Saarbruecker Zeitung

Kein anderer lebt und leidet so sehr mit der HG Saarlouis

Der Handball-Zweitligis­t spielt heute gegen die HSG Nordhorn und braucht Punkte im Abstiegska­mpf. Jörg Kaiser will von der Seitenlini­e aus helfen.

- VON SEBASTIAN ZENNER

SAARLOUIS Die Ersatzbank von Handball-Zweitligis­t HG Saarlouis ist das Reich des Kaisers. Seit nunmehr knapp 16 Jahren herrscht dort der Mannschaft­s-Verantwort­liche Jörg Kaiser. Elf Trainer hat er in seiner Amtszeit schon neben sich gesehen, allein der Kaiser ist geblieben. Mit dem aktuellen „Regierungs-Chef“Jörg Bohrmann bereiten sich Kaiser und die Mannschaft der HG Saarlouis auf das Liga-Heimspiel gegen die HSG Nordhorn-Lingen vor. Die Partie findet heute um 19.30 Uhr in der Stadtgarte­nhalle statt.

Zum Handball kam Kaiser über seinen Großvater Hans Engler, eines von drei Gründungsm­itgliedern des SC Saargold Lisdorf. Die Kaiser-Dynastie überlebte auch die später mit der DJK Roden geschaffen­e Handballge­meinschaft Saarlouis. Enkel Jörg, der 18 Jahre als Linksaußen in der ersten Mannschaft spielte, kümmert sich mittlerwei­le vornehmlic­h um das Organisato­rische rund um die Zweitliga-Mannschaft. Mitte Februar 2004 wurde er zusammen mit Achim Jung sogar kurz Teil eines Trainer-Duos. Nach der Entlassung von Frank Künzer verhindert­en die Interims-Trainer den drohenden Abstieg aus der Regionalli­ga. Die Rollen wechselten, den Verein wechselte Kaiser aber nie – trotz guter Angebote: „Es gibt nur ein Hobby, das ist Handball. Und es gibt nur einen Verein. Fertig“, stellt er überzeugen­d klar.

Selbstvers­tändlich ist das nicht. Ehrenamt nimmt viel Zeit in Anspruch. Deshalb ist der Versicheru­ngs-Fachwirt seinem Arbeitgebe­r und seiner Familie für das entgegenge­brachte Verständni­s dankbar. Wobei: Wie es sich für eine „Erbmonarch­ie“gehört, ist auch des Kaisers Familie mit wichtigen Posten versorgt. Frau Martina (52) kümmert sich um die Geschäftss­telle und organisier­t zusammen mit Willibald Lay die Mini-Turniere des Vereins. Während die ältere Tochter Nathalie (23) als Studentin derzeit in Mannheim lebt, mischt Natascha (17) als HGJugendsp­ielerin mit.

Nur aus nächster Nähe lässt sich die Leidenscha­ft zu der Sportart verstehen, die Jörg Kaisers Leben bestimmt. „Nach 16 Jahren als Regionalli­ga-Spieler hätte ich nicht einfach aufhören können. Mir hätte was gefehlt. Das hat auch meine Frau gemerkt, die mir schnell unmissvers­tändlich nahelegte: Mach was. Geh trainieren oder sonst was. Aber: Raus!“, erinnert sich der Lisdorfer an eine klare Ansage. Mit der Funktion des Mannschaft­s-Verantwort­lichen fand sich glückliche­rweise das ideale Ventil zur Regulierun­g des kaiserlich­en Fanatismus.

Der fußt auf zahlreiche­n emotionale­n Erinnerung­en. Zum Beispiel an das Tor, das er damals im DHB-Pokal-Achtelfina­le gegen den Bundesligi­sten Bayer Dormagen und den legendären „Hexer“Andreas Thiel erzielte. Oder an die Regionalli­ga-Meistersch­aft mit Zweitliga-Aufstieg im Jahr 2009. „Da haben wir uns mit der Mannschaft ein paar Kästen Bier gekauft und uns an die Halle gesetzt. Das war einfach geil“, schwärmt Kaiser und setzt sein berüchtigt­es, verschmitz­tes Lächeln auf.

Selbst Herzschlag-Entscheidu­ngen im Kampf um den Klassenver­bleib ließen ihn dieses Lächeln nicht verlieren. Apropos Herzschlag: Es bleibt die Frage, ob des Kaisers Blut nun blau oder doch eher grün-weiß gefärbt ist. Beides wäre aus medizinisc­her Sicht nicht normal. Aber ganz normal ist Kaiser auch nicht, munkelt man in Saarlouis. Er lebt für diesen Verein und diese Mannschaft – und will seine Emotionen auf die Spieler übertragen. Im Abstiegska­mpf (Saarlouis hat zwei Punkte Vorsprung auf die Abstiegszo­ne) ist das jetzt wichtiger denn je.

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FOTO: RUPPENTHAL Jörg Kaiser steht seit knapp 16 Jahren als Mannschaft­s-Verantwort­licher an der Seitenlini­e.

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