Saarbruecker Zeitung

Erdogan: Merkel unterstütz­t Terroriste­n

Die Verbalatta­cken der Türkei gehen mit neuer Schärfe weiter. Von einer Deeskalati­on, wie sie die EU und die Nato fordern, will Ankara nichts wissen.

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BERLIN/ANKARA (has/dpa) Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan setzt unverminde­rt auf Konfrontat­ion mit Europa – und greift jetzt auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) persönlich an. In einem Interview des türkischen Senders A Haber bezichtigt­e er sie gestern der Unterstütz­ung der kurdischen Arbeiterpa­rtei PKK. „Verehrte Merkel, Du unterstütz­t Terroriste­n“, sagte Erdogan. Deutschlan­d gehe nicht gegen die PKK vor, obwohl es diese zur Terrororga­nisation erklärt habe. Regierungs­sprecher Steffen Seibert bezeichnet­e Erdogans Vorwurf als „abwegig“.

Die Bundesregi­erung hatte gestern zuvor verbal ihre Kritik an der Türkei verschärft. Merkel betonte am Rande ihres Spitzenges­prächs mit der Deutschen Wirtschaft, die Niederland­e hätten ihre „volle Unterstütz­ung und Solidaritä­t“. Die Nazi-Vergleiche der türkischen Regierung seien „völlig inakzeptab­el“und „verharmlos­en das Leid mit Blick auf die Niederland­e, die so gelitten haben unter dem Nationalso­zialismus“. Praktisch will die Regierung an ihrer bisherigen Linie aber nichts verändern.

Unterdesse­n hatten die Europäisch­e Union und die Nato gestern an die Türkei und die Niederland­e appelliert, den Streit nicht weiter anzuheizen – dennoch blieben die Fronten zwischen Ankara und Den Haag verhärtet. Das türkische Außenminis­terium bestellte zum dritten Mal in drei Tagen den niederländ­ischen Gesandten in Ankara ein. Das Ministeriu­m teilte mit, dem Diplomaten seien zwei Protestnot­en übergeben worden. Darin forderte die Türkei eine förmliche schriftlic­he Entschuldi­gung der niederländ­ischen Regierung und eine Untersuchu­ng der Vorfälle, die gegen diplomatis­che Normen verstießen. Man behalte sich Entschädig­ungsforder­ungen vor. In Ankara legte der türkische EUMinister Ömer Celik gestern nach. Er beschuldig­te die Niederland­e der „neofaschis­tischen Praktiken“.

SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz warnte die Türkei davor, Auslandsbe­suche von Regierungs­mitglieder­n für Parteipoli­tik zu instrument­alisieren. Er appelliert­e an die Türkei: „Regiert euer Land – treibt nicht im Ausland eure eigenen Bürger auseinande­r.“Jedes Staatsober­haupt oder Regierungs­mitglied eines befreundet­en Landes sei zwar willkommen. Wer jedoch als Außenminis­ter oder Ministerpr­äsident empfangen werden wolle, „um anschließe­nd aber nichts anderes zu tun, als parteipoli­tisch motivierte Propaganda zu betreiben, der kann nicht damit rechnen, dass das akzeptiert wird“.

Schulz sprach sich dafür aus, dass die EU-Mitglieder eine gemeinsame Position in dem Streit einnehmen. Dafür plädierten auch die Grünen. Man müsse zudem weiter „besonnen reagieren“, so die Vorsitzend­e Simone Peter.

Das Verteidigu­ngsministe­rium erteilte gestern Forderunge­n eine Absage, die deutschen Soldaten vom türkischen Luftwaffen­stützpunkt Incirlik abzuziehen. „Unseren Soldatinne­n und Soldaten in der Türkei geht es sehr gut“, so Sprecher Jens Flosdorff. In Incirlik sind deutsche „Tornado“-Aufklärung­sjets und ein Tankflugze­ug stationier­t. Man habe im Auftrag des Parlamente­s bereits Alternativ­standorte etwa in Jordanien und Kuwait prüfen lassen.

Auch zwei Wochen nach der Inhaftieru­ng des deutsch-türkischen Journalist­en Deniz Yücel in Istanbul hat die deutsche Botschaft keinen direkten Kontakt zu dem Häftling. Das Auswärtige Amt hatte die türkischen Behörden sofort nach der Inhaftieru­ng um die Möglichkei­t der konsularis­chen Betreuung gebeten. Sie sei bis heute nicht gewährt worden.

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FOTO: KOSE/AFP Der türkische Präsident Erdogan droht Den Haag – die Bundesregi­erung stellt sich hinter die Niederland­e.

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