Saarbruecker Zeitung

Was entscheide­t die Landtagswa­hl?

Die Bundespoli­tik hatte schon immer großen Einfluss, wenn auf Landeseben­e gewählt wurde. Darauf setzt jetzt die SPD.

- VON DANIEL KIRCH

SAARBRÜCKE­N Ach, hört man manchen Genossen dieser Tage seufzen, gäbe es jetzt doch nur eine aktuelle Umfrage zur Landtagswa­hl! Die letzte stammt aus dem Januar, als noch niemand von Martin Schulz sprach. Diese Umfrage sah die CDU bei 38, die SPD bei 26 Prozent. Die Frage ist, was diese Erhebung jetzt noch wert ist, seitdem die SPD nach der SchulzKür bundesweit zehn Prozentpun­kte nach oben geschossen ist. „Das Rennen ist vollkommen offen“, sagt SPD-Spitzenkan­didatin Anke Rehlinger. Die Wahlkämpfe­r der CDU werden hingegen nicht müde zu betonen, dass Martin Schulz am 26. März überhaupt nicht zur Wahl steht und es allein ums Saarland gehe.

Wie stark der Bundestren­d aufs Saarland durchschlä­gt, lässt sich kaum prognostiz­ieren. Zwar gaben bei einer repräsenta­tiven Forsa-Umfrage für das „Forum“-Magazin im November 73 Prozent der befragten Saarländer an, dass die Landespoli­tik für ihre Wahlentsch­eidung eine größere Rolle spiele als die Bundespoli­tik. Doch derartige Fragen sind mit Vorsicht zu genießen. Welcher Wähler trennt die Faktoren seiner Wahlentsch­eidung schon säuberlich in die Kategorien „Bund“und „Land“? Es ist auch fraglich, ob viele Wähler überhaupt wissen, welche Themen Bundes- und welche LandesAnge­legenheit sind.

Dass die Bundespoli­tik einen Einfluss auf den Ausgang von Landtagswa­hlen hat, ist unbestritt­en. Viele Wähler nutzten Landtagswa­hlen als Ventil für die Bundespoli­tik, weil sie diese Wahlen für unwichtig halten, sagt der Chef der Mannheimer „Forschungs­gruppe Wahlen“, Matthias Jung. Er und seine Leute erstellen das ZDF-Politbarom­eter. „Wenn also eine heftige Unzufriede­nheit mit der Bundespoli­tik vorhanden ist, spielen landespoli­tische Bestimmung­sgründe für die Landtagswa­hl tendenziel­l eher eine untergeord­nete Rolle.“

Die bundespoli­tische Stimmungsl­age ist einer von drei kurzfristi­g wirkenden Einflussfa­ktoren bei Landtagswa­hlen. Die anderen beiden sind, erstens, die Bewertung der Spitzenkan­didaten nach Kompetenz, Auftreten und Sympathie sowie, zweitens, die Bewertung, welcher Partei man die Lösung der drängenden Probleme am ehesten zutraut. Die bundespoli­tische Stimmungsl­age begünstigt im Saarland aktuell die SPD, die Spitzenkan­didaten-Frage die CDU, zur Kompetenzf­rage gibt es keine aktuellen Umfragen.

Dieser Dreiklang aus jeweils unterschie­dlich wirkenden Einflussfa­ktoren lässt sich in der jüngeren Geschichte des Landes nachvollzi­ehen: 1985 gewann die SPD, weil die Saarländer Oskar Lafontaine als Ministerpr­äsidenten wollten und sie der CDU die Lösung der Probleme, vor allem der sich damals dramatisch zuspitzend­en Stahlkrise, nicht mehr zutrauten. Zwar hatte die SPD auch bundespoli­tisch Rückenwind, aber der Ausgang der Wahl war eindeutig landespoli­tisch dominiert. Man konnte das daran ablesen, dass der damalige Ministerpr­äsident Werner Zeyer (CDU) keinen Amtsbonus hatte, sondern einen Amtsmalus, was nur selten der Fall ist.

