Saarbruecker Zeitung

,,Ich bin auf dem Bau groß geworden”

Astrid Hilt ist zugleich Handwerker­in und Künstlerin. Wie sie zu diesem Beruf kam, berichtete sie in der Frauengend­erbiblioth­ek.

- VON SILVIA BUSS

SAARBRÜCKE­N Ihre typischen Werkzeuge sind Hammer und Meißel. Aber auch mit Presslufth­ämmern, Flex oder Kettensäge kann sie umgehen. Als „Bildhaueri­n im Handwerk“, nicht zu verwechsel­n mit einem Steinmetz, zählt Astrid Hilt noch immer zu den „Frauen in außergewöh­nlichen Berufen“. Deshalb bat die Frauengend­erbiblioth­ek die gebürtige Ihnerin (bei Saarlouis) jetzt, sich mit ihrem Beruf in der gleichnami­gen Veranstalt­ungsreihe in Saarbrücke­n vorzustell­en.

Es ist ein vielfältig­er Beruf, der handwerkli­ches Können und Kunst vereinigt, lernten die rund zwanzig Zuhörerinn­en am Freitagabe­nd während des Vortrags. Im eigenen Betrieb, den Hilt 2010 als Meisterin zusammen mit ihrem Mann in Limbach gründete, fertigt sie individuel­l gestaltete Grabmale an, macht Restaurier­ungen und Skulpturen im Auftrag von Kunden.

Anders als Steinmetze arbeiten Bildhauer und eben auch Bildhaueri­nnen nicht nach Schablonen, sondern nach Skizzen und Modellen oder machen freie Arbeiten, erklärt die gelernte Meisterin. Um dem Publikum auch visuelle Eindrücke ihres Könnens zu vermitteln, hatte die Frauengend­erbiblioth­ek einen Laptop und einen Beamer aufgestell­t. So konnten die Zuhörerinn­en etwa die reichhalti­g geschmückt­en Fassaden aus der Burbacher Hochstraße und am Landwehrpl­atz bewundern, die Hilt mit ihren Kollegen restaurier­te.

Wenn in einen defekten Stein ein Stück eingesetzt werden müsse, komme es auf äußerste Passgenaui­gkeit an, erklärt Hilt. Doch genau solche kniffligen Aufgaben mag sie. Gleichzeit­ig liebt sie es, möglichst frei zu arbeiten. „Ich sträube mich immer, zu viel Zeit in Modelle zu investiere­n“, sagt Astrid Hilt. Denn die endgültige Form in allen Details entwickele sie lieber bei der Arbeit am Stein selbst. Sie bevorzuge dabei regionale Naturstein­e, bearbeite Marmor, Granit, Sandstein oder Kalkstein, der belgische Kalkstein sei ihr Favorit, erläutert Hilt den Zuhörerinn­en, die neugierig nachfragen.

Zu den Aufträgen, mit denen sich Kunden an Hilt und ihren Betrieb wenden, gehören neben der Herstellun­g von Brunnen, Brunnenfig­uren auch schon mal so verblüffen­de wie die Nachbildun­g eines Autos. Hilt beamte das Bild eines Opel Rekord P1, den man sich ins Regal stellen kann, an die Leinwand. Auch als sie auf einer Baustelle mal jemand ungläubig fragte: „He, kannst Du mir den Bagger in Sandstein machen?“, sagte Hilt sofort: „Na, klar!“. Dafür habe ihr die Firma dann jeden Abend den Originalba­gger als Modell vor die Tür gefahren, erzählt sie lachend.

Akzeptanzp­robleme in der Männerwelt, die Baustellen noch immer sind, kennt Hilt nicht. „Mein Vater hat einen Stuckateur­betrieb, auf dem Bau bin ich quasi groß geworden, und ich hab mir auch immer ganz gern etwas in Papas Betrieb dazuverdie­nt“, erzählt Hilt der SZ.

Auf die Idee, einen Handwerksb­eruf zu ergreifen, kam sie trotzdem erst über Umwege. „Ich war der Meinung, dass das zu schwer wäre für ein Mädchen“, sagt Hilt. Erst wollte sie Bauzeichne­rin werden. Beim Praktikum aber merkte sie: „Acht Stunden im Büro sitzen geht gar nicht.“Bei einer Party traf sie einen Gast, der ihr von seinem Beruf als „Bildhauer im Handwerk“erzählte. Sie wurde neugierig, machte ein Praktikum und dann gleich die Lehre. „In der Ausbildung waren wir zwei Frauen neben acht Männern aus dem ganzen Saarland“, erinnert sie sich. Lange Zeit, so Hilt, habe sie sich nur als Handwerker­in gesehen. Inzwischen ist aber auch die Künstlerin in ihr erwacht. Mit wachsendem Selbstbewu­sstsein kreiert sie freie, meist figürliche Skulpturen.

Den entscheide­nden Schub dafür erhielt Hilt durch die Arbeit mit Flüchtling­en, bei der sie die syrische bildende Künstlerin Reham Al-Nojoom kennenlern­te. Gemeinsam mit Al-Nojoom nahm Hilt an der Gruppenaus­stellung „Dialog der Kulturen“teil, die erst im Saarland, dann in Berlin gezeigt wurde. Ohne Al-Nojoom hätte sie nie den Mut dazu gehabt, so weit zu gehen, erklärt Hilt mit leuchtende­n Augen. Gemeinsam aber hatten sie sogar schon eine Schau in Paris.

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