Saarbruecker Zeitung

„Wir sind stolz auf uns“

Der erhoffte Triumphzug bleibt bei der SPD-Party aus. Dennoch beschwören die Gäste den Zusammenha­lt.

- VON CATHRIN ELSS-SERINGHAUS

SAARBRÜCKE­N Wer hoch fliegt, kann tief fallen. Oder zumindest hart landen. Nach der ersten Hochrechnu­ng stöhnen die SPDWahlpar­ty-Gäste in der Congressha­lle kurz auf. Die CDU über 40 Prozent? Undenkbar. Die SPD unter 30 Prozent? Unfassbar. Man glaubt nicht, was die Riesenlein­wand sagt: Zwei Wahlziele verpasst, weder die AfD verhindert noch selbst die stärkste Kraft im Landtag geworden. Dabei wirkte der üppig mit Rosen und SPDWahlkam­pf-Devotional­ien aufgemöbel­te Saal so, als sei er für einen Triumphzug hergericht­et, für Spitzenkan­didatin Anke Rehlinger. Die kam, wie Bundesjust­izminister Heiko Maas, erst nach 20 Uhr. Überrasche­nderweise waren dann die zunächst lichten Reihen weit dichter gefüllt. Jubel, Trubel, Heiterkeit fiel flach, nicht aber das, was auf dem gigantisch­en Plakat stand: Zusammenha­lt.

Als Erster musste SPD-Bildungsmi­nister Ulrich Commerçon vors Mikro – mit der „offizielle­n“Lesart des unerwartet bescheiden­en Ergebnisse­s, die sich später auch an vielen Stehtische­n wiederfand. Die SPD habe einen selten dynamische­n Wahlkampf, eine tolle Aufholjagd hingelegt. „Im Januar wären wir für sechs Prozent mehr noch dankbar gewesen. Es hat sich gelohnt zu kämpfen“, sagt Commerçon später der SZ. Er beschwört, wie viele, den „Sieg der Demokratie“, freut sich über eine phänomenal­e Wahlbeteil­igung von fast 70 Prozent. Auch seien laut Umfragen fast 50 Prozent der Bürger mit der jetzigen Regierung, anders als unter Jamaika, zufrieden – für den SPD-Minister ein lupenreine­r SPD-Verdienst. Folgericht­ig kündigte er „weitaus härtere Koalitions­verhandlun­gen als beim letzten Mal“an: „Wir machen nicht mit beim Weiterso.“

Den Schulz-Faktor bemüht Commerçon nicht. Vom Ende des Honeymoons der SPD mit ihrem Kanzler-Kandidaten will keiner reden. Generell schaut kaum einer der Gäste gen Berlin, lieber beschäftig­t man sich mit dem „Amtsbonus“der CDU-Ministerpr­äsidentin, vor allem aber mit dem „Gespenst“Oskar Lafontaine. Der Linke-Chef, den viele SPDler immer noch als Verräter sähen, sei die eigentlich­e Ursache dafür, dass im Saarland Rot-Rot nicht zünde. Also hat Rehlinger alles richtig gemacht? Schuldzuwe­isungen an die Spitzenfra­u, man hört sie an diesem Abend nirgends.

Die Landtagsab­geordneten Christiane Blatt und Magnus Jung meinen, die CDU habe von der „guten Arbeit“der SPD profitiert: „Wir sind stolz auf uns.“Auch Umweltmini­ster Reinhold Jost sieht die SPD „hoch erhobenen Hauptes“in die Koalitions­verhandlun­gen ziehen. Wenn die Erfolg hätten, müsse sich die CDU auf einen „sehr selbstbewu­ssten“Juniorpart­ner einstellen.

Analysen waren selten. Eine lieferte SPD-Justiz-Staatssekr­etärin Anke Morsch. Sie schilderte eine Art Sandwich-Dilemma ihrer Partei. Viele SPD-Sympathisa­nten, die Rot-Rot befürworte­ten, hätten zur Sicherheit die Linke gewählt, andere, die für die Groko gewesen seien, die CDU. Die frühere SPDMiniste­rin Margit Conrad diagnostiz­iert: „Rot-Rot war nicht sexy“. Anke Rehlinger habe nichts falsch gemacht, vielmehr habe sich gezeigt: „Diese Frau hat Potenzial für die Zukunft.“

Im Umfeld der Prominenz beobachtet man viele Umarmungen unter den Gästen, nicht wenige sind Tröstungsg­esten. Gegenüber Journalist­en gibt man sich gefasst. Doch wenn der einzige Jubel der ersten 90 Minuten just dann aufbrandet, als via Fernseh-Übertragun­g die Botschaft vom angekündig­ten Rücktritt des Grünen-Chefs Hubert Ulrich auftaucht, dann sagt das viel über die aktuelle innere Verfassthe­it der SPD. Wahlkampf-Euphorie war gestern.

„Das ist eine Enttäuschu­ng, ohne Frage. Es zeigt sich, dass die Menschen im Land keinen Wechsel wollten, sondern Kontinuitä­t.“

Jo Leinen SPD-Europaabge­ordneter

aus dem Saarland

„Alle, die Rot-Rot nicht wollten, haben CDU gewählt.“

Oliver Lucsic

FPD-Landesvors­itzender

„Lafontaine hat als

Gespenst im Saarland seinen Beitrag geleistet."

Reinhold Jost

Saar-Umweltmini­ster (SPD)

„Wir wollen die Regierungs­politik

von der Opposition­sbank

aus ändern.“

Josef Dörr

AfD-Landesvors­itzender

 ?? FOTO: BECKER & BREDEL ?? Enttäuscht­e Gesichter bei der Bekanntgab­e der ersten Ergebnisse: Die SPDAnhänge­r hatten auf eine große Party gehofft.
FOTO: BECKER & BREDEL Enttäuscht­e Gesichter bei der Bekanntgab­e der ersten Ergebnisse: Die SPDAnhänge­r hatten auf eine große Party gehofft.

Newspapers in German

Newspapers from Germany