Saarbruecker Zeitung

Monsieur Hulot macht froh

Das Saarbrücke­r Kino Achteinhal­b zeigt das Gesamtwerk des Regisseurs Jacques Tati.

- VON TOBIAS KESSLER

SAARBRÜCKE­N Jetzt kann er es ja zugeben: Als Nils Daniel Peiler Jacques Tatis „Playtime“zum ersten Mal sah, ist er sanft eingeschlu­mmert. „Ich habe erstmal keinen Zugang gefunden“, sagt Peiler. Damals war er Student in Saarbrücke­n, heute ist er Filmwissen­schaftler und mittlerwei­le ein großer Anhänger des Franzosen (1907-1982) und dessen „zeitloser, filmisch visionärer Komik“. Tati blickte in Filmen wie „Die Ferien des Monsieur Hulot“, „Mein Onkel“und „Trafic“humoristis­ch und kritisch auf die Welt (vor allem die französisc­he), auf ihre Kuriosität­en und Macken. Der damals dösende Peiler entdeckt heute „in diesen Zeitdokume­nten der französisc­hen Gesellscha­ft“ständig Neues, „in jeder Einstellun­g gibt es kleine Raffinesse­n“, wenn Tati sich filmisch elegant über grenzenlos­e Fortschrit­tsund Technikglä­ubigkeit mokiert oder über seelenlose Architektu­r.

Peiler zeigt ab Donnerstag nächster Woche im Saarbrücke­r Kino Achteinhal­b das Gesamtwerk Tatis. Das Kuratieren war für ihn eine Frage des „Jetzt oder nie“: Die Rechtelage eines filmischen Gesamtwerk­s ist oft zersplitte­rt, erfordert viel Recherche und Verhandlun­gsarbeit. „Aber hier war die Lage luxuriös“, sagt Peiler. Die Rechte aller Filme Tatis (abgesehen vom posthumen Trickfilm „Der Illusionis­t“nach einem TatiDrehbu­ch) liegen zurzeit beim französisc­hen Verleih Studiocana­l. „Aus Kurator-Sicht ein Geschenk“, sagt Peiler, der einen „passablen Preis“ausgehande­lt hat. „In einem Jahr könnte die Rechtelage ganz anders sein.“

Vor den Filmen gibt Peiler eine dreivierte­lstündige Einführung, mit Filmaussch­nitten, Fotos und Querverwei­sen: Man könne etwa sehen, „was ein Film wie ‚Mr. Bean macht Ferien’ alles bei Tati geklaut hat“. Die Reihe zeigt auch die selten zu sehenden Kurzfilme Tatis, die oft einen Bezug zum Hauptfilm haben: „Schule der Briefträge­r“etwa, in dem er 1946, drei Jahre vor „Schützenfe­st“, einige Ideen durchspiel­te. Oder „Abendschul­e“, den Tati 1967 in den Kulissen von „Playtime“gedreht hat. Eine „rare Archivperl­e“nennt Peiler „Spezialitä­t des Hauses“, ein Kurzfilm von Tatis Tochter, den sie 1976 im selben Städtchen drehte, in der „Schützenfe­st“entstand: Sainte-Sévère-sur-Indre.

Mit sechs Spiel- und sieben Kurzfilmen wirkt das Lebenswerk Tatis schmal – was aber täuscht, wie Peiler erklärt. „Er hat immer wieder an Filmen gearbeitet, oft Jahre nach ihrer Premiere.“Was ist dann die definitive Version? Peiler zeigt die jeweils jüngste Version, „die für Tati letztgülti­ge Fassung“– von „Die Ferien des Monsieur Hulot“(1953) etwa die Fassung von 1978, von „Schützenfe­st“, Premiere 1949, die Fassung von 1964.

Es ist nicht Peilers erste Retrospekt­ive im Achteinhal­b. An die These „Das Thema Werkschau im Kino ist tot“glaubt er nicht und hat einige beachtete und gut besuchte Reihen kuratiert: über den US-Regisseur Wes Anderson („Grand Budapest Hotel“) etwa oder über Louis de Funès. Billige oder einfache Unternehmu­ngen sind das nicht, für „Playtime“etwa musste Peiler deutsche Untertitel erstellen; überrascht ist er darüber,

dass „es diesmal wirklich schwer war“, Unterstütz­er abseits der traditione­llen Begleiter wie der Uni Saarbrücke­n oder der Volkshochs­chule Regionalve­rband Saarbrücke­n zu finden. „Die Bereitscha­ft zur Förderung ist allgemein rückläufig.“Dass dies Peilers vorerst letzte Reihe ist, liegt an seiner anstehende­n Doktorarbe­it, aber eben auch am schwierige­n Finanziere­n. „Wenn man wegen 50 Euro Zuschuss endlos telefonier­en muss, fragt man sich schon, ob die Rahmenbedi­ngungen noch stimmen.“

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