Thomas Bach und das große Geld
IOC-Präsident kassierte jährlich 125 000 Euro im Auftrag von Industriekonzernen
ESSEN IOC-Präsident Thomas Bach hat von 2005 bis 2009 auf der Gehaltsliste des Industriekonzerns Ferrostaal gestanden. Laut dem Beratervertrag, der dem Essener Recherchezentrum Correctiv vorliegt, kassierte Bach im Jahr 125 000 Euro dafür, dass er Ferrostaal international Türen öffnete. Zu jener Zeit war Bach IOCVizepräsident und Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Bachs Aufgaben laut Vertrag: die „Herstellung von Kontakten und, falls erforderlich, Teilnahme an Verhandlungen mit Regierungen, Behörden, Verbänden sowie Unternehmen”. Neben seinem Mindesthonorar von 125 000 Euro pro Jahr für maximal 20 Arbeitstage erhielt Bach eine Pauschale von 5000 Euro pro Tag bei Auslandsreisen.
Ferrostaal war in der alten Bundesrepublik für viele Firmen das Tor zur Welt. Das Unternehmen stellte selbst nichts her, sondern beschaffte deutschen Firmen Aufträge, kümmerte sich um die Finanzierung von Geschäften und wickelte in vielen Ländern Großprojekte wie den Bau von Kraftwerken ab.
Bei vielen Ferrostaal-Geschäften floss Schmiergeld. In den 2000er Jahren schmierte der Konzern Amtsträger in Griechenland und Portugal, um den Verkauf von U-Booten der Firma ThyssenKrupp zu unterstützen. 2011 verurteilte das Landgericht München Ferrostaal zur Zahlung von rund 140 Millionen Euro. Die Firma war auch im Rüstungsbereich aktiv. Dass Bach ausgerechnet für diesen Konzern aktiv war, überrascht. Rüstungsgeschäfte passen kaum zum olympischen Gedanken der Völkerverständigung.
Der nun bekannt gewordene Vertrag Bachs mit Ferrostaal ist nicht das erste derartige Engagement des Sportfunktionärs. Bereits 2008 wurde bekannt, dass Bach einen Beratervertrag mit der Siemens AG unterhielt. Auch Siemens wurde im Übrigen 2008 in Deutschland und den USA zu mehr als einer Milliarde Euro Strafe verurteilt, weil sich die Siemensianer mit Hilfe von Schmiergeldern um Aufträge bemüht haben. Bachs Vertrag mit Siemens sicherte ihm ein Jahreseinkommen von 400 000 Euro und Spesen von 5000 Euro pro Tag. Nachdem 2008 Details aus diesem Vertrag ans Licht kamen, ließ Siemens den Kontrakt auslaufen. Bach selbst lehnte es ab, Fragen zu Ferrostaal und dem Beratervertrag zu beantworten. Auch der Ferrostaal-Konzern schweigt. Thomas Bach ist einer der mächtigsten Sportfunktionäre der Welt. Das IOC ist heute ein Milliardenkonzern, der in der Schweiz zahlreiche Privilegien genießt. Der Präsident hat Einfluss auf die Vergabe der Olympischen Spiele und führt allein schon deshalb Gespräche mit Regierungsvertretern in aller Welt. Die möglichen Interessenkonflikte bestehen nun darin, dass er sich diese Kontakte mit Hilfe von Beraterverträgen privat versilbern lässt.
Zu den IOC-Mitgliedern zählen Konzernchefs, Minister, Angehörige des Hochadels, Staatspräsidenten, Emire, Milliardäre und Geschäftemacher aus allen Kontinenten. Sie alle sind für die deutsche Wirtschaft interessant.
Es spricht einiges dafür, dass für Siemens und Ferrostaal Bachs Kontakte in die arabische Welt von besonderem Interesse waren. Die Ferrostaal-Datei mit dem BachVertrag enthält als letzte Seite einen Medienbericht vom 15. Juni 2005: Thomas Bach wird zum Präsidenten des deutsch-arabischen Wirtschaftsnetzes Ghorfa gewählt. Keine zwei Wochen später setzt er seine Unterschrift unter den Ferrostaal-Vertrag.
Schon Mitte der 1980er Jahre hatte Bach an der Seite das damaligen Adidas-Chefs Horst Dassler gearbeitet, der im olympischen Weltsport ein engmaschiges Netz aus Gefälligkeiten knüpfte.
Bach beteuert seit Jahren, er habe weder bei Adidas noch bei Siemens je irgendetwas mitbekommen von unsauberen Geschäften. Er habe stets sauber zwischen Ehrenämtern und seinen beruflichen Tätigkeiten als Lobbyist, Anwalt und Berater unterschieden.