Saarbruecker Zeitung

„Wie ein Sechser im Lotto“

Für viele Bauern lohnt es sich, Flächen zum Bau von Windrädern zur Verfügung zu stellen. SZ-Serie, Teil 9

- VON THOMAS SPONTICCIA

PERL Peter Hoffmann (50) ist ein gefragter Mann. Nicht nur als frisch gewählter Präsident des saarländis­chen Bauernverb­andes. Auch Investoren interessie­ren sich schon länger für ihn. Plötzlich standen sie vor seinem Hof im Perler Ortsteil Büschdorf, erinnert sich der Landwirt. Dort betreibt er Milchwirts­chaft mit über 100 Kühen, Getreidean­bau und eine Schnapsbre­nnerei. Die Herren waren auf der Suche nach großen Flächen, weil sie hinter dem Ort unweit zur Autobahn A 8 drei neue Windräder installier­en wollen. Solche Investoren gaben sich in jüngster Zeit im Raum Perl-BüschdorfB­org verstärkt die Klinke in die Hand. In der Gegend bläst der Wind im Vergleich zu anderen Orten recht stark und gilt daher als lukrativer Standort für den Betrieb solcher Anlagen. Davon sollen Investoren, Betreiber und Bauern, die ihre Flächen zur Verfügung stellen, im Idealfall gleicherma­ßen profitiere­n.

Die Praxis sieht jedoch anders aus, je nachdem, ob man sich als Grundstück­seigentüme­r oder Pächter in ein solches Projekt einbringt. Peter Hoffmann zeigte sich als Grundstück­seigentüme­r nicht gleich begeistert, wie er einräumt, denn seine Flächen liefern einen guten landwirtsc­haftlichen Ertrag. Ein Argument überzeugte ihn doch: Die Betreiber der geplanten Anlagen, VSE sowie Ökostrom Merzig, die jetzt auch auf einem Teil der Weidefläch­e Hoffmanns bauen, garantiere­n ihm für 25 Jahre eine jährlich feste Geldsumme als Ausgleich. Die Höhe der Pacht richtet sich nach der Leistung des jeweiligen Windrades.

Hans Lauer, Geschäftsf­ührer des Bauernverb­andes Saar rechnet vor, dass der Eigentümer einer solchen Fläche in der Regel zwischen 7000 und 12 000 Euro im Jahr pro Megawatt Leistung bekommt. Derzeit gängige Windräder kämen auf eine Leistung zwischen drei und 3,5 Megawatt. 20 000 bis 40 000 Euro pro Jahr seien da für den Landwirt schon drin. Und das durchgehen­d für die Dauer von 25 Jahren. „Das ist wie ein Sechser im Lotto“, sagt Lauer. Denn dieses Geld hilft dem Grundstück­seigentüme­r, sich unabhängig­er zu machen von Krisen in der Landwirtsc­haft, etwa durch die ständigen Unsicherhe­iten beim Milchpreis. Gleichzeit­ig kann er die Existenz seines Hofes und die seiner Familie für lange Zeit finanziell absichern. So geht es auch Hoffmann.

Doch 70 Prozent der Saar-Landwirte stehen vor deutlich schwierige­ren Verhältnis­sen, wenn Investoren Interesse zeigen. Als Pächter, die eine Fläche bewirtscha­ften, müssen sie sich erst einmal mit dem Eigentümer der Fläche einigen. Am Ende bleibt ihnen keine Chance, denn eine Einigung setzen Investoren voraus, bevor sie überhaupt ein solches Projekt in Angriff nehmen. Für die Pächter heißt das, dass sie am Ende die von den Investoren bevorzugte Fläche verlieren. Doch nicht nur das. Sie sind auch im Nachteil, wenn es um den Flächenaus­gleich als Gegenmaßna­hme zum geplanten Windrad geht. Für einen solchen Flächenaus­gleich müssen die Investoren sorgen. Diese Ausgleichs­fläche betrage pro Windrad in der Regel drei bis vier Hektar. „So verliert ein Landwirt, der in der Vergangenh­eit Pächter eines Grundstück­es war, im Umfeld seiner ehemaligen Fläche noch einmal zusätzlich­e Fläche, die ihm nicht für eine Bewirtscha­ftung zur Verfügung steht“, bemängelt Lauer.

Für diese gängige Praxis sind aber nicht die Anlagenbet­reiber verantwort­lich, sondern Auflagen des Bundesnatu­rschutzges­etzes und des Landesamte­s für Umweltschu­tz und Arbeitswir­tschaft. Die geforderte­n Ausgleichs­flächen für Windräder seien von ihrer Gesamtzahl her mittlerwei­le viel zu hoch, kritisiert Lauer. Der Bauernverb­and fordert deshalb, dass solche Flächen-Ausgleichs­maßnahmen nicht mehr auf Kosten der Landwirte gehen dürfen. „Im Saarland gehen so schon 400 Hektar der Landwirtsc­haft verloren“, sagt Lauer, der bilanziert: „Windkrafta­nlagen sind für Grundstück­seigentüme­r ein Segen und für Pächter ein Fluch.“

Die Betreiber der drei neuen Windräder in Büschdorf verfolgen ehrgeizige Zeitpläne. Gerade erst haben die Arbeiten für das Fundament begonnen. Im September sollen die Anlagen ans Netz gehen. „Das Bauen selbst geht ruckzuck. Wir liegen heute bei Lieferzeit­en von unter einem Jahr“, sagt Thomas Nägler, Geschäftsf­ührer von Ökostrom mit Sitz in Merzig. Realisiert werden Windräder unter Beteiligun­g saarländis­cher Baubetrieb­e. „Wir achten darauf, dass die Wertschöpf­ung aus dem Projekt in der Region bleibt“, sagt Nägler. Frank Schmeer, Leiter Erneuerbar­e Energien bei der VSE, sieht einen Vorteil darin, dass die Investoren in Büschdorf die Windräder bauen und selbst betreiben. So sei man jederzeit ansprechba­r, während häufig Investoren oder Betreiber aus dem Ausland kämen.

Landwirt Hoffmann und seine Kollegen stören die Auflagen, die für die weitere Bewirtscha­ftung der Flächen im Einzugsber­eich der Windräder gelten. So ist es in Büschdorf jeweils von März bis Oktober untersagt, Flächen zu bearbeiten, während das Windrad läuft. Dies diene dem Schutz des Rotmilans. Will ein Landwirt den Boden bearbeiten oder die Ernte einfahren, muss er zuvor die Leitstelle benachrich­tigen, die das Windrad dann für zwei bis drei Tage abschaltet. Zudem dürfe der Landwirt nur noch Winterfrüc­hte anbauen wie Raps, Winterweiz­en und Wintergers­te, während etwa der Anbau von Mais, Kartoffeln, Rüben sowie Sommergetr­eide wegfällt. „Das ist zwar ein Handicap für den Bauern, aber nicht existenzbe­drohend. Es sei denn, er baut Kartoffeln an“, sagt Hoffmann.

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FOTO: IRIS MAURER Landwirt Peter Hoffmann steht in Perl-Büschdorf auf der Baustelle einer Windkrafta­nlage.
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