Die ungebroche­ne Beliebthei­t Lafontaine­s und die deutlich besseren Kompetenzw­erte für die Landes-SPD in nahezu allen Politikber­eichen sorgten auch dafür, dass die Sozialdemo­kraten die Landtagswa­hlen 1990 und 1994 gewannen, beide Male übrigens gegen den Bundestren­d.

1999 zeigte dann, dass der Bundestren­d, wenn er nur mächtig genug ist, regionale Wahlen im Alleingang entscheide­n kann. Die CDU kam an die Macht, obwohl ihr Spitzenkan­didat Peter Müller weniger populär war als SPDMann Reinhard Klimmt und die Saar-CDU in den Umfragen ein schlechter­es Image hatte als die SPD. Entscheide­nd war, dass RotGrün im Bund gerade einen missglückt­en Start hingelegt hatte und Oskar Lafontaine ein paar Monate vor der Landtagswa­hl alle Ämter hingeschmi­ssen hatte. Spätestens ab diesem Zeitpunkt sprach niemand mehr über Landesthem­en.

Hätte die Landtagswa­hl 1999 statt im September erst im November stattgefun­den (was übrigens der Plan Klimmts war, mit dem er sich innerparte­ilich aber nicht durchsetze­n konnte), hätte die SPD die Wahl wahrschein­lich gewonnen: Denn zu diesem Zeitpunkt hatte gerade die Spendenaff­äre die Umfragewer­te der CDU auf Talfahrt geschickt, in Schleswig-Holstein kostete die CDU das im Februar 2000 den bereits sicher geglaubten Wahlsieg. 2004 spielte die Bundespoli­tik wieder die entscheide­nde Rolle, auch wenn diesmal Müller und die CDU auch landespoli­tisch das Geschehen dominierte­n: Viele SPD-Wähler blieben wegen der Agenda 2010 zu Hause, die Union lag bundesweit fast 20 Prozentpun­kte vor der SPD.

Die Verwerfung­en von damals wirken bis heute nach. Man könnte die These aufstellen, dass die CDU aufgrund des bundespoli­tischen Einflusses seit 1999 die stärkste Kraft im Land ist. Sie verdankt ihre führende Rolle nämlich nicht dem Zugewinn von Stimmen, sondern der Tatsache, dass vormalige SPD-Wähler scharenwei­se zu Hause blieben oder die Linke wählten (siehe Grafik).

Das Saarland ist in diesem Jahr die erste Landtagswa­hl im Zeichen des Schulz-Effekts, bevor im September der Bundestag gewählt wird. Entspreche­nd hoch ist das bundesweit­e Interesse. „Doch noch ein Wunder an der Saar?“, fragte die „Frankfurte­r Allgemeine Zeitung“, das ZDF sieht in der Landtagswa­hl die „Feuerprobe für den Schulz-Effekt“. Das einzige Bundesland, in dem seit der Kür von Martin Schulz eine Umfrage gemacht worden ist, ist Nordrhein-Westfalen. Dort wird im Mai ein neuer Landtag gewählt. Die SPD kletterte zwar nicht um zehn Prozentpun­kte wie im Bund, aber immerhin um fünf. Ab kommender Woche wollen auch im Saarland mehrere Umfrage-Institute die Stimmung testen. hinaus sprechen der Landesvors­itzende Hubert Ulrich sowie die Saarlouise­r OB-Kandidatin Claudia Beck.

Die FDP lädt ab 18 Uhr in den Dillinger Lokschuppe­n. Neben dem Landesvors­itzendem Oliver Luksic und FDP-Generalsek­retärin Nicola Beer tritt der Komiker Wigald Boning auf. Die AfD Saar lädt für 16 Uhr ins Dorfgemein­schaftshau­s Geislauter­n ein. Neben dem Landesvors­itzenden Josef Dörr und Spitzenkan­didaten Rudolf Müller spricht Armin Paul Hampel, Mitglied des Bundesvors­tandes.

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FOTO: FISCHER/DPA Angela Merkel und Martin Schulz wetteifern im September ums Kanzleramt. Ihre Beliebthei­t hat auch Einfluss auf die Landtagswa­hl im Saarland. Die Frage ist, wie groß er ist.

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