Saarbruecker Zeitung

Wie umweltbewu­sst sind die Deutschen?

Laut einer aktuellen Erhebung des Umweltmini­steriums lehnt die Mehrheit der Befragten Tempo 30 innerorts ab.

- VON WERNER KOLHOFF

BERLIN Alle zwei Jahre erkundet das Umweltmini­sterium, wie die Menschen über den Umweltschu­tz denken. Wie groß sie die Bedrohunge­n empfinden und wie stark sie bereit sind, etwas zu verändern. Eindeutige Aussagen ergab auch die gestern vorgestell­te neueste Auflage der Erhebung nicht. Hier die wichtigste­n Fragen und Antworten.

Ist Umwelt überhaupt noch ein Thema?

Das Thema steht momentan nur auf Platz Drei. Zuwanderun­g (55 Prozent) und der Bereich Kriminalit­ät, Frieden und Sicherheit (47 Prozent) werden deutlich häufiger genannt. Allerdings ist der Wert, den der Umwelt- und Klimaschut­z erreicht, mit 21 Prozent in der langjährig­en Betrachtun­g recht konstant. Er schwankte in den vergangene­n 20 Jahren zwischen 16 und 25 Prozent; nur 2012 lag er wegen des Reaktorung­lücks in Fukushima mit 35 Prozent weit höher.

Welches Umweltprob­lem sorgt die Menschen am meisten?

Der Plastikmül­l in den Weltmeeren, der in Europa eher ein kleines Problem ist. 74 Prozent nannten das. Die Abholzung der Wälder (71 Prozent) und das Artensterb­en (56 Prozent) folgen auf den nächsten Plätzen, noch vor dem Klimawande­l (55 Prozent). Dass Rohstoffe knapp werden könnten, glauben nur 34 Prozent. Wie offen ist die Bevölkerun­g für eine aktive Umweltpoli­tik? Ziemlich offen. So stimmen 97 Prozent zu, dass jeder Verantwort­ung für lebenswert­e Umweltbedi­ngungen der kommenden Generation­en trägt. Auch denken 94 Prozent, dass Nachhaltig­keit gut für die Gesundheit der Menschen ist, und 81 Prozent sehen darin eine Zunahme an Lebensqual­ität. 76 Prozent sind ganz oder teilweise bereit, dafür den Lebensstan­dard einzuschrä­nken. Dass die Kräfte des freien Marktes es allein richten werden, glauben nur 34 Prozent. Umweltmini­sterin Barbara Hendricks (SPD) erkannte in den Daten einen „signifikan­ten Bewusstsei­nswandel“und schloss: „Es wird Zeit, dass in dem ein oder anderen Ressort der Umweltschu­tz einen höheren Stellenwer­t erhält.“Das zielte offenbar auf das Wirtschaft­s- und das Verkehrsmi­nisterium.

Gibt es eine Veränderun­g im Mobilitäts­verhalten?

Real noch nicht. 70 Prozent nutzen täglich oder mehrmals pro Woche das Auto, öffentlich­e Verkehrsmi­ttel hingegen nur 21 Prozent und das Fahrrad nach eigenen Angaben 32 Prozent. Mehrfachan­tworten waren möglich. Allerdings können sich in Großstädte­n 26 Prozent vorstellen, Carsharing zu nutzen und 61 Prozent, häufiger mit Bus oder Bahn zu fahren. Auf dem Land sind diese Werte naturgemäß niedriger. Dass verkehrspo­litisch mehr passiert, wünschen sich viele, 91 Prozent sagen, weniger Autos seien ein Betrag zum guten Leben in den Städten. Ebenfalls 91 Prozent der Befragten sind dafür, Gütertrans­porte von der Straße auf die Schiene zu verlagern, 85 Prozent wünschen sich mehr verkehrsbe­ruhigte Wohngebiet­e. Aber Tempo 30 innerorts lehnt eine Mehrheit ab, und für Tempo 130 auf Autobahnen sind nur 56 Prozent.

Wie glaubhaft sind die Daten?

Das beauftragt­e „Institut für ökologisch­e Marktforsc­hung“gilt als seriös, die Datenbasis mit insgesamt 4000 Befragten als ausreichen­d. Problemati­scher ist es auf Seiten der Antwortend­en. Denn manche Angaben sind offenbar mehr Wunsch als Wirklichke­it. Etwa wenn Zweidritte­l der Bürger behaupten, sie konsumiert­en gar nicht oder maximal dreimal pro Woche Fleisch. Oder wenn Frische, regionale Herkunft und Qualität als entscheide­nde Kriterien beim Kauf von Lebensmitt­eln angegeben werden, weit vor dem Preis und der Haltbarkei­t.

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FOTO: DPA Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks

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