Saarbruecker Zeitung

Ein Leben lang Currywurst – Zeuge schlägt aus der Art

Der 24-Jährige aus Berlin ist auch nach dem WM-Sieg der etwas andere Champion geblieben. An diesem Samstag verteidigt er erstmals seinen Titel.

- VON NIKOLAJ STOBBE

BERLIN (sid) Currywurst statt Goldkettch­en, Kleinwagen statt Ferrari: Tyron Zeuge ist der etwas andere Box-Weltmeiste­r. Der Berliner Junge aus Neukölln mag es gerne bodenständ­ig. Der einzig verblieben­e deutsche Weltmeiste­r im Profiboxen verteidigt an diesem Samstag in Potsdam gegen K.o.Maschine Isaac Ekpo aus Nigeria erstmals seinen Titel (22.50 Uhr/ Sat.1). „Ich bin ein bisschen einfacher gestrickt“, sagt der 24-jährige Zeuge über sich und verrät damit schon ein gesundes Selbstvert­rauen. Der Supermitte­lgewichtle­r (bis 76,2 Kilo) fährt einen japanische­n Kleinwagen, unternimmt gerne Spaziergän­ge mit seinem Hund durch Neukölln – und wirbt für die Currywurst­bude eines Kumpels. Im Gegenzug darf er sein Leibgerich­t sein Leben lang umsonst essen.

„Ich bin mit dem zufrieden, was ich habe – mehr brauche ich privat nicht“, sagt der Junioren-Europameis­ter von 2009, der auffallend viel lacht und dessen jungenhaft­es Gesicht noch nicht die tiefen Spuren langer Ringschlac­hten trägt. Im Falle eines Sieges will Zeuge sich und Freundin Mandy mit einem Pauschalur­laub belohnen – dem ersten seit fünf Jahren.

Seit 2012 ist Zeuge (19 Siege, ein Remis) Profi und hat alles dem WM-Traum untergeord­net. In seiner Karriere ging es stetig aufwärts. Im Juli 2016 erhielt der Linksausle­ger seine erste WMChance. Gegen den Italiener Giovanni de Carolis musste er sich mit einem Remis begnügen. Im Rückkampf zeigte er aber sein großes Kämpferher­z und krönte sich zum zweitjüngs­ten deutschen Weltmeiste­r der Box-Geschichte – nach Graciano Rocchigian­i.

Nun steht eine vielleicht noch schwierige­re Aufgabe an. Gegner Ekpo gilt als dreckiger Boxer, der aus ungewöhnli­chen Winkeln schlägt. „Ein Mann mit einer K.o.Quote von 70 Prozent ist sicher kein Wunschgegn­er für eine erste Titelverte­idigung“, sagt Zeuges Promoter Kalle Sauerland über die gewagte Kampfanset­zung.

Zeuges Trainer Jürgen Brähmer, bis zum letzten Oktober selbst Weltmeiste­r im Halbschwer­gewicht, versprüht indes Zuversicht. „Wir hatten eine super Vorbereitu­ng über zwölf Wochen. Tyron hat 150 Sparringsr­unden in den Knochen, seine Gegner wollten am Ende nicht mehr“, berichtet Brähmer zufrieden und prophezeit: „Wenn Tyron die Leistung aus dem Training bestätigt, hat Ekpo keine Chance.“

Dass Zeuge der einzig verblieben­e deutsche Profi-Champion in den vier großen Weltverbän­den WBA, WBO, WBC und IBF ist, belastet den Titelverte­idiger selbst nicht zusätzlich. „Das interessie­rt mich nicht so“, sagt er. Promoter Kalle Sauerland sieht das anders und sorgt sich um das Ansehen des Sports in Deutschlan­d: „Aus Sicht der deutschen Boxbranche wäre eine Niederlage von Tyron Zeuge eine Katastroph­e.“

Gegner Ekpo hofft bis zum Schluss darauf, dass sein Promotor Don King (85) rechtzeiti­g aus den USA einschwebt. Eigentlich haben die Ärzte dem früheren Manager von Jahrhunder­tboxer Muhammad Ali wegen einer Lungenkran­kheit Flugverbot erteilt. Aber die Promotor-Legende mit der Starkstrom-Frisur soll nichts unversucht lassen, um den Gegner seines Schützling­s mit seinen wedelnden US-Fahnen und sonstigen Psychotric­ks zu verunsiche­rn.

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FOTO: IMAGO Weltmeiste­r Tyron Zeuge fühlt sich sehr gut vorbereite­t auf seine erste Titelverte­idigung.

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