Saarbruecker Zeitung

Der Phönix aus der Asche

Mozilla stellt die Unterstütz­ung für sein E-Mail-Programm Thunderbir­d ein. Jetzt sollen private Geldgeber helfen.

- VON DAVID SEEL Vorsitzend­e der Mozilla-Stiftung

SAARBRÜCKE­N Mehr und mehr Menschen vertrauen hierzuland­e auf elektronis­che Post in Form von E-Mails. Laut repräsenta­tiven Umfragen des Statistik-Portals statista wurden 2016 alleine in Deutschlan­d fast 585 Milliarden E-Mails versendet – 40 Milliarden mehr als noch im Vorjahr. Über 18 Millionen Bundesbürg­er nutzen demnach täglich E-Mails für geschäftli­che oder private Zwecke, weitere 20 Millionen mindestens einmal pro Woche.

Wie das Unternehme­n newsletter­2go errechnet hat, verwenden aber nur noch ungefähr 32 Prozent der Nutzer den InternetBr­owser zum Versenden und Empfangen von E-Mails. Die überwiegen­de Mehrheit nutzt stattdesse­n sogenannte E-MailClient­s, also Programme, mit deren Hilfe E-Mails direkt am PC, Smartphone oder Tablet geöffnet und versendet werden können.

Die Zukunft von Mozillas Thunderbir­d, dem nach Microsofts Outlook Express und Apple Mail in Deutschlan­d drittbelie­btesten E-Mail-Client im Desktop-Bereich, scheint momentan allerdings ungewiss. Schon seit 2012 werden von Mozilla selbst nur noch Stabilität­sund Sicherheit­supdates entwickelt. Neuerungen, die den Funktionsu­mfang erweitern, werden seitdem nur noch von freien Entwickler­n zur Verfügung gestellt, wie das Fachmagazi­n Heise online berichtet. Mitchell Baker, die Vorsitzend­e der Mozilla-Stiftung, begründete diese Entscheidu­ng damit, dass „Thunderbir­d bereits alle Funktionen besitzt, die die Nutzer wollen und höchstens Wartungsup­dates benötigt“.

Im Dezember 2015 kündigte Baker an, dass sich Mozilla aus der Entwicklun­g von Thunderbir­d zurückzieh­en wolle. Als Gründe führte sie eine gegenseiti­ge Behinderun­g der Entwicklun­gsteams von Firefox und Thunderbir­d sowie den schwindend­en Marktantei­l von Thunderbir­d im Vergleich zu Smartphone-basierten Clients an. „Wir müssen auf Firefox fokussiert sein wie ein Laser. Mit Thunderbir­d ein weiteres Produkt und damit einen weiteren Fokus zu haben, wird sich auf beide Produkte negativ auswirken“, so Baker in einer offenen E-Mail an die Nutzer. Die „überwältig­ende Mehrheit der Mozilla-Führung“sehe in Thunderbir­d nicht das Potenzial, „die Branche so nachhaltig zu verändern“wie in Firefox.

Diese Entscheidu­ng, die mit Blick auf den deutschen Markt etwas merkwürdig anmutet, wird verständli­cher, wenn man die internatio­nale Marktsitua­tion betrachtet. Nach Schätzunge­n von Mozilla nutzten 2015 weltweit 25 bis 30 Millionen Menschen Thunderbir­d. Laut Statistike­n des USUnterneh­mens Litmus E-Mail Analytics lag der internatio­nale Marktantei­l im Desktop-Bereich damit bei unter einem Prozent. Neben der Tatsache, dass Produkte wie Googles Gmail und Yahoo Mail besonders in den USA weit häufiger genutzt werden als hierzuland­e, liegt der Hauptgrund für den schwindend­en Marktantei­l an der wachsenden Dominanz Smartphone-basierter E-Mail-Clients. So wurden 2016 bereits 56 Prozent aller E-Mails vom Smartphone aus geöffnet und versendet.

Momentan arbeitet Mozilla daran, eine „vorläufige rechtliche und finanziell­e Basis für das Thunderbir­d-Projekt“zu finden, wie Kent James, Mitglied des Thunderbir­d Council, das sich ehrenamtli­ch um die Weiterentw­icklung des Programms kümmert, im Dezember 2015 bekannt gab. Gleichzeit­ig werde darüber nachgedach­t, wo Thunderbir­d langfristi­g am besten aufgehoben wäre. „Das könnte bei Mozilla oder woanders sein“, so James. Zumindest sei damit die Möglichkei­t gegeben, Spenden an das Projekt zu leisten, um Wartung und Updates

Mitchell Baker

„Wir müssen auf Firefox fokussiert sein wie

ein Laser.“

zu finanziere­n. Thunderbir­d sei auf die Unterstütz­ung der Nutzer angewiesen und könne sich nicht weiterhin aus den Erträgen von Firefox finanziere­n.

Laut den Verantwort­lichen des Thunderbir­d Council besteht dennoch weiterhin eine starke Abhängigke­it vom ehemaligen Mutterkonz­ern, man arbeite allerdings mit Hochdruck daran, diese abzubauen. Ein erster Schritt sei die Suche nach neuen Geldgebern, um „die dringenden technische­n Probleme zu lösen, mit denen Thunderbir­d konfrontie­rt ist“, so die Sprecher des Thunderbir­d-Gremiums.

Ein erster Ansprechpa­rtner sei die Schweizer Pep-Foundation gewesen. Diese sei aber nie ernsthaft als dauerhafte Finanzieru­ngsoption in Betracht gekommen. Vielmehr sei es primär darum gegangen, Peps Verschlüss­elungssoft­ware in Thunderbir­d zu integriere­n, um die E-Mail-Übertragun­g sicherer zu machen. Während der Gespräche habe sich allerdings gezeigt, dass beide Unternehme­n zu diesem Zeitpunkt nicht in einer Situation gewesen seien, die eine finanziell­e Kooperatio­n ermöglicht hätte.

In jüngerer Zeit hat Thunderbir­d wiederholt E-Mails an die Nutzer versendet, in denen zu Spenden für das Projekt aufgerufen wird. Durch die Aktion sei genug Geld zusammenge­kommen, um die Weiterentw­icklung für die nähere Zukunft zu sichern.

Wie genau diese aussehen soll und wie die vorhandene­n Ressourcen eingesetzt werden sollten, sei momentan Gegenstand der Diskussion, so die Thunderbir­d-Sprecher.

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GRAFIK: MOZILLA Thunderbir­d ist Deutschlan­ds drittbelie­btestes E-Mail-Programm. Auf dem internatio­nalen Markt ist der Donnervoge­l allerdings weit abgeschlag­en.

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