Ein Zauberer mit der Kamera
Er galt als einer der besten Kameramänner der Welt, in Hollywood arbeitete er mit allen Großen des Fachs. Nun ist Michael Ballhaus gestorben.
BERLIN Es war ein berührender Augenblick: Da stand Michael Ballhaus, einer der berühmtesten Kamerakünstler der Welt, mit Tränen in den Augen auf der Bühne und sagte leise: „Ich bin ja nur ein Kameramann. Außerdem habe ich furchtbare Angst, vor Leuten zu reden.“Das war im Februar 2016. Die Berlinale hatte dem Gestalter von Meisterwerken wie „Good Fellas“und „Gangs of New York“gerade den Goldenen Ehrenbären für sein Lebenswerk überreicht. Fast erblindet wegen des Grünen Stars, war die Auszeichnung in seiner Heimatstadt nochmals eine besondere Liebeserklärung. Dort ist Ballhaus in der Nacht auf Mittwoch mit 81 Jahren gestorben.
Mit seiner 360-Grad-Kamerafahrt hatte er Filmgeschichte geschrieben, in Hollywood gehörte er zu den ganz wenigen Deutschen, die dort Berühmtheit erlangten. Drei Mal wurde er für einen Oscar nominiert. Regisseur Mike Nichols, mit dem er einst „Die Waffen der Frauen“drehte, sagte einmal: „Mit Michael zu arbeiten ist, als wäre man im Himmel – nur dass man dafür vorher nicht sterben muss.“25 Jahre lang arbeitete Ballhaus in den USA mit den wichtigsten Regisseuren zusammen – neben Nichols etwa mit Francis Ford Coppola, Robert Redford, Wolfgang Petersen und Robert De Niro. Allein sieben Filme entstanden aus der beispiellosen künstlerischen Beziehung mit Martin Scorsese. Vom ersten gemeinsamen Low-Budget-Film „After Hours“(1985) bis zum 100 Millionen Dollar teuren Abschiedswerk „Departed“(2006) mit Leonardo DiCaprio & Jack Nicholson entwickelte das Duo eine eigene Bildsprache, die innovativ mit Licht, Raum und Bewegung arbeitete. Sein Blick liebe die Schauspieler, sagte Ballhaus. Scorseses Bandenepos „Gangs of New York“trug ihm 2002 seine dritte Oscar-Nominierung ein – nach James L. Brooks’ Komödie „Nachrichtenfieber“(1987) und Steven Kloves’ Nachtclubfilm „Die fabelhaften Baker Boys“(1989). Wie dort Michelle Pfeiffer im roten Glitzerkleid lasziv auf einem schwarzen Flügel liegt, während die Kamera sie in einem einzigen großen Bogen umfährt: Das wurde als „Ballhaus-Kreisel“zu seinem Markenzeichen.
Entdeckt hat er die Liebe zum bewegten Bild schon als 18-Jähriger. 1935 in Berlin geboren und in der Theaterkommune seiner Schauspieler-Eltern in Coburg aufgewachsen, hatte er damals Max Ophüls beim Dreh für „Lola Montez“zuschauen dürfen. Ihn faszinierte die „schwebende und kreisende Kamera, das magische Licht“– das, was später seine eigene Arbeit so besonders machen sollte. Nach einem Start beim TV in Baden-Baden lernte er bald den jungen Rainer Werner Fassbinder kennen. Mit ihm avancierte er in den 70ern zum Vorzeige-Duo des Neuen Deutschen Films. 15 Filme machten beide zusammen, darunter Meisterwerke wie „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“(1972) und „Die Ehe der Maria Braun“(1979). Nach vielen Reibereien kam es bei der Romanverfilmung „Berlin Alexanderplatz“1980 zum Bruch. Ballhaus’ Frau, Mutter der beiden Söhne, blieb nach dem späteren Umzug in die USA seine wichtigste Begleiterin. Als sie 2006 nach fast 50 Jahren Ehe binnen fünf Stunden an Krebs starb, kehrte Ballhaus nach Berlin zurück. Seine Frau ließ er hier begraben.
2011 heiratete er die 25 Jahre jüngere Regisseurin Sherry Hormann, für deren Film „3096 Tage“er ein letztes Mal hinter die Kamera tritt. Das klaustrophobische Drama, die Leidensgeschichte der acht Jahre in einem Kellerverlies gehaltenen Natascha Kampusch, stieß auf ein eher geteiltes Echo. Seit Jahren kümmerte sich Ballhaus intensiv um die Nachwuchsförderung. Er übernahm Lehraufträge an Filmhochschulen, gründete eine Stiftung, lobte einen Preis für vielversprechende Kameraleute aus. Dass er, für den zeitlebens die Augen das wichtigste Werkzeug waren, zunehmend erblindete, machte ihn traurig, aber nicht bitter. „Was mir bleibt, sind die Bilder im Kopf“, sagte er vor einem Jahr der Deutschen Presse-Agentur. .............................................