Saarbruecker Zeitung

Der Tag, als Siegfried Buback starb

Egon Rapp war Bodyguard von Generalbun­desanwalt Siegfried Buback. Am 7. April 1977, als die RAF seinen Chef tötete, hatte er frei.

- VON TOBIAS ROTH

PFINZTAL Die Holzdecke hängt heute noch. Egon Rapp steht im Flur und zeigt mit dem Finger nach oben. „Das ist sie“, sagt er. Das ist die Holzdecke, die ihm das Leben gerettet hat. Egon Rapp, 73 Jahre alt, pensionier­ter Kriminalbe­amter, gehört zu den Menschen, deren Leben ein einziges Ereignis in ein Davor und ein Danach einteilt. Bei ihm war das der Gründonner­stag des Jahres 1977. Egon Rapp war damals Siegfried Bubacks Bodyguard, wie man heute sagen würde. Rapp war bei der Kriminalpo­lizei Karlsruhe im Fachdezern­at Fahndung, das unter anderem auch für die Betreuung gefährdete­r Personen zuständig war. Eigentlich ging es nur um den Generalbun­desanwalt, und Rapp war sein Personensc­hützer.

Rapp hatte Schreiner und Glaser gelernt, ein sportliche­r junger Mann, talentiert­er Fußballer. Erst mit 26 Jahren ging er zur Polizei. Er war damals schon verheirate­t und hatte eine kleine Tochter.

Über ein Jahr hatte er Buback begleitet, bis dieser Tag kam, der 7. April 1977. Aber eigentlich beginnt die Geschichte von Egon Rapp einen Tag vorher.

Ostern steht vor der Tür, Rapps erwarten Besuch. Und Egon Rapp würde davor noch gerne die Baustelle in seinem Flur beseitigen, er will eine weiße Holzdecke einziehen. Deshalb fragt er Siegfried Buback, ob er den Gründonner­stag freinehmen könnte. Die beiden verstehen sich gut. Sie sprechen über alles Mögliche, selten über Berufliche­s, nie über Terrorismu­s. Hin und wieder will Siegfried Buback, 57 Jahre alt, von seinem Haus in Neureut zum Bundesgeri­chtshof laufen. Rapp läuft dann mit ihm. „Da hat man Zeit zu reden“, erinnert er sich. Buback ist gegenüber dem Kriminalbe­amten weisungsbe­fugt. Er entscheide­t, wann Rapp Feierabend hat, wann er ihn braucht. Ein sehr angenehmer Mensch sei Buback gewesen und für Rapp auch eine Art „väterliche­r Freund“. Buback selbst mochte den angeordnet­en Begleitsch­utz nicht besonders. „Er hatte keine Angst“, erinnert sich Rapp. Buback hatte nichts dagegen, dass er den Gründonner­stag freinimmt. Er müsse nur von seiner Wohnung zum Bundesgeri­chtshof, sagte Buback. Noch ein paar Stunden arbeiten, dann habe auch er Ostern, erklärte der Generalbun­desanwalt damals seinem Personensc­hützer. Am Morgen des 7. April 1977 steht Egon Rapp auf einer Holzdiele zwischen zwei Stühlen – ein provisoris­ches Gerüst für die Arbeit an der Decke. In der Küche dudelt das Radio. Plötzlich hört er die Nachricht: „Überfall auf den Generalbun­desanwalt.“Er greift sofort zum Telefon, ruft bei seiner Dienststel­le an. Keine halbe Stunde später sitzt er im Polizeiprä­sidium und hilft, wo er kann. „Ich wäre hinten gesessen“, sagt Egon Rapp. Hinten auf der Rückbank des Mercedes. Die Bilder des Fahrzeugs, wie es auf der Kreuzung in der Karlsruher Innenstadt steht, gehen um die Welt. Abgedeckte Leichen liegen auf der Straße, Einschussl­öcher im Wagen. Ein Motorrad war an der Ampel neben Bubacks Mercedes gefahren, als das Signallich­t auf Gelb sprang, zog der Sozius ein Schnellfeu­ergewehr aus einer Tasche und schoss in den Wagen. Als Sicherheit­skräfte am Tatort eintreffen, sind Siegfried Buback und sein Fahrer Wolfgang Göbel bereits tot, der zweite Begleiter an diesem Morgen, Georg Wurster, erliegt einige Tage später seinen schweren Verletzung­en. Kurz nach dem Attentat meldete sich die „Rote Armee Fraktion“(RAF) zu Wort und erklärte, für den Anschlag verantwort­lich zu sein.

„Ich hätte es nicht verhindern können“, ist Egon Rapp überzeugt. Er hätte nicht mit der Waffe im Anschlag im Wagen gesessen. Und an der Ampel passierte alles in Sekundensc­hnelle. Er mache sich keine Vorwürfe, sagt Rapp, er sei glücklich, dass er am Leben ist. Dann stockt er kurz. Sucht nach Worten. Er will nicht vom eigenen Glück reden. Denn andere sind an diesem Tag gestorben.

„Natürlich denkt man darüber nach“, was gewesen wäre, wenn er Buback begleitet hätte. An diesem Gründonner­stag, an dem sein Bodyguard eine Holzdecke einziehen wollte.

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FOTO: WIESELER/DPA Das Bild vom Tatort geht um die Welt: Neben dem Mercedes liegen die Leichen von Siegfried Buback und seinem Fahrer Wolfgang Göbel.
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FOTO: ROTH Egon Rapp denkt oft an den Tag vor 40 Jahren. Er hätte hinten bei Buback im Wagen gesessen.

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