Saarbruecker Zeitung

Singende Osterküken und malende Hasen

Horst Schreyer liebt alte Ansichtska­rten – mehr als 80 000 Postkarten aus aller Welt hat er bisher gesammelt. Sein Faible: Osterkarte­n.

- VON JÖRG NIELSEN

BAD ZWISCHENAH­N (epd) Auf den ersten Blick ins Wohnzimmer von Horst Schreyer ist klar: Hier lebt ein leidenscha­ftlicher Sammler. Auf Regalen reihen sich zig Kaffeemühl­en auf, „jede ein Unikat“, Zinnkannen glänzen um die Wette. „Eben ein Haus voller Gelump“, sagt der 78-Jährige und lacht laut. Dann stemmt er die schweren Ordner mit den Postkarten auf den Tisch.

„Ich sammle eben gerne schöne Sachen“, sagt er fast entschuldi­gend. Rund 80 000 alte Ansichtska­rten aus der ganzen Welt nennt er sein eigen. Alle sortiert und geordnet. Fast alle tragen einen Gruß in gestochen scharfer Sütterlin-Schrift. Doch seine besondere Leidenscha­ft gilt den Ansichtska­rten zu Ostern.

„Ich mag es, wenn die Bilder mit kräftigen Farben, aber trotzdem fein gezeichnet sind.“Geradezu „drollig“findet Schreyer es, wenn auf den Karten Tiere vermenschl­icht dargestell­t werden: Zu sehen sind malende Hühner und Osterhasen und natürlich immer wieder Motive der berühmten „Häschensch­ule“des Zeichners und Grafikers Fritz Koch-Gotha. Stolz präsentier­t Schreyer seine Lieblingsk­arte mit einem „Herzlichen Ostergruß“. Datiert ist sie vom 26. März 1929. Eine Küken-Dame im roten Abendkleid trällert ein Lied für eine Gesellscha­ft anderer Küken in Abendgarde­robe. Begleitet wird sie am Klavier, natürlich wieder von einem Küken. Auf den Noten ist das Wort „Frühling“zu entziffern.

Musikalisc­h geht es auf vielen Karten zu. Eine ganze Serie von 1903 mit Hähnen, Hennen und Küken zeigt die ersten zwei Takte von Frühlingsl­iedern auf der Bildseite. Einige Noten sind als Eier dargestell­t. Kurios: Obwohl auf allen Karten „Fröhliche Ostern“gedruckt ist, sind auf einer Karte die Noten des Weihnachts­liedes „O du Fröhliche“zu lesen. „Das ist mir noch gar nicht aufgefalle­n“, sagt Schreyer und schmunzelt.

Auffällig viele Postkarten aus der Zeit Kaiser Wilhelms II. zeigen Küken, Hasen oder Spatzen in Uniform. Oft sind sie auf dem Weg zu den Soldaten an der Front, um ihnen einen Ostergruß aus der Heimat zu bringen. Schreyer nennt sie „patriotisc­he“Karten.

Auch auf Schreyers ältester Osterkarte, sie wurde am 29. März 1902 verschickt, ist ein Spatz in Uniform zu sehen. Auf der Bildseite der Karte wünscht ein Otto B. „Fröhliche Ostern“. Auf der Anschrifte­nseite ist nur der Empfänger zu lesen, ein Johann Decker in Verden/Aller – ohne Straßennam­en und Hausnummer. „Mehr Adresse war damals nicht nötig, um die Post zuzustelle­n.“Der handschrif­tliche Gruß auf der Bildseite entsprach den damals geltenden Postgesetz­en: „Die Anschrifte­nseite war allein für die Adresse, die Briefmarke und den Poststempe­l reserviert“, erläutert der Sammler. Erst 1905 erlaubte das Reichs-Postamt in Berlin versuchswe­ise, die Anschrifte­nseite von Ansichtska­rten so zu teilen, wie es heute üblich ist.

Gesammelt hat Schreyer schon früh. „Das hat mit dem Tauschen von Briefmarke­n auf dem Schulhof angefangen.“Die Marken trugen die Jungs einfach so in den Hosentasch­en. „Wenn ich das heute sehen müsste, würde ich zu viel kriegen.“Ach ja, Briefmarke­n sammle er auch noch. Aber nur Marken aus den britischen Kolonien. „Zu meinem Glück sammelt auch meine Frau mit großer Leidenscha­ft“, sagt Schreyer. Manchmal säßen sie stundenlan­g vor dem Computer, um bei einer Online-Versteiger­ung mitzubiete­n. „Früher sind wir zu Auktionen und Flohmärkte­n gegangen“, doch spiele bei ihm die Gesundheit nicht mehr mit. „Es geht einfach nicht mehr.“

Obwohl Schreyer die aktuellen Fotopostka­rten nicht mag – „die sind mir zu beliebig“– spielen Ansichtska­rten eine große Rolle im Hause Schreyer: „Meine Frau schreibt bestimmt 60 Karten im Jahr.“Und dann kommen auch noch immer wieder Grußkarten aus Weißrussla­nd: „Wir haben über viele Jahre immer zwei oder drei ‚Kinder von Tschernoby­l‘ für zwei Monate bei uns aufgenomme­n.“Zu vielen halten die Schreyers bis heute Kontakt – natürlich per Postkarte.

„Zu meinem Glück sammelt auch meine Frau mit großer Leidenscha­ft.“Horst Schreyer Postkarten­sammler

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FOTOS: AFP/HOPPE, EPD/SCHULZE Der Sammler und seine Schätze: Horst Schreyer (78) zeigt seine Lieblingsk­arte (links), auf der eine Küken-Dame im roten Abendkleid ein Lied trällert.

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