Der Phönix aus der Asche
Mozilla stellt die Unterstützung für sein E-Mail-Programm Thunderbird ein. Jetzt sollen private Geldgeber helfen.
SAARBRÜCKEN Mehr und mehr Menschen vertrauen hierzulande auf elektronische Post in Form von E-Mails. Laut repräsentativen Umfragen des Statistik-Portals statista wurden 2016 alleine in Deutschland fast 585 Milliarden E-Mails versendet – 40 Milliarden mehr als noch im Vorjahr. Über 18 Millionen Bundesbürger nutzen demnach täglich E-Mails für geschäftliche oder private Zwecke, weitere 20 Millionen mindestens einmal pro Woche.
Wie das Unternehmen newsletter2go errechnet hat, verwenden aber nur noch ungefähr 32 Prozent der Nutzer den InternetBrowser zum Versenden und Empfangen von E-Mails. Die überwiegende Mehrheit nutzt stattdessen sogenannte E-MailClients, also Programme, mit deren Hilfe E-Mails direkt am PC, Smartphone oder Tablet geöffnet und versendet werden können.
Die Zukunft von Mozillas Thunderbird, dem nach Microsofts Outlook Express und Apple Mail in Deutschland drittbeliebtesten E-Mail-Client im Desktop-Bereich, scheint momentan allerdings ungewiss. Schon seit 2012 werden von Mozilla selbst nur noch Stabilitätsund Sicherheitsupdates entwickelt. Neuerungen, die den Funktionsumfang erweitern, werden seitdem nur noch von freien Entwicklern zur Verfügung gestellt, wie das Fachmagazin Heise online berichtet. Mitchell Baker, die Vorsitzende der Mozilla-Stiftung, begründete diese Entscheidung damit, dass „Thunderbird bereits alle Funktionen besitzt, die die Nutzer wollen und höchstens Wartungsupdates benötigt“.
Im Dezember 2015 kündigte Baker an, dass sich Mozilla aus der Entwicklung von Thunderbird zurückziehen wolle. Als Gründe führte sie eine gegenseitige Behinderung der Entwicklungsteams von Firefox und Thunderbird sowie den schwindenden Marktanteil von Thunderbird im Vergleich zu Smartphone-basierten Clients an. „Wir müssen auf Firefox fokussiert sein wie ein Laser. Mit Thunderbird ein weiteres Produkt und damit einen weiteren Fokus zu haben, wird sich auf beide Produkte negativ auswirken“, so Baker in einer offenen E-Mail an die Nutzer. Die „überwältigende Mehrheit der Mozilla-Führung“sehe in Thunderbird nicht das Potenzial, „die Branche so nachhaltig zu verändern“wie in Firefox.
Diese Entscheidung, die mit Blick auf den deutschen Markt etwas merkwürdig anmutet, wird verständlicher, wenn man die internationale Marktsituation betrachtet. Nach Schätzungen von Mozilla nutzten 2015 weltweit 25 bis 30 Millionen Menschen Thunderbird. Laut Statistiken des USUnternehmens Litmus E-Mail Analytics lag der internationale Marktanteil im Desktop-Bereich damit bei unter einem Prozent. Neben der Tatsache, dass Produkte wie Googles Gmail und Yahoo Mail besonders in den USA weit häufiger genutzt werden als hierzulande, liegt der Hauptgrund für den schwindenden Marktanteil an der wachsenden Dominanz Smartphone-basierter E-Mail-Clients. So wurden 2016 bereits 56 Prozent aller E-Mails vom Smartphone aus geöffnet und versendet.
Momentan arbeitet Mozilla daran, eine „vorläufige rechtliche und finanzielle Basis für das Thunderbird-Projekt“zu finden, wie Kent James, Mitglied des Thunderbird Council, das sich ehrenamtlich um die Weiterentwicklung des Programms kümmert, im Dezember 2015 bekannt gab. Gleichzeitig werde darüber nachgedacht, wo Thunderbird langfristig am besten aufgehoben wäre. „Das könnte bei Mozilla oder woanders sein“, so James. Zumindest sei damit die Möglichkeit gegeben, Spenden an das Projekt zu leisten, um Wartung und Updates
Mitchell Baker
„Wir müssen auf Firefox fokussiert sein wie
ein Laser.“
zu finanzieren. Thunderbird sei auf die Unterstützung der Nutzer angewiesen und könne sich nicht weiterhin aus den Erträgen von Firefox finanzieren.
Laut den Verantwortlichen des Thunderbird Council besteht dennoch weiterhin eine starke Abhängigkeit vom ehemaligen Mutterkonzern, man arbeite allerdings mit Hochdruck daran, diese abzubauen. Ein erster Schritt sei die Suche nach neuen Geldgebern, um „die dringenden technischen Probleme zu lösen, mit denen Thunderbird konfrontiert ist“, so die Sprecher des Thunderbird-Gremiums.
Ein erster Ansprechpartner sei die Schweizer Pep-Foundation gewesen. Diese sei aber nie ernsthaft als dauerhafte Finanzierungsoption in Betracht gekommen. Vielmehr sei es primär darum gegangen, Peps Verschlüsselungssoftware in Thunderbird zu integrieren, um die E-Mail-Übertragung sicherer zu machen. Während der Gespräche habe sich allerdings gezeigt, dass beide Unternehmen zu diesem Zeitpunkt nicht in einer Situation gewesen seien, die eine finanzielle Kooperation ermöglicht hätte.
In jüngerer Zeit hat Thunderbird wiederholt E-Mails an die Nutzer versendet, in denen zu Spenden für das Projekt aufgerufen wird. Durch die Aktion sei genug Geld zusammengekommen, um die Weiterentwicklung für die nähere Zukunft zu sichern.
Wie genau diese aussehen soll und wie die vorhandenen Ressourcen eingesetzt werden sollten, sei momentan Gegenstand der Diskussion, so die Thunderbird-Sprecher.