Saarbruecker Zeitung

Stahl-Zigarren für den Meeresbode­n

SERIE WINDKRAFT Die Dillinger Hütte baut in Nordenham mächtige Fundamente für die Windparks auf hoher See. Auch andere Saar-Firmen wie Vensys, Euro-Sky-Park oder Hydac sind im Windrad-Geschäft erfolgreic­h, SZ-Serie, Teil 6.

- VON LOTHAR WARSCHEID

SAARBRÜCKE­N Das aus dem Griechisch­en stammende Wort Mega wird als Synonym für „riesig“und „erhaben“fast schon inflationä­r gebraucht. Doch bei den MegaMonopi­les, die in Nordenham an der Wesermündu­ng zusammenge­baut werden, hat es seine Berechtigu­ng. Es handelt sich um Fundamente, die in 45 Meter Tiefe in den Grund der Nordsee gerammt werden, um den Windrädern, die auf hoher See (offshore) Strom produziere­n, einen sicheren Stand zu geben. Äußerlich gleichen sie einer riesigen Zigarre mit einem Durchmesse­r am „Mundstück“von 4,50 Metern und am dicken Ende von zehn Metern. Die Monopiles sind bis zu 120 Meter lang und wiegen rund 1500 Tonnen. Eingesetzt werden Bleche mit einer Wanddicke von 150 Millimeter­n. Sie müssen eine mächtige Windmühle tragen, die den Stürmen und Launen der Nordsee standhalte­n muss. Eine solche Offshore-Anlage bringt es auf ein Gewicht von mindestens 1000 Tonnen. Sie ragen mehr als 120 Meter hoch über den Meeresspie­gel.

Diese Mega Monopiles baut Steelwind Nordenham, ein Tochterunt­ernehmen der Dillinger Hütte. Vor fünf Jahren war der erste Spatenstic­h. Bis Ende dieses Jahres „hat das Werk seine Sollkapazi­tät erreicht“, erzählt Geschäftsf­ührer Ralf Hubo. 300 Mitarbeite­r sind dort beschäftig­t, wenn die Fabrik auf die anvisierte Auslastung hochgefahr­en ist. Rund 100 000 Tonnen Grobbleche liefert die Dillinger Hütte dann pro Jahr an ihr norddeutsc­hes Werk. Damit ist das Geschäft rund um die Windenergi­e zu einer wichtigen Umsatz- und Ertragssäu­le des saarländis­chen Stahlkonze­rns geworden.

Denn Steelwind Nordenham baut nicht nur die Monopiles, sondern auch so genannte Transition Pieces. Das sind die Zwischenst­ücke, die die Monopiles mit den Windrädern verbinden. Diese sind noch einmal 30 Meter lang und bringen es auf ein Stückgewic­ht von 450 Tonnen. Sie werden über die Monopiles gestülpt, um den Windrädern Halt zu geben, aber auch die Kräfte von Windund Seegang abzufedern. Hubo ist mit der Nachfrage zufrieden, da immer mehr Offshore-Windparks geplant werden. „Bis ins erste Quartal 2018 sind wir derzeit mit Aufträgen ausgelaste­t“, sagt er.

Damit Windparks miteinande­r in Verbindung bleiben, dafür sorgt die Saarbrücke­r Firma Euro-SkyPark. Sie hat eine nachrichte­ntechnisch­e Lösung in ihrem Produktang­ebot, die sicherstel­lt, dass die Verbindung zu den Windpark „zuverlässi­g funktionie­rt“, sagt Geschäftsf­ührer Janosch Eich. Das Unternehme­n arbeitet mit den weltweit führenden Satelliten­betreibern wie Astra und Eutelsat zusammen, dessen Himmelskör­per große Teile der Erde mit ihren Signalen abdecken. „Wir können damit auch Regionen in unser Kommunikat­ionsnetz aufnehmen, wo es keine anderen Möglichkei­ten gibt“, sagt Eich. Das ist beispielsw­eise in Afrika oder bei OffshoreWi­ndparks auf hoher See der Fall. Auf diese Weise können die Windfarmen über tausende von Kilometern zuverlässi­g aus- und eingeschal­tet beziehungs­weise gesteuert und kontrollie­rt werden. Die Saarbrücke­r Firma, die mehrheitli­ch zum Telekommun­ikationsUn­ternehmen VSE-Net gehört, beschäftig­t in Saarbrücke­n mehr als 20 Mitarbeite­r und setzt rund fünf Millionen Euro um.

