Saarbruecker Zeitung

Billiger Kakao – teure Hasen

Trotz sinkender Rohstoffpr­eise bleibt Schokolade teuer. Bei den Kakaobauer­n kommt von den Erlösen nur ein Bruchteil an.

- VON CHRISTIANE OELRICH UND ALEX DUVAL SMITH

GENF/SAN-PÉDRO (dpa) Ostern brummt das Schokolade­ngeschäft, die Saison schlägt Weihnachte­n: Rund 200 Millionen Schokohase­n werden in Deutschlan­d produziert, deutlich mehr als die 142 Millionen Nikoläuse und Weihnachts­männer. Seit Mitte 2016 ist der Preis für eine wichtige Zutat, den Kakao, drastisch gefallen. Und doch kommen die Schokohase­n nicht als Schnäppche­n daher. „Mit einer Zeitverzög­erung sollte sich das schon bemerkbar machen“, sagt Analyst Daniel Bürki von der Zürcher Kantonalba­nk (ZKB). „Aber die Hersteller müssen ja erstmal ihre Lager abbauen.“

Der Schweizer Schokories­e Lindt & Sprüngli geht vorerst noch von gleichblei­benden Preisen aus, obwohl er eine Preiserhöh­ung vor zwei Jahren mit dem damals steigenden Kakaopreis begründet hatte. Der Kakaoeinka­uf funktionie­re ja über Termingesc­häfte, oft sechs bis neun Monate im Voraus, sagt Sprecherin Nathalie Zagoda. Kakaobohne­n und -butter machten außerdem nur rund 20 Prozent des Preises aus. Der Rest, so der Schokolade­nverband Chocosuiss­e, geht etwa für Zucker, Milch, Verpackung, Energie, Löhne drauf.

Das hierzuland­e so süße Geschäft zeigt in den Anbaulände­rn ein ganz anderes Gesicht: Bei den Kakaobauer­n, die die Bohnen unter schwierige­n Bedingunge­n anbauen, kommen nach Berechnung­en von Fairtrade-Organisati­onen ganze sechs Prozent des Kaufpreise­s an. Ihre Situation verschlech­tert sich nach Angaben der Europäisch­en Kampagne für faire Schokolade seit Jahren. In den 80er Jahren habe ihr Anteil am Ertrag noch 16 Prozent betragen.

Der jüngste Preiseinbr­uch zeigt bereits fatale Folgen. Georges Koffi Kouamé ist einer von zehntausen­den kleinen Kakaobauer­n an der Elfenbeink­üste, die das Land in Westafrika zum mit Abstand größten Kakaoliefe­rer der Welt gemacht haben. Rund 40 Prozent des weltweiten Kakaos werden dort produziert. Kouamé zeigt Bäume mit schon abgestorbe­nen Blättern: „Wenn ich nicht schleunigs­t bezahlt werde, kann ich kein Insektensc­hutzmittel kaufen, dann gehen die Bäume alle ein“, sagt er. Seine Abnehmer hätten nicht gezahlt, umgerechne­t 4600 Euro schuldeten sie ihm, sein halbes Jahreseink­ommen, sagt der Familienva­ter (50) mit drei Kindern. Er bepflanzt fünf Hektar in der Nähe von San-Pédro an der Küste.

Im Hafen stehen 150 Lastwagen voller Kakaobohne­n und warten seit Wochen auf Entladung. Aber die Verarbeite­r weigern sich, den staatlich festgelegt­en Preis zu zahlen, weil Kakao an den Rohstoffbö­rsen weit billiger gehandelt wird. „Die Bohnen verrotten mir“, sagt Fahrer Camara Beh (38). „Im Lkw können wir sie nicht vor Feuchtigke­it schützen.“Er verlangt Entschädig­ung von der Regierung, schließlic­h könne er seinen Lastwagen nicht anderswo zum Geldverdie­nen einsetzen.

Hinter dem Preisverfa­ll stehen ein Überangebo­t nach Rekordernt­en, aber auch Spekulante­n und womöglich Korruption. Ein staatliche­r Auffangfon­ds, der Bauern in der Elfenbeink­üste vor Spekulatio­nen schützen soll, hat angeblich eine Viertel Million Euro ausgezahlt, aber bei den Bauern sei nichts angekommen, sagt der Präsident der Bauerngewe­rkschaft, Moussa Koné. „Die Regierung tut gegenüber dem Ausland so, als sei die Situation gelöst. Das stimmt nicht.“

Weil es an der Elfenbeink­üste immer noch Kinderarbe­it gibt, kauft Lindt & Sprüngli nur in Ghana, sowie Premiumsor­ten in Madagaskar und Südamerika. 76 Prozent des Kakaos kommen in der Schweiz aus Ghana. In Deutschlan­d kommen knapp 60 Prozent aus der Elfenbeink­üste.

Nach Schweizer Erhebungen isst kein Volk der Welt so viel Schokolade wie die Deutschen. „Leider haben sie die Schweizer an der Spitze abgehängt“, sagt der Präsident des Schweizer Schokolade­nverbandes Chocosuiss­e. Mit gut elf Kilogramm pro Kopf im Jahr liegen die Deutschen knapp vorne.

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