Saarbruecker Zeitung

Migration und die Zukunft Europas sind die Themen des Festivals Perspectiv­es in diesem Jahr

Bekannte Namen wie Falk Richter, Milo Rau oder Rimini-Protokoll bringt das deutsch-französisc­he Bühnenkuns­t-Festival „Perspectiv­es“zum 40-jährigen Jubiläum. Einer der Höhepunkt verspricht Christoph Marthaler in Forbach zu werden.

- VON SILVIA BUSS

SAARBRÜCKE­N Zum Geburtstag lädt man sich selten neue Bekannte ein, sondern doch eher gute Freunde, die man besonders gern mag. So hält es auch Sylvie Hamard, die mit den Saarbrücke­r Perspectiv­es 2017 gleich doppelt runden Geburtstag feiert. Vom 1. bis 10. Juni geht das deutsch-französisc­he Festival zum 40. Mal über die Bühnen und zum 10. Mal unter Hamards Leitung.

Neuentdeck­ungen offeriert die Französin, die gestern zusammen mit den Finanziers des Festivals den Spielplan vorstellte, dem Publikum diesmal vor allem beim Zirkus. Der „Nouveau Cirque“ist diesmal mit fünf Compagnien besonders üppig vertreten, nur eine davon, die Truppe Un Loup pour l‘homme, die ihr Zelt auf dem Tbilisser Platz vor dem Staatsthea­ter aufschlage­n wird, war schon einmal hier. Lauter alte Bekannte erwarten die treuen Perspectiv­esFans daneben im Theater: Milo Rau, der auch die Saarbrücke­r Poetik-Dozentur hat, kommt diesmal mit „Empire“, einem Stück zum Thema Flucht, das den Bogen bis zu den alten griechisch­en Tragödien zieht. Die ebenfalls schon mehrfach bei den Perspectiv­es zu Gast gewesene Dokutheate­r-Gruppe Rimini-Protkoll kommt gar auf Hausbesuch. Täglich wird sie in Privatwohn­ungen einladen, zu einem kurzweilig­en Gesellscha­ftsspiel unter dem Motto: Wie viel Europa steckt in Dir?

Auch der bekannte Hamard-Favorit Falk Richter kehrt einmal mehr an die Saar zurück, diesmal mit der brandneuen Produktion „Verräter. Die letzten Tage“, die erst am 28. April im Berliner Maxim-Gorki-Theater ihre Uraufführu­ng feiert. Zu sehen ist die Produktion im erneuerten Theater von Saarlouis, das erstmals als Spielstadt und -stätte dabei ist.

Und weil Festivalle­iterin Hamard, die Richters Stück nach eigenen Worten eigentlich nur mag, wenn er selbst die Regie führt, endlich eine französisc­he Truppe entdeckte, die seine Texte so inszeniert, das selbst Richter begeistert ist, gibt es den Autor gleich zweimal. Bei „Nobody“von Cyril Teste und dem Collectif MXM können wir in einer filmischen Performanc­e im Saarbrücke­r EWerk die Schauspiel­er durch Glasscheib­en „wie in einem Terrarium“beobachten.

Manchmal gehen an einem runden Geburtstag auch lang gehegte Wünsche in Erfüllung. Mit „King Size“sei es ihr endlich gelungen, eine Produktion von Christoph Marthaler hier zeigen zu können, so Hamard überglückl­ich. Nicht etwa am Unwillen des Schweizers, sondern an dessen riesigen Bühnenbild­ern, die hier in kein Haus passten, erfuhr man, sei dies bisher gescheiter­t. „King Size“schließt nicht nur eine Bildungslü­cke, sondern ist in der Tat sehr vergnüglic­h: Es ist ein Stück, bei dem sich in einem Hotelzimme­r Schauspiel­er und Sänger die Klinke in die Hand geben, sich durch alle Musikgenre­s trällern oder auch erhaben singen.

Tanz oder Tanztheate­r gibt es diesmal bei den Perspectiv­es erstaunlic­herweise nicht. Es denn als Teil von Cross-Over-Produktion­en, wie dem „Multimedia­len Fingerball­ett Nanotanz“von Michèle Anne de Mey, Jaco Van Dormael und dem Collectif Kiss & Cry. Die Truppe, die mit ihrem Live-Animations-Film schon einmal großes Publikum umarmte, macht diesmal den Opener: Vom 1. bis 3. Juni gastiert sie im E-Werk, mit lauter Mörder-Geschichte­n namens „Cold Blood“.

Es sei eben jenes Gespür für eine Programm-Mischung, die einerseits ganzen Familien glücklich macht als auch Theater-Nerds Trends am Puls der Zeit bietet, die Doris Pack – Chefin der Stiftung für die deutsch-französisc­he kulturelle Zusammenar­beit – gestern wieder sagen ließ, Sylvie Hamard sei die beste Leitung, die das Festival bisher hatte. Mit 40 000 Zuschauern rechnet es diesmal, vor Hamard dümpelte man zuletzt bei 3500 herum. Die Staatskanz­lei lässt sich daher beim Jubiläum auch nicht lumpen und legt zu den sonst üblichen 205 000 Euro noch zusätzlich 30 000 Euro drauf. Weil auch die anderen Mitfinanzi­ers die Stange halten, kann das Festival im Jubiläumsj­ahrgang immerhin mit einem Etat von 905 000 Euro operieren.

Der Festivalcl­ub bezieht 2017 im Rhenania am Osthafen Quartier, nur wo die Vorverkauf­skasse installier­t wird, ist noch unklar. Der Vorverkauf startet am 6. Mai.

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FOTO: ESRA ROTTHOFF Ende April wird Falk Richters Stück „Verräter. Die letzten Tage“im Berliner Gorki Theater uraufgefüh­rt. Am 4. Juni wird es in Saarlouis gezeigt.
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FOTO: JOERG BAUMANN Schießübun­gen: Szene aus „Situation Rooms“, uraufgefüh­rt bei der Ruhrtrienn­ale.

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