Saarbruecker Zeitung

Stunde Null bei der Endlagersu­che

Bundestag will jetzt bis 2031 den besten Platz für den deutschen Atommüll finden. Gorleben bleibt weiter eine Option.

- VON TERESA DAPP

BERLIN (dpa) Die Umweltmini­sterin nennt es „Jahrhunder­taufgabe“und einen „Testfall für unsere Demokratie“. Deutschlan­d muss einen Ort bestimmen, an dem hoch radioaktiv­er Atommüll eine Million Jahre lang so sicher wie möglich lagern kann. Der lange Streit um den niedersäch­sischen Salzstock Gorleben zeigt, was das bedeuten kann. Jetzt soll alles anders werden: wissenscha­ftlich, transparen­t, ergebnisof­fen. Die Regeln für die Suche beschloss der Bundestag gestern mit großer Mehrheit – doch es gibt auch Kritik. Hier die wichtigste­n Fakten:

Wie soll die Suche nach einem Endlager ablaufen?

Zunächst kommt – rein theoretisc­h – jeder Ort in Frage. Dann sortieren Wissenscha­ftler der neuen Bundes-Gesellscha­ft für Endlagerun­g anhand vorliegend­er Daten Regionen aus, die nicht in Frage kommen – etwa weil Erdbebenge­fahr besteht. Im nächsten Schritt werden Gebiete ausgewählt, die bestimmten Mindestanf­orderungen entspreche­n. Anhand weiterer Kriterien wie der Nähe zu Wohngebiet­en werden dann theoretisc­h geeignete Standorte bestimmt. Es folgt eine übertägige, dann eine untertägig­e Erkundung. 2031 soll der beste Standort gefunden sein, einen exakten Zeitplan gibt es nicht.

Welche Standorte kommen überhaupt in Frage?

Die hoch radioaktiv­en Atom-Abfälle sollen tief in einem Bergwerk entsorgt werden. Als geologisch­e Formatione­n kommen Salz, Ton und kristallin­es Gestein wie Granit in Frage. Solche Gebiete gibt es einige in Deutschlan­d.

Wer entscheide­t über den Standort?

Letztlich Bundestag und Bundesrat. Es entscheide­t also der Gesetzgebe­r anhand von wissenscha­ftlichen Erkenntnis­sen – die kommunale Planungsho­heit wird dafür ausgehebel­t. Allerdings sollen Bürger über den gesamten Prozess mitreden können und stets wissen, was vor sich geht. Ein Endlager könnte dann Mitte des Jahrhunder­ts fertig sein. Viele Experten halten den Zeitplan aber für zu knapp. Ist die Entscheidu­ng endgültig? Wenn es gut läuft, ja. Der Müll soll aber 500 Jahre lang „rückholbar“sein, falls es doch noch Probleme gibt oder die Wissenscha­ft ganz neue Erkenntnis­se bringt. Hintergrun­d sind Erfahrunge­n mit dem ehemaligen Salzbergwe­rk Asse, wo schwach- und mittelradi­oaktive Abfälle lagern. Es drang aber Grundwasse­r ein – deswegen sollen die 125 000 Fässer mit Atommüll nun wieder herausgeho­lt werden.

Trägt die Opposition im Bundestag das Gesetz eigentlich mit?

Die Grünen ja, die Linke nicht. An der Ausarbeitu­ng des Gesetzentw­urfs waren alle Bundestags­fraktionen beteiligt, das Ergebnis wollen die Linken aber so nicht mittragen. Unter anderem bemängeln sie „Schlupflöc­her“im Exportverb­ot für hoch radioaktiv­en Atommüll. Außerdem sollte Gorleben ihrer Meinung nach nicht mehr im Rennen sein. Die Grünen können trotz Bedenken mit dem Gesetz leben.

Welche Kritikpunk­te haben Umweltschü­tzer?

Regelungen zu Bürgerbete­iligung, Rechtsschu­tz und Transparen­z im Suchverfah­ren hält zum Beispiel die Organisati­on BUND für unzureiche­nd. Greenpeace findet es nicht richtig, dass die unterirdis­che Lagerung schon beschlosse­ne Sache ist – auch alternativ­e Lagerkonze­pte müssten geprüft werden.

Was ist jetzt mit Gorleben?

Wegen des jahrzehnte­langen Krachs um Gorleben wurde die Endlager-Suche neu gestartet. Über keinen anderen potenziell­en Standort weiß man so viel wie über das Erkundungs­bergwerk – daher fürchten manche, dass es sowieso wieder auf Gorleben hinausläuf­t. Lange hat eine sogenannte Veränderun­gssperre verhindert, dass im Salzstock gebohrt wird, damit er nicht unbrauchba­r wird. Diese Sperre läuft Ende März aus – auch deswegen soll der Bundesrat dem Gesetz jetzt schnell zustimmen: Es sieht den Schutz aller möglichen Standorte vor.

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FOTO: DPA Wohin mit dem Atommüll? Standorte wie die Anlage Asse sind laut Experten zumindest nicht sicher genug.

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