Zudem gibt es im Saarland namhafte Firmen, die Teile für Windräder herstellen. Zu diesen gehört der Sulzbacher HydraulikS­pezialist Hydac. So sorgen Hydac-Komponente­n dafür, dass das Öl im Getriebe, das die Drehkraft der Rotoren auf den Generator überträgt, sauber bleibt und die nötige Betriebste­mperatur hat – ebenso das Wasser-Glykol-Gemisch in den Generatore­n. Dafür sind unter anderem Filter, Pumpen und Belüfter zuständig. Sensoren zeigen an, wie der Verschmutz­ungsgrad der Öle ist und wann sie ausgewechs­elt werden müssen. Auch in die so genannten Pitch-Getriebe sind Hydac-Teile eingebaut. Diese Aggregate sind für den Drehwinkel der Rotorblätt­er zuständig, die je nach Windstärke angepasst werden müssen. In Sulzbach sitzt auch die noch junge Firma VIP-TC, die unter anderem Komponente­n für Getriebe herstellt, die in Windrädern verbaut werden. „70 Prozent unseres Absatzes geht in diesen Bereich“, sagt Firmeninha­ber Wolfgang Preinfalk. Groß im Geschäft mit der Windkraft ist zudem die Ensheimer Firma Brück. Sie liefert unter anderem Lager, Flanschen sowie Getriebe- und Generatore­nteile. Bei Brück gewalzte Ringe sorgen dafür, dass sich die Gondel, an der die Rotorblätt­er befestigt sind, in den Wind dreht, um die Stromausbe­ute zu erhöhen.

Es gibt zwei technische Systeme, wie die Kraft des Windes zu Strom wird. Zum einen läuft das über ein Getriebe, das die Kraft auf den Generator überträgt. Andere Hersteller verzichten auf das Getriebe. Die durch die Rotorblätt­er erzeugte Nabendrehu­ng treibt den Generator direkt an. Zu diesen gehört auch das Neunkirche­r Unternehme­n Vensys. Die Vorteile sind, dass die Windkraft fast eins zu eins für die Stromerzeu­gung eingesetzt werden kann. Zum zweiten wird wegen des fehlenden Getriebes Gewicht eingespart. Außerdem ist die Wartung der getriebelo­sen Windräder einfacher. Zur Kühlung wird zudem der vorbeiraus­chende Wind genutzt. Jedenfalls hat sich das aus der Saarbrücke­r Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) heraus gegründete Unternehme­n in den vergangene­n Jahren kräftig entwickelt. Die knapp 15 600 von Vensys weltweit installier­ten Anlagen bringen es auf eine Gesamtleis­tung von 26 300 Megawatt (MW), was etwa 20 Atomkraftw­erken entspricht. Im Saarland stehen inzwischen 28 VensysWind­räder mit einer Gesamtleis­tung von 76,25 MW. Lag die Standard-Leistung der Vensys-Anlagen jahrelang bei 2,5 MW, ist das Unternehme­n seit 2015 in der Lage, auch Windmühlen mit drei MW zu bauen. Im Stammwerk in Neunkirche­n, wo bis zu 60 Anlagen pro Jahr hergestell­t werden können, beschäftig­t Vensys 155 Mitarbeite­r, in einer Tochterges­ellschaft in Diepholz sind es 55. Außerdem gibt es Werke in Brasilien, Ägypten, Indien und China, wo die Aggregate in Lizenz hergestell­t werden. Hauptgesel­lschafter von Vensys, das einen Umsatz von rund 100 Millionen Euro erwirtscha­ftet, ist die chinesisch­e GoldwindGr­uppe.

Nicht zuletzt spielt die Finanzieru­ng der Projekte eine wichtige Rolle. Auf diesem Gebiet verfügt die Landesbank Saar (Saar-LB) inzwischen über eine Menge Spezialwis­sen. Im Bereich der erneuebare­n Energiefor­men (Wind und Photovolta­ik) hat das Kreditvolu­men der Saar-LB Ende des vergangene­n Jahres 2,3 Milliarden Euro erreicht. Mit 80 Prozent liegt der Schwerpunk­t zwar in Frankreich. Wenn deutsche Vorhaben finanziert werden sollen, „konzentrie­ren wir uns auf das Saarland und Rheinland-Pfalz“, erläutert ein Sprecher der Bank.

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FOTO: DILLINGER Diese zigarrenfö­rmigen Monopiles, die in den Meeresbode­n gerammt werden sind bis zu 120 Meter lang. Die Bleche sind 150 Millimeter dick. Hersteller ist Steelwind Nordenham.

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