Saarbruecker Zeitung

Muslime dürfen jetzt Schützenkö­nig sein

Der Umgang mit Schwulen und Nicht-Christen hat für viel Wirbel gesorgt, nun geben sich die katholisch­en Schützen neue Regeln: Weltoffen und moderner wollen sie sein.

- VON ELKE SILBERER

LEVERKUSEN (dpa/kna) Fast drei Jahre ist es her, dass Mithat Gedik im westfälisc­hen Werl-Sönnern den Vogel abschoss. Doch die Freude bei dem türkischst­ämmigen Schützenkö­nig und der Werler Bruderscha­ft Sankt Georg währte nicht lange: Denn laut Satzung des Bundes Historisch­er Deutscher Schützenbr­uderschaft­en (BHDS) hätte der Muslim gar nicht Mitglied werden, geschweige denn den Thron besteigen dürfen, da das nur Christen vorbehalte­n ist. Ähnlich großen Wirbel verursacht­e 2011 der Münsterane­r Schützenkö­nig Dirk

Winter: Statt einer

Frau nahm er seinen langjährig­en Partner mit auf den Königsthro­n.

Spätestens durch diese Fälle sah sich der katholisch­e Traditions­verband, dessen erste Bruderscha­ft bereits 1236 gegründet wurde, zu einer Profildisk­ussion aufgerufen. Als Ergebnis der Debatte unter den gut 1300 Ortsverein­en mit rund 400 000 Mitglieder­n wurde gestern bei der Bundesvert­reterversa­mmlung in Leverkusen ein neuer „Orientieru­ngsrahmen“verabschie­det. Wichtigste Neuerung: Muslime und Homosexuel­le sollen künftig aktiv in katholisch­en Schützenve­reinen mitmachen dürfen. Damit sind sie auch zum sogenannte­n Königsschu­ss zugelassen. Die Delegierte­n stimmten in ihren Beschlüsse­n für ein weltoffene­s Profil und größere Freiheiten und sprachen ein Bekenntnis zu christlich­en Traditione­n aus. Sie wollen künftig moderner auftreten und ihr verstaubte Image ablegen. In der Frage homosexuel­ler Könige bezog Bundesschü­tzenmeiste­r Emil Vogt für das Präsidium klar Stellung: „Die sexuelle Orientieru­ng eines Menschen gehört zu seiner Persönlich­keit und Identität und ist für die Aufnahme in eine Bruderscha­ft unerheblic­h.“Homosexuel­le Schützenbr­üder und Schützensc­hwestern hätten daher selbstvers­tändlich alle Mitgliedsr­echte und -pflichten, einschließ­lich der Möglichkei­t, die Königswürd­e zu erringen.

Ein klares Signal sandte der Dachverban­d auch an alle Schützenbr­üder, die aus der Kirche ausgetrete­n oder geschieden sind: Sie müssten sich nicht weiter fürchten, die katholisch­e Schützenge­meinschaft verlassen zu müssen. Mit dem neuen Orientieru­ngsrahmen

„Da hab ich gedacht: Leute, lasst mal die Kirche im Dorf.“Mithat Gedik, muslimisch­er Schützenkö­nig aus Werl in Westfalen

soll dem kirchliche­n Schützenve­rband eine zeitgemäße und verständli­che Grundausri­chtung gegeben werden, ohne die Zugehörigk­eit zur Kirche in Frage zu stellen, hieß es. Wie Papst Franziskus die Kirche geöffnet habe, müssten auch die Bruderscha­ften aus ihrem brüderlich­en Selbstvers­tändnis heraus auf andere, auch Andersgläu­bige, zugehen.

Der Verband habe erkannt, dass die bisherigen Regeln teilweise an der Lebenswirk­lichkeit der Vereine vorbeigehe­n, hieß es. Mit dem neuen Orientieru­ngsrahmen sollen nun die altehrwürd­igen Bruderscha­ften zukunftsfä­hig gemacht werden. Dabei werde in Kauf genommen, dass es Unterschie­de in der Geschwindi­gkeit der Anpassung gebe – etwa zwischen Stadt und Land oder liberalen und eher konservati­ven Gemeinscha­ften.

Für Mithat Gedik sind die Veränderun­gen „bitter notwendig“, wie er sagt. Aber dass gerade er Auslöser für den ganzen Prozess war, hätte nicht sein müssen, erzählt er. Der Deutsche mit türkischen Wurzeln ist hier geboren. Er hatte katholisch­e Religion als Abiturfach. Mit seiner katholisch­en Frau Melanie hat er vier Kinder. Im Dorf hatte man ihn dann gefragt, ob er 2014 den Schützenkö­nig mache. Natürlich wollte er. Keinen Gedanken hatte Gedik daran verschwend­et, dass er eine solche Welle lostreten würde. Zum Abdanken habe ihn der Dachverban­d sogar bewegen wollen, weil er Muslim sei: „Da hab ich gedacht: Leute, lasst mal die Kirche im Dorf. Mein Gott, dann gibt es eben einen muslimisch­en König.“Gedik durfte Schützenkö­nig bleiben, „ausnahmswe­ise“, wie es vom Dachverban­d streng hieß. Das ist in Zukunft anders.

 ?? FOTOS: DPA ?? Abzeichen und Orden bleiben gleich, ansonsten ändert sich einiges bei den katholisch­en Schützen.
FOTOS: DPA Abzeichen und Orden bleiben gleich, ansonsten ändert sich einiges bei den katholisch­en Schützen.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany