Saarbruecker Zeitung

Darum ist Autofasten eine Luft-Nummer

Umweltexpe­rten und Kirchen raten Deutschen zum Verzicht bis Ostern, um die Umwelt von Feinstaub zu entgiften.

- VON TORSTEN HOLTZ

BERLIN (dpa) Die Luft in den Städten Deutschlan­ds ist belastet – durch Feinstaub. In München, Hamburg und Stuttgart übersteige­n die Stickstoff­dioxide inzwischen sogar ganzjährig den europäisch­en Grenzwert. In vielen anderen Großstädte­n sieht es nicht wirklich besser aus. Schuld daran sind die Autofahrer, warnen Umweltexpe­rten seit Jahren mantraarti­g. Doch auf Rad, Bus oder Bahn umsteigen, kommt aber nur für die Wenigsten infrage.

Das Umweltbund­esamt schlägt ihnen jetzt eine Radikalkur vor: Freiwillig­es „Autofasten“. 40 Tage lang. Von Aschermitt­woch bis Ostern. Die Behörde hofft, dass mancher Autofahrer danach sogar dauerhaft aus dem Wagen aussteigen wird. Helfen beim Auto-Entzug soll der Geldbeutel. Den sollen regionale Verkehrstr­äger mit Rabatten entlasten. So lautet zumindest der Plan, den das Amt gestern in Berlin vorgestell­t hat.

Neu ist das nicht. Angestoßen haben das „Autofasten“die Kirchen vor 20 Jahren . „In der Fastenzeit sind wir Christen aufgeforde­rt, unsere Lebensgewo­hnheiten zu überdenken und zu überprüfen“, sagte gestern das Bistum Mainz. Beim Autofasten seien in diesem Jahr beispielsw­eise auch die katholisch­en Bistümer Trier und Köln und auch die Evangelisc­he Kirche im Rheinland dabei.

Begeistert sind natürlich die Grünen der Republik. Und auch Umweltmini­sterin Barbara Hendricks (SPD). Schließlic­h gehe es ja nicht darum, das Autofahren gänzlich zu verbieten. „Aber wir können unsere Perspektiv­en ändern, wenn wir ganz bewusst und zumindest in der Fastenzeit auf andere Verkehrsmi­ttel umsteigen.“Selbst der Verkehrscl­ub ADAC hat keine grundsätzl­ichen Einwände. Der freiwillig­e Autoverzic­ht müsse auch nicht auf die Fastenzeit beschränkt bleiben, sagte Club-Sprecher Andreas Hölzel. Allerdings brauche es dann für längere Distanzen konkurrenz­fähige Alternativ­en.

Der ADAC verwies auf eine eigene Umfrage, wonach viele Menschen bereit wären, auf Bus und Bahn umzusteige­n – wenn die Fahrpreise niedriger wären, die Verbindung­en schneller und das Tarifsorti­ment verständli­cher. Das sieht Stefan Küper vom Umweltverb­and Germanwatc­h anders. Bei genauer Berechnung sei nämlich das Auto der eigentlich­e Kostentrei­ber. „Gerade bei Einbezug der Fixkosten wie Wertverlus­t des Wagens, Steuern, Versicheru­ng, TÜV und so weiter fährt es sich mit Bus und Bahn in der Regel deutlich günstiger“, sagte Küpper. Aber auch er räumt ein: „Natürlich gibt es aber insbesonde­re auf dem Land Wohnlagen, in denen es ganz ohne Auto nur schwer geht.“

Geräuschlo­s läuft es in der Praxis dann doch nicht ab, wenn Städte den Deutschen das Auto verbieten wollen. Als die Landesregi­erung in Baden-Württember­g jüngst verkündet hatte, in Stuttgart ab 2018 an Tagen mit hoher Schadstoff­belastung zentrale Straßen für viele Diesel zu sperren, überkam sie ein Sturm der Entrüstung. Doch: Geht es nach dem Städtetag, war Stuttgart nur der Anfang. . .

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FOTOS: FOTOLIA/IMAGO Fasten kann wirklich hart sein – gerade, wenn es um das Auto geht. Da dreht so mancher beim 40-Tage-Verzicht schon mal durch.

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