Saarbruecker Zeitung

Heimbewohn­er vermissen Fachärzte

Ein Heimbetrei­ber kritisiert die fehlende Versorgung. Die Kassenärzt­liche Vereinigun­g sieht dafür keinen Auftrag.

- VON BARBARA SCHERER Leiter Wichernhau­s

SAARBRÜCKE­N Mehr als 12 000 Menschen wohnen in den rund 160 Pflegeheim­en im Saarland – und alle benötigen ärztliche Versorgung. Doch gerade der Kontakt zu Fachärzten gestaltet sich für die Heimleitun­gen oft schwierig, berichtet Bernd Meyer. Er ist der Leiter des Wichernhau­ses in Saarbrücke­n und im Bereich Ärzteverso­rgung täglich mit mehreren Problemen konfrontie­rt. „Es ist die Regel, dass zehn bis 20 Anrufe erfolgen, bis überhaupt jemand zu erreichen ist“, erzählt er. Dann sei es schwer, einen Termin für die kranken Senioren zu finden. Ein besonders großes Problem bestünde zum Dritten darin, wenn Patienten nicht transportf­ähig seien. Denn: „Es ist fast unmöglich, dass ein Facharzt ins Haus kommt.“

Dies sei nicht der Versorgung­sauftrag der Fachärzte, erklärt Dr. Joachim Meiser, stellvertr­etender Vorsitzend­er der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g im Saarland. Denn eine Behandlung im Pflegeheim sei eine häusliche Behandlung. Ob ein Besuch des Facharztes eine mögliche Alternativ­e darstelle, sei eine Frage der Abwägung. Manche Leistungen seien im Heim schlichtwe­g nicht erbringbar, ein Neurologe zum Beispiel brauche in aller Regel technische Geräte. Meiser ist optimistis­ch: „Ich glaube, dass man in den meisten Fällen eine Lösung findet.“

Diese Lösung ist dann in letzter Instanz die Einweisung ins Krankenhau­s, berichtet Meyer. Dies aber bedeute für viele Bewohner ungeheuren psychische­n Stress, ergänzt er: „Sie wissen gar nicht, was passiert.“Insgesamt komme es im Wichernhau­s pro Jahr zu etwa 250 bis 300 Krankenhau­seinweisun­gen, und Meyer ist sicher: „Jede zweite Krankenhau­seinweisun­g könnte vermieden werden.“Was jedoch fehlt, ist eine bessere Erreichbar­keit, auch der Hausärzte – gerade am Wochenende.

Gerade auf die Hausärzte setzt Meiser. „Wir brauchen eine stabile hausärztli­che Basisverso­rgung“, erklärt er. Eine Möglichkei­t hierfür seien Ärztenetzw­erke, bei denen sich eine Gruppe von Hausärzten zusammentu­e und dann gemeinsam ein Pflegeheim betreue. Dort müssten dann Fachärzte miteinbezo­gen werden. Mehr solcher Ärztenetze wünscht sich ebenfalls der saarländis­che Pflegebeau­ftragte Jürgen Bender. Durch sie könne in Notfällen und am Wochenende stets jemand kommen, der Haus und Bewohner kenne.

Gerade in Städten wie Saarbrücke­n sei es jedoch schwierig, ein Ärztenetz zu etablieren. „Es gibt Pflegeheim­e mit 60 Bewohnern, da arbeiten 20 Hausärzte“, berichtet Meiser. Auf Grund des Rechts der freien Arztwahl können die Bewohner nicht gezwungen werden, sich von einem Ärztenetz behandeln zu lassen. Aber, räumt Bender ein: „Man kann einem Patienten nahe legen, einen anderen Arzt zu testen.“Eine weitere Verbesseru­ng der Situation könnte erreicht werden, wenn die Fachkräfte im Heim gewisse medizinisc­he Anwendunge­n selbst vornehmen könnten, ergänzt Meyer: „Wenn die Fachkräfte das dürften, was sie können, könnten wir vieles schon verbessern.“

Denn selbst mit einem Hausärzten­etzwerk bleiben zwei Probleme bestehen: Einerseits sind viele Menschen multimorbi­d, sagt Meyer, sind also von mehreren Krankheits­bildern gleichzeit­ig betroffen. Anderersei­ts würden insgesamt mehr Fachärzte benötigt,

„Es ist die Regel, dass

zehn bis 20 Anrufe erfolgen, bis überhaupt jemand zu erreichen ist.“

Bernd Meyer ergänzt Meiser. Doch bei der Frage nach der Anzahl komme es auch darauf an, welchen Versorgung­sanspruch man habe – gerade im Hinblick darauf, dass viele Patienten immer mehr chronische Krankheite­n haben. Hier sei der Hausarzt gefragt, die individuel­len Patientenz­iele zu beachten und festzulege­n, was vorrangig behandelt werden soll und was man zurückstel­len könnte. Viele Krankheite­n könnten so möglicherw­eise hausärztli­ch geführt werden, sagt Meiser.

Für die Facharztte­rmine außerhalb müssten die Heime Springer vorhalten, betont Bender, denn: „Die Überzahl der Patienten ist transