Saarbruecker Zeitung

In der „Kenia-Koalition“rumpelt es schon mal

Analyse In Sachsen-Anhalt regieren CDU, SPD und Grüne seit einem Jahr als bundesweit erste schwarz-rot-grüne Koalition. Hält das ungewöhnli­che Bündnis?

- VON SIMON RIBNITZKY

MAGDEBURG (dpa) Selten haben Wahlen die politische­n Verhältnis­se derart durcheinan­dergewürfe­lt: In gleich drei Bundesländ­ern entstanden nach den Landtagswa­hlen vor einem Jahr eher ungewöhnli­che Koalitione­n. In Baden-Württember­g ging das bundesweit erste grün-schwarze Bündnis an den Start. RheinlandP­falz bekam eine Ampel aus SPD, FDP und Grünen. Und in Sachsen-Anhalt fanden sich CDU, SPD und Grüne zu einer „Kenia-Koalition“zusammen – auch das eine bundesweit­e Premiere. Funktionie­rt das Modell in Magdeburg?

Einen besonders kritischen Moment hat die schwarz-rot-grüne Koalition gerade überstande­n: Der Haushalt für dieses und das kommende Jahr ist beschlosse­n. Um das Rekordvolu­men von mehr als elf Milliarden Euro jährlich wurde bis zuletzt hart gerungen – gerade CDU und Grüne waren sich bei den Schwerpunk­ten nicht einig. Aber: „Wir haben zusammenge­funden“, sagt Ministerpr­äsident Reiner Haseloff (CDU).

Auch sonst rumpelt es in der Koalition so manches Mal. Aktuell sind vor allem Abschiebun­gen nach Afghanista­n und die Frage, ob nordafrika­nische Staaten sichere Herkunftsl­änder sind, heikle Themen – vor allem zwischen Schwarz und Grün. Konservati­ve CDU-Abgeordnet­e fordern, die eigene Partei müsse sich stärker gegen den kleinen Partner durchsetze­n. Bei Abstimmung­en im Landtag kann sich die Koalition viele Abweichler allerdings nicht leisten: Weil sich die AfD rund ein Viertel aller Sitze im Magdeburge­r Landtag sicherte, muss das wegen der Nationalfa­rben als Kenia-Koalition bezeichnet­e Bündnis mit der relativ dünnen Mehrheit von fünf Stimmen auskommen.

CDU und SPD haben in Magdeburg

Reiner Haseloff (CDU) lange gemeinsam regiert, mit den Grünen kam ein neuer Partner hinzu, der manches anders machen wollte. „Da hat es schon mal geknallt“, sagt Grünen-Fraktionsc­hefin Cornelia Lüddemann. Doch es gab auch Erfolgsmel­dungen, etwa den Kompromiss zwischen dem Land und dem Umweltverb­and BUND zum Ausbau der A14 im Norden Sachsen-Anhalts. Die Vermittler­rolle der Grünen wird auch von der CDU gelobt. CDU-Landeschef Thomas Webel bezeichnet den Kompromiss als „ein starkes Stück Kenia“.

Für den Politikwis­senschaftl­er Wolfgang Renzsch ist das ein Zeichen, dass die Zusammenar­beit in der Sache häufig gar nicht so schwierig ist wie zunächst angenommen. „In der realen Politik spielen Partei-Ideologien nicht so eine intensive Rolle.“Die Fachpoliti­ker der drei Parteien könnten sehr schnell zu vernünftig­en Lösungen kommen. Die Trennlinie verläuft dann gar nicht mehr zwischen den Parteien, sondern eher zwischen den verschiede­nen Fachrichtu­ngen. „Finanzpoli­tiker sind sich meist einig, dass sie kein Geld ausgeben wollen. Sozialpoli­tiker sind sich einig, dass sie Geld ausgeben wollen“, sagt Renzsch. Beispielha­ft dafür steht der Bereich Umwelt und Landwirtsc­haft.

Es sei klar, dass sich in diesem Bündnis nicht jede eigene Vorstellun­g umsetzen lasse, sagt Lüddemann. „Wir kümmern uns um das, was wir vereinbart haben.“Jede Partei bleibe aber auch eigenständ­ig und gebe ihre Identität nicht auf. Haseloff sagt, die Koalition bewege sich im Rahmen der Schnittmen­gen. „Wir klammern die Dinge aus, die nicht relevant sind.“Über den Kohleausst­ieg etwa müsse man nicht in dieser Legislatur­periode entscheide­n.

Dreierbünd­nisse seien immer schwierige­r als die üblichen Koalitione­n aus zwei Parteien, erklärt der Politologe Renzsch. „Aber es funktionie­rt.“Einen Grund, weshalb das Kenia-Modell scheitern müsste, sieht er nicht.

„Wir klammern die Dinge aus, die nicht relevant sind.“

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