Saarbruecker Zeitung

Bei King Kong ist die Größe egal

Regisseur Klaus Gehre macht in seinem Live-Film in der Sparte4 fehlende Zentimeter mit dem gezielten Einsatz einer Videokamer­a wett.

- VON GERRIT SCHERER

SAARBRÜCKE­N Aus dem Theaterrau­m der Sparte4 sind Bohrgeräus­che zu hören. Drinnen kniet Regisseur Klaus Gehre auf dem Boden und schraubt Holzbrette­r an die Wand des Zuschauerr­aums. „Das soll ein ausklappba­rer Tresen werden“, erklärt Gehre und testet dabei, ob die Scharniere funktionie­ren. Das tun sie. Für eine Kulisse, an der später fünf Schauspiel­er Platz finden sollen, ist der knapp 25 Zentimeter breite Tresen aber zu klein. Trotzdem gehört er in Gehres Stück schon zu den größten Elementen des sogenannte­n Bühnenbild­es.

Denn in „KingKong #weissefrau“, in dem der gebürtige Sachse Klaus Gehre Film und Theater verbindet, spielen Größenverh­ältnisse durch den gezielten Einsatz von Videokamer­as keine Rolle mehr. Ihr Zoom setzt neue Maßstäbe. Das ist Gehres Spezialitä­t als Regisseur, von der sich das Saarbrücke­r Publikum schon in „Titanic“ein Bild machen konnte. Requisiten und Kulisse müssen dafür aber umso detaillier­ter gestaltet werden. Als Regisseur macht Gehre vieles selbst und bereitet das Theater so auf die Premiere am Samstag vor.

Wer auf einem der Plätze im Zuschauerr­aum Platz nimmt, sieht zunächst eine leere Bühne. Er muss im Raum auf die Suche gehen, um das zu finden, was Klaus Gehre die Kulisse nennt. Sie besteht aus einzelnen Objekten – zum Beispiel dem Kinogebäud­e.

„Das ist mein Lieblingst­eil“, erklärt der Regisseur und deutet auf ein Modellhäus­chen, kaum größer als ein Schuhkarto­n. „Dort steckt aber auch die meiste Arbeit drin“, fügt er hinzu. Gut eine Woche habe er daran gearbeitet, Teile zusammenge­steckt, verklebt, bemalt, verkabelt und beleuchtet. Die Filme „King Kong“und „Vom Winde verweht“, werden über dem Eingang des Kinos angekündig­t. Und sie spielen auch in Gehres Stück eine entscheide­nde Rolle. „Ich wollte nicht einfach den Film ‚King Kong’ nachstelle­n“, erklärt der 47-Jährige. Er habe vielmehr Motive und Themen aus mehreren Filmen zu einer ganz neuen Handlung zusammenge­fügt. Entstanden ist eine KrimiKomöd­ie, die in der Symbolik der übergroßen Affenkreat­ur aus dem Jahr 1933 ihren Ausgang findet. „Obwohl es eine Komödie ist, wird darin nichts umsonst gesagt“, erklärt Gehre. Die Anregungen zum Nachdenken seien ernst gemeint, nicht nur, wenn es um rassische Stereotype­n geht, sondern auch bei der Frage, wie ein guter Pornofilm sein muss.

„Das Publikum muss entscheide­n, was es davon mitnimmt“, meint er. Auch die Form des LiveFilm-Theaters stellt es vor eine besondere Herausford­erung, findet der Regisseur. Denn durch LiveVideos aus sechs Kameras wird die Handlung der Schauspiel­er zu einer neuen Realität. Gehre greift zu einem kleinen Brettchen, auf das zehn Zentimeter hohe grüne Büschel montiert sind, und hält es vor sein Gesicht. „Ein ganz einfaches Beispiel: Wenn ich hierdurch filme, sieht es aus, als spiele sich das Ganze vor einer Hecke ab“, erklärt er. „Die Zuschauer müssen sich permanent entscheide­n, wo sie hinschauen. Auf der einen Seite sehen sie die fertige Handlung auf dem Video. Und gleichzeit­ig sehen sie, wie sie entsteht, also die Realität“, sagt Gehre. Dass die entstehend­e Illusion so gleich wieder dekonstrui­ert wird, sei das, was diese Form des Theaters ausmacht. „Aber deshalb muss die Kulisse besonders realistisc­h sein. Sonst kommt dieser Sprung aus der Realität gar nicht zustande.“

Seit acht Wochen bewegt sich Klaus Gehre deshalb in der handwerkli­chen Realität der Sparte4 und probt mit dem Schauspiel­Team. Dabei entfalle ein großer Teil der Zeit auf die richtige Inszenieru­ng, Lichteffek­te und Kameraeins­tellungen. „Manchmal proben wir zwei Stunden, und es fällt kein einziger Satz“, sagt der Regisseur.

„Obwohl es eine

Komödie ist, wird darin nichts umsonst gesagt.“

Klaus Gehre

Regisseur

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FOTO: OLIVER DIETZE Das schuhkarto­ngroße Kinogebäud­e ist Klaus Gehres Lieblingst­eil in seiner Miniatur-Kulisse für „KingKong #weissefrau“.

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