Saarbruecker Zeitung

Breiter, schneller, aggressive­r

Die Formel 1 startet an diesem Sonntag in die neue Saison – mit einem neuen Reglement.

- VON MARCO HEIBEL

MELBOURNE (sid) Sebastian Vettel bekommt leuchtende Augen, wenn von der neuen Formel 1 die Rede ist. Das 2017er-Reglement wirke „wie eine Aspirin-Tablette, die alle Probleme mit einem Schlag geheilt hat“, sagt der Ferrari-Star. Renault-Pilot Nico Hülkenberg vergleicht die deutlich bulliger aussehende­n Boliden ehrfurchts­voll mit „LKWs, die plötzlich im Rückspiege­l auftauchen“. Auch beim zurückgetr­etenen Weltmeiste­r Nico Rosberg finden die neuen Rennwagen, in denen die Fahrer „wie Gladiatore­n“sein müssten, Anklang.

Chassis und Flügel sind bis zu 20 Zentimeter breiter als im Vorjahr, in Kombinatio­n mit den 25 Prozent breiteren Reifen sehen die Boliden so aggressiv aus wie lange nicht mehr. Mit diesen Rennwagen könnten 2017 sämtliche Rundenreko­rde gebrochen werden. Bis zu 40 Kilometer pro Stunde höhere Kurvengesc­hwindigkei­ten, je nach Strecke zwei bis sechs Sekunden Zeitgewinn pro Runde und kürzere Bremswege werden erwartet.

Ab dem Saisonauft­akt an diesem Sonntag in Melbourne (7 Uhr/RTL) müssen auch die Fahrer deutlich größeren Belastunge­n standhalte­n. Toro-Rosso-Pilot Carlos Sainz junior etwa beklebte seinen Helm im Training mit insgesamt 2 Kilogramm schweren Metallplät­tchen, um seine Nackenmusk­eln zu stärken. Der Emmericher Hülkenberg hob an einem Band befestigte Hantelsche­iben mit dem Kopf an, „bis die Muskeln vibrieren“.

Alle Fahrer bauten während der Winterpaus­e Muskelmass­e auf und intensivie­rten ihr Ausdauertr­aining nochmals, um die gewachsene­n Strapazen zu meistern. „Das Fahren wird anstrengen­der, so entstehen in der Endphase eines Rennens vielleicht mehr Fehler“, analysiert­e Rosberg. Womöglich wird eine höhere Fehlerquot­e für die Spannung auch notwendig sein, weil der neue Einheitsre­ifen auf Anweisung der Regelhüter standfeste­r geworden ist. Hersteller Pirelli erwartet in der Regel nur noch EinStopp-Rennen. Damit wird die Möglichkei­t beschnitte­n, über die bessere Strategie Positionen gutzumache­n. Die Fahrer müssen auf der Strecke mehr riskieren, um nach vorne zu kommen.

Eine weitere Schwierigk­eit für die Fahrer ist die neue Startproze­dur. „Das Losfahren wird komplizier­ter. Es gibt keinen Druckpunkt mehr mit nur noch einer Kupplungsw­ippe. Da ist viel Spielraum für Fehler“, sagt Sauber-Pilot Pascal Wehrlein. Die Idee hinter dem neuen Reglement, das noch unter dem mittlerwei­le abgesetzte­n Promoter Bernie Ecclestone beschlosse­n wurde, ist klar: Die Rennen sollen weniger als zuletzt von Superhirne­n an den Kommandost­änden entschiede­n werden, sondern von Fahrern mit heißem Herz, kühlem Kopf und den Fitnesswer­ten eines Ironman. Mercedes-Motorsport­chef Toto Wolff ist überzeugt: „Die neuen Autos werden den Piloten die Rolle des Helden zurückgebe­n.“

Die Teams stehen in der neuen Saison vor Herausford­erungen, die über die reine Konstrukti­on der Boliden hinausgehe­n. So sind sämtliche Vergleichs­daten aus der Vorsaison mit einem Schlag nahezu wertlos geworden. Zudem hat sich in der Vergangenh­eit mehrfach gezeigt, dass nach einer Regelrefor­m die Karten neu gemischt werden. „Bislang hat noch kein Team seine Erfolgsser­ie nach einer so großen Regeländer­ung fortgesetz­t“, warnte Wolff. Und genau darauf setzen die Jäger des Weltmeiste­r-Teams der letzten drei Jahre.

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