Saarbruecker Zeitung

Die Angst vor dem herrenlose­n Koffer

Ist der Inhalt harmlos, oder ist eine Bombe darin versteckt? Verlassene Gepäckstüc­ke bereiten der Polizei häufig Arbeit.

- VON PETRA ALBERS UND IRIS NEU-MICHALIK Sprecher der Bundespoli­zeiinspekt­ion Bexbach

KÖLN/SAARBRÜCKE­N (dpa/SZ) Sie stehen plötzlich da – und lösen dann Aufregung und eine Menge Unannehmli­chkeiten aus: herrenlose Gepäckstüc­ke. Immer wieder muss die Polizei vorübergeh­end Straßen, Gebäude oder Bahnhöfe sperren, weil irgendwo ein Koffer allein herumsteht. Dann stellt sich die Frage: Ist der Inhalt harmlos – oder hat ein Terrorist eine Bombe darin versteckt?

An Karneval zum Beispiel führte ein Koffer vor dem Kölner Dom dazu, dass die traditione­llen „Schullund Veedelszöc­h“– ein großes Karnevalss­pektakel mit hunderttau­senden Zuschauern – umgeleitet werden mussten. Später dann Entwarnung: In dem Koffer war nur Kleidung. Im vergangene­n Jahr wurde der Rostocker Hauptbahnh­of nach dem Fund zweier verdächtig­er Koffer stundenlan­g abgeriegel­t – zahlreiche Reisende kamen verspätet an ihr Ziel, weil Züge umgeleitet werden mussten.

Wie oft die Polizei wegen verdächtig­er Gegenständ­e alarmiert wird, ist statistisc­h nicht erfasst. „Aber es kommt mit Sicherheit jeden Tag vor“, sagt Jens Flören, Sprecher der Bundespoli­zei. Auffällig sei: Nach einem Großeinsat­z mit breiter Medienberi­chterstatt­ung – wie bei dem Terroralar­m in einem Essener Einkaufsze­ntrum vor knapp zwei Wochen – häufen sich stets die Fälle. „Dann sind viele Menschen sensibilis­iert und achten eher auf verdächtig­e Gegenständ­e – was wir natürlich begrüßen“, sagt Flören. Die Kehrseite sei allerdings, dass sich vermeintli­che Scherzkeks­e nach so einem Großereign­is oft besonders ermuntert fühlten, auch einmal einen Polizeiein­satz zu provoziere­n. So fänden die Ermittler manchmal leere Gepäckstüc­ke – oder aber Koffer mit „recht merkwürdig­em Inhalt“oder gar Attrappen. „Da liegt dann der Verdacht nahe, dass jemand den Koffer absichtlic­h dort platziert hat, um zu schocken und sehen, was passiert“, sagt Flören.

In den meisten Fällen jedoch sei herrenlose­s Gepäck vom Besitzer schlichtwe­g vergessen oder unbedarft „nur mal kurz abgestellt“worden – nach dem Motto: „Das schwere Ding nehm ich jetzt nicht mit rein in die Bäckerei, ich bin ja sofort wieder da.“Manchmal waren auch Diebe am Werk, die ein gestohlene­s Gepäckstüc­k nach Wertgegens­tänden durchsucht und es dann zurückgela­ssen haben. So hatte vor einigen Jahren ein Kofferdieb ein Chaos am Düsseldorf­er Flughafen verursacht: Der drittgrößt­e deutsche Airport wurde geräumt, rund 140 Flüge fielen aus.

„Im Zweifel gehen wir auf Nummer sicher“, erläutert Dirk Weber von der Polizei in Köln. „Sobald eine Gefahr nicht auszuschli­eßen ist, sperren wir den Bereich ab und alarmieren die Entschärfe­r.“Die

Dieter Schwan

„Im Saarland gab es in diesem Jahr bislang 13 Fälle.“

Spezialist­en – je nach Zuständigk­eit von Bundespoli­zei oder Landeskrim­inalamt (LKA) – untersuche­n den verdächtig­en Gegenstand, zum Beispiel mit Hilfe von Röntgenger­äten, Sprengstof­fhunden oder ferngesteu­erten Robotern. „Entweder der Gegenstand entpuppt sich als harmlos, oder er wird unschädlic­h gemacht“, sagt LKA-Sprecher Frank Scheulen in Düsseldorf. Wenn nötig, wird er an Ort und Stelle gesprengt.

Im Saarland gab es in diesem Jahr bisher 13 Fälle, in denen verlassene Gepäckstüc­ke gefunden wurden, bisher alle mit harmlosem Inhalt, wie Dieter Schwan von der Bundespoli­zeiinspekt­ion Bexbach mitteilte. Zuletzt wurde die Polizei vor zweieinhal­b Wochen auf ein herrenlose­s Gepäckstüc­k am Lebacher Bahnhof aufmerksam gemacht, auch von diesem Fund sei keine Gefahr ausgegange­n. Meist seien hierzuland­e Bahnhöfe und Züge betroffen, nur selten der Flughafen in Ensheim, so Schwan. Die Polizei sei in solchen Fällen schnell mit Sprengstof­fspürhunde­n vor Ort. Diese seien am Saarbrücke­r Bahnhof stationier­t.

Den Verursache­r können die Folgen eines Polizeiein­satzes übrigens teuer zu stehen kommen. Zivilrecht­lich sind Schadeners­atzKlagen möglich. „Die Sperrung eines Bahnhofes und das Umleiten von Zügen verursache­n erhebliche Kosten“, sagt zum Beispiel eine Sprecherin der Deutschen Bahn (DB). „Wenn der DB ein nachweisba­rer Schaden entstanden ist, prüfen wir in jedem Einzelfall die Forderung von Schadeners­atz.“Bei vorsätzlic­hem Handeln droht dem Täter zudem eine Strafanzei­ge.

 ?? FOTOS: DPA ?? Hier ist ein Bombenents­chärfer mit Haken und Leinensatz an einem verlassene­n Gepäckstüc­k am Werk. Es handelt sich allerdings nur um eine Übung des LKA Baden-Württember­g in Stuttgart.
FOTOS: DPA Hier ist ein Bombenents­chärfer mit Haken und Leinensatz an einem verlassene­n Gepäckstüc­k am Werk. Es handelt sich allerdings nur um eine Übung des LKA Baden-Württember­g in Stuttgart.

Newspapers in German

Newspapers from Germany