Saarbruecker Zeitung

In der Ruhe liegt Merkels Kraft

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Von dieser Sorte Männer hat Angela Merkel schon eine Menge kommen und meist auch wieder gehen sehen. Kohl, Merz, Berlusconi, Bush, Schröder, Sarkozy, Seehofer. Also ist die Kanzlerin mit fast schon buddhistis­cher Ruhe auch zu Donald Trump nach Washington gereist: erst mal gucken. Es war eine Erkundungs­mission.

Bisher ist dem US-Präsidente­n kaum etwas gelungen. Ohnehin ist sein Fokus noch voll auf die Rückabwick­lung der Politik der Vorgänger-Regierung gerichtet, Trump ist weiterhin im Wahlkampfm­odus. Die Polarisier­ung, von der er politisch lebt, nimmt ihn jeden Tag in Anspruch. Inzwischen hat er damit schon vier Prozent seiner Amtszeit vergeudet. Von Außenpolit­ik, von Mitgestalt­ung der Welt kann noch keine Rede sein. Auf diesem Feld gibt es bisher nur großspurig­e, teils gefährlich­e Ankündigun­gen. Aber noch keine Taten.

Allerdings wird man in Europa nicht darauf vertrauen können, dass die restlichen 96 Prozent der Amtszeit ebenso vergehen und Trump nur die eigene Nation oder ihre unmittelba­ren Nachbarn schädigt. Doch Merkel tut gut daran, ihn den ersten Zug machen zu lassen und derweil sehr konzentrie­rt die eigenen Abwehrkräf­te zu stärken. Sich also gründlich vorzuberei­ten, vor allem auf einen möglichen Handelskri­eg. Dass der in der einen oder anderen Form kommen wird, ist wahrschein­lich. Trump will alles umsetzen, was er seinen Wählern versproche­n hat. Auch die bisherige Arbeitstei­lung in der Nato wird er grundsätzl­ich auf den Prüfstand stellen. Das sind die schwierigs­ten Themen. Entwarnung brachte Merkels Besuch in Washington diesbezügl­ich nicht. Aber vielleicht ein etwas freundlich­eres Klima.

Deutschlan­d ist auch wer, die größte Wirtschaft­smacht des Kontinents, eines der Kernländer der EU. Und anerkannt in der Welt. Deutschlan­d ist nicht wehrund nicht hilflos. Merkel hat das vor ihrer Reise mit demonstrat­iven Telefonate­n mit Frankreich­s Präsident Hollande und Chinas Präsident Xi durchblick­en lassen. Geert Wilders’ mäßiges Abschneide­n in den Niederland­en hat zudem Trumps Hoffnung, die EU parzellier­en zu können, kurz vor Merkels Besuch einen empfindlic­hen Dämpfer verpasst. Freilich ist die Gefahr noch nicht vorbei. Auch wegen Trump muss die Kanzlerin weiter alle Anstrengun­gen darauf richten, Europa zusammenzu­halten. Das ist ihre eigentlich­e Front. Übrigens auch im Verhältnis zu Putin, der die gleiche Karte zu spielen versucht: Teile Europa und herrsche.

Merkels Besuch in Washington war dann erfolgreic­h, wenn beim Präsidente­n das Gefühl zurückgebl­ieben ist, dass man diese Dame ernst nehmen muss. Und zwar mit Respekt. Wenn er ahnt, dass „America First“hier und da riskanter sein könnte als die Kooperatio­n mit einer so starken Wirtschaft­smacht, wie es die EU ist. Ohne ein gesundes Selbstbewu­sstsein, wie Merkel es hat und Deutschlan­d und Europa es brauchen, ist solchen Typen nicht beizukomme­n.

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