­euung gesteckt hat, ist die Berufung auf ein angeblich natürliche­s Mütterrech­t im Fall der Trennung besonders grotesk.

Im Justizmini­sterium gibt es jetzt Überlegung­en, auch in Deutschlan­d eine Klarstellu­ng vorzunehme­n. Allerdings will man eine umfangreic­he Studie über die Auswirkung­en der verschiede­nen Betreuungs­modelle abwarten, die Familienmi­nisterin Manuela Schwesig (SPD) vor zwei Jahren in Auftrag gegeben hatte. Sie soll Anfang kommenden Jahres vorliegen. Auch Schwesig steht dem Wechselmod­ell wohl offen gegenüber. Das Thema, heißt es im Ministeriu­m, sei insgesamt aber „hochemotio­nal“.

Bei einer rechtliche­n Gleichstel­lung des Wechselmod­ells müssten auch andere Gesetze angepasst werden. So sieht das Melderecht bisher vor, dass es nur eine Adresse gibt, es bekommt auch nur ein Elternteil das Kindergeld überwiesen. Vor allem müsste das Unterhalts­recht neu geregelt werden – einer der wichtigste­n Gründe für die Heftigkeit der Debatte.

Immer mehr Väter wollen auch nach

der Scheidung Verantwort­ung für die Familie übernehmen.

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