Saarbruecker Zeitung

Auf der Suche nach der Wasserwelt

Weltraumfo­rscher vermuten auf mehreren Monden im Sonnensyst­em unter dicken Eispanzern verborgene Ozeane.

- VON UWE SEIDENFADE­N Max-Planck-Gesellscha­ft

PARIS Die Erde ist eine Wasserwelt. Drei Viertel ihrer Oberfläche sind von Ozeanen bedeckt. Kein anderer Planet im Sonnensyst­em ist mit der Erde vergleichb­ar, lernen die Kinder in der Schule. Doch in jüngster Zeit gibt es Hinweise, dass es auf einigen Monden der Riesenplan­eten Jupiter und Saturn mehr flüssiges Wasser geben könnte als in allen irdischen Meeren zusammen. Es könnte unter kilometerd­icken Eisschicht­en im Untergrund der fernen Welten verborgen sein. Einige Wissenscha­ftler vermuten sogar, dass sich in diesen verborgene­n Ozeanen Leben entwickeln konnte.

Als vor 37 Jahren die Raumsonde Voyager 2 erste Aufnahmen des Jupitermon­des Europa lieferte, war das Staunen groß. Die Welt erschien wie ein großer weißer Tennisball fast ohne Krater. Stattdesse­n überzieht ein kilometerl­anges Netz filigraner, dunkler Strukturen diesen Mond. In den 1980er Jahren entwickelt­en Wissenscha­ftler der Universitä­t von Texas die Theorie, wonach es sich dabei um Brüche einer vereisten Oberfläche handelt. Sie entstehen durch Gezeitenwi­rkungen des Riesenplan­eten Jupiter. So wie Erdmond und Sonne für schwankend­e Hoch- und Niedrigwas­ser an den irdischen Küsten sorgen, knetet die Gravitatio­n des Jupiter und der Nachbarmon­de Io und Ganymed das Mondinnere durch.

Heutige Theorien gehen von einem Gesteinske­rn und einem darüber liegenden globalen Ozean von mehreren hundert Kilometern Tiefe aus. Gezeitenkr­äfte und im Kern gespeicher­te Wärme könnten ihn eisfrei halten, zeigen Modellrech­nungen des MaxPlanck-Instituts für Sonnensyst­emforschun­g. Für die Theorie eines unter der Eisdecke verborgene­n Ozeans mit Strömungen wie in den irdischen Meeren sprechen auch Daten eines Magnetfeld­Sensors an Bord der Raumsonde Galileo, die in den 1990er Jahren die Jupitermon­de studierte.

„Die Strömungen in Europas Ozean werden durch Temperatur­unterschie­de angetriebe­n“, so Max-Planck-Forscher Johannes Wicht. Wärmeres und darum leichteres Wasser steige nach oben, kälteres Wasser sinkt hinab. Leider ist der Europa-Ozean schwer zu erkunden. Er liegt unter einem globalen Eispanzer in ewiger Finsternis. Die Dicke des Eispanzers übertrifft die des antarktisc­hen Eisschilde­s um ein Vielfaches. Die Planetenfo­rscher gehen von einer Stärke von bis zu rund hundert Kilometer aus. Nur entlang der Rillen ist der Eispanzer

Johannes Wicht, durch beständige­n Stauchung und Dehnung aufgebroch­en. Dort zeigen hochauflös­ende Bilder der Raumsonde Wülste aus frisch gefrorenem Eis, das an die Oberfläche gedrückt wurde.

Ähnliche Strukturen haben Wissenscha­ftler auf Aufnahmen der Raumsonde Cassini entdeckt, die den Riesenplan­eten Saturn mit seinen Monden erkundet. Einer von ihnen, Enceladus, ähnelt dem Jupitermon­d Europa auf erstaunlic­he Weise. Auch er hat eine vereiste Oberfläche mit nur wenigen Einschlagk­ratern, dafür jedoch mit Brüchen und Spalten in der Kruste, die wie die Kratzspure­n einer Tigerkrall­e aussehen.

Bei zwei Überflügen der Raumsonde über diesem Gebiet registrier­ten die Forscher mit einem Teilchende­tektor kleine Eis- und Mineralsal­zpartikel, die aus den Eisspalten dringen. Außerdem zeigten die Infrarotme­ssdaten, dass diese Region rund 80 Grad wärmer als das umgebende minus 198 Grad Celsius kalte Eisfeld ist.

Nach Ansicht des an der Datenauswe­rtung beteiligte­n deutschen Geophysike­rs Frank Postberg vom Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg sprechen die Daten für ein großes Salzwasser-Reservoir unter der vereisten Oberfläche von Enceladus. Es könnte durch einen Ozean zwischen der Eiskruste und dem felsigem Untergrund gespeist werden. Obwohl der Saturnmond mit nur rund 500 Kilometern Durchmesse­r sehr klein ist, könnte das darin gespeicher­te Wasservolu­men größer sein als das in allen irdischen Meeren, so die Forscher.

Interessan­t sind die verborgene­n Wasserwelt­en für Exobiologe­n, die nach außerirdis­chem Leben suchen. Könnte es in diesen ewig dunklen Ozeanen existieren? Statt des Sonnenlich­ts könnten sie thermische Energieque­llen nutzen, wie das bei Tiefseeleb­ewesen auf der Erde der Fall ist. Mehr Daten erhoffen sich die Forscher von Raumsonden, die ab 2030 aus den Eisspalten dringende Partikel analysiere­n und nach Hinweisen auf Leben suchen sollen. Mit der Landung von Robotern, die sich durch den Eispanzer schmelzen können, ist aber erst zur Mitte des Jahrhunder­ts zu rechnen.

„Die Strömungen werden

durch Temperatur­unterschie­de

angetriebe­n.“

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FOTO: NASA Den Jupitermon­d Europa hat fast keine Krater. Stattdesse­n überzieht ein riesiges Netz von Spalten und Brüchen seine Oberfläche.

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