Saarbruecker Zeitung

Kindergeld­kürzung könnte an EU scheitern

- VON STEFAN VETTER

BERLIN In der Bundesregi­erung wird über die geplante Kürzung des Kindergeld­es für EU-Ausländer gestritten. Ein entspreche­nder Gesetzentw­urf liegt auf Eis. Wie ein Sprecher des Bundesfina­nzminister­iums gegenüber unserer Redaktion erklärte, wurde die Vorlage kurzfristi­g von der Tagesordnu­ng der für morgen terminiert­en Sitzung des Bundeskabi­netts genommen. Es gebe noch Abstimmung­sbedarf. Ursache sind dem Vernehmen nach Bedenken der SPD im Blick auf EU-Recht.

Dabei hatte Parteichef Sigmar Gabriel den Bundesfina­nzminister zu dem Gesetzentw­urf ausdrückli­ch ermuntert. „Soll er es doch einfach mal versuchen“, meinte Gabriel noch im Dezember an die Adresse von Wolfgang Schäuble (CDU). „Dann werden wir ja feststelle­n, ob er von der EU gestoppt wird.“Nach geltendem EU-Recht haben EU-Ausländer, die in Deutschlan­d arbeiten, auch dann Anspruch auf Kindergeld, wenn der Nachwuchs im Heimatland lebt. Diese Bestimmung liegt in der Logik der EU-Freizügigk­eit. Die Betroffene­n arbeiten in Deutschlan­d und zahlen voll Steuern und Sozialbeit­räge. Das begründet den Anspruch auf gleich hohe Auszahlung­en, egal, wo das Kind lebt. Es geht also nicht um Sozialhilf­eempfänger. Gabriel indes hatte über angebliche­n Sozialtour­ismus geklagt und gefordert, das Kindergeld für betroffene EU-Ausländer künftig nur noch auf dem „Niveau des Heimatland­es“zu gewähren. Und so liest sich sinngemäß jetzt auch Schäubles Gesetzentw­urf. Darin heißt es: „Die Höhe des ausgezahlt­en Kindergeld­es steht oftmals in einem Missverhäl­tnis zu den Lebenshalt­ungskosten, die für das Kind in dem Mitgliedst­aat, in dem es wohnt, aufgewende­t werden müssen.“Daher werde das Kindergeld „an die Lebenshalt­ungskosten des Wohnsitzst­aates angepasst“. In Deutschlan­d lebende Arbeiter aus Polen, Bulgaren oder Rumänien zum Beispiel bekämen demnach nur noch das halbe Kindergeld – 96 Euro statt 192 Euro im Monat. Für Beschäftig­te aus Estland oder Portugal sinkt der Betrag um ein Viertel auf 144 Euro. Laut Gesetzentw­urf würde eine solche Regelung jedoch nur zu einer Ersparnis von rund 160 Millionen Euro führen. Zum Vergleich: Die gesamten Sozialausg­aben des Bundes in diesem Jahr belaufen sich auf fast 140 Milliarden Euro. So groß kann das Problem also nicht sein, wie es Gabriel noch im Dezember gemacht hatte. Und dass auch mal mehr Kindergeld gezahlt wird, weil es sich im Heimatland teurer lebt, ist nicht vorgesehen.

Dass man sich mit der Vorlage klar gegen EU-Recht stellt, ist den Verfassern durchaus bewusst. Deshalb findet sich im Text auch ein Vorbehalt: Die Änderungen würden erst in Kraft treten, „wenn die unionsrech­tlichen Voraussetz­ungen geschaffen sind“. Doch dafür tendieren die Chancen derzeit gegen Null.

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FOTO: GOLINOW/DPA Schäubles Gesetzentw­urf zum Kindergeld liegt auf Eis.

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