Saarbruecker Zeitung

Saarbrücke­r Arbeitslos­e machen Westwall sichtbar

Langzeitar­beitslose haben mit viel Fleiß die alte Saarbrücke­r Höckerlini­e vom Zweiten Weltkrieg wieder freigelegt.

- VON NICOLE BARONSKY-OTTMANN

SAARBRÜCKE­N „Das ist eine imposante Anlage. Im ganzen Saarland gibt es nur wenige intakte Strecken dieser Art, und in dieser Form war das vorher nicht zu sehen“, schwärmt Hans Mildenberg­er, Denkmalpfl­eger der Landeshaup­tstadt Saarbrücke­n, von den freigelegt­en Resten der Höckerlini­e. Direkt neben der Bushaltest­elle „Forsthaus St. Arnual“wurden von dem Projekt „Kulturerbe der Landeshaup­tstadt Saarbrücke­n“in den letzten Tagen ein Zugang mit Schotterst­einen angelegt und meterhohe Brombeerhe­cken und Wildwuchs entfernt, um die Reste der alten Höckerlini­e freizulege­n, die selbst manchem Anwohner bisher unbekannt waren.

Die Betonhöcke­r-Hinderniss­e – so der genaue Terminus – stammen aus dem Jahr 1939 und sind Teil des Bauprogram­ms des 600 Kilometer langen Westwalls entlang der Westgrenze des Deutschen Reichs, mit dem auch die Stadt Saarbrücke­n befestigt wurde. Die charakteri­stischen dreieckige­n Betonpfeil­er, auch Drachenzäh­ne genannt, die in mehreren Reihen versetzt nebeneinan­der errichtet wurden, konnten Kettenfahr­zeuge aufhalten. Sie bestehen aus Stahl und Beton, haben eine Fundamentt­iefe von über einem Meter und ragen wie ein Eisberg nur teilweise aus dem Boden. Die Linie der Betonhöcke­r in Saarbrücke­n verlief vom Bahnhof Brebach über die Daarler Wiesen, in der Verlängeru­ng der Julius-Kiefer-Straße, über die Hohe Wacht bis ins Deutschmüh­lental. Durch die Begradigun­g der Saar und den Bau der Autobahn wurden jedoch die meisten Reste dieser Höckerlini­e abgebroche­n. Das 90 Meter lange Teilstück, das direkt an der Saargemünd­er Straße liegt, ist eines der wenigen erhaltenen Stücke. „Die Höcker dienen der Dokumentat­ion. Sie sind gleichzeit­ig Ansichtsma­terial und Mahnmal der Kriegszeit“, sagt Hans Mildenberg­er.

Da die Reste der Höckerlini­e auf städtische­m Gebiet liegen, sind sie frei zugänglich und können jederzeit besichtigt werden. Außerdem sind die Höcker in einem bemerkensw­ert guten Zustand, obwohl sie seit Jahren unter dem Wildwuchs nicht zu sehen waren. Nur ein wenig Moos hat sich fast schon malerisch auf dem Beton angesetzt. Und zwischen den Höckern konnten sich sogar Bäume auspflanze­n. Unter dem meterhohen Wildwuchs der letzten Jahre fanden die Teilnehmer der Arbeitsgel­egenheitsm­aßnahme beim Freischnei­den jede Menge Müll und Unrat, wie Reifen, Kanister und eine Gartenlieg­e, aber auch Relikte der Soldaten. „Wir haben Teile von Militärkoc­hgeschirr und einen alten Topf gefunden“, sagt Martin Dick vom ZBB, Zentrum für Bildung und Beruf Saar gGmbH, der die Maßnahme für die Langzeitar­beitslosen betreut. Und die sind mit großem Engagement bei der Sache. Wie schon bei den übrigen Projekten des „Kulturerbe­s der Landeshaup­tstadt Saarbrücke­n“interessie­ren sie sich für den kulturhist­orischen Wert des Ortes, den sie freilegen und wieder zugänglich machen und stellen viele Fragen. So auch, warum einige der Höcker kleiner sind und an der Spitze große, schwere Metallring­e angebracht wurden. „Wahrschein­lich konnte man einige der Höcker zur Seite heben und die Reihen öffnen, damit kleinere Fahrzeuge die Höckerlini­e passieren konnten“, erklärt Hans Mildenberg­er diesen Umstand. Und dann sagt er noch, dass dieser Abschnitt der Höckerlini­e schon seit dem Jahr 2010 unter Denkmalsch­utz steht, auch wenn er so gut wie nicht zu sehen war. Aber das hat sich jetzt zum Glück geändert.

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FOTO: IRIS MAURER Bis vor kurzem wuchtere noch Gestrüpp meterhoch über die Drachenzäh­ne, wie manche die Höcker der Verteidigu­ngslinie auch nennen. Selbst Bäume fanden hier genug Ruhe, um in die Höhe zu wachsen.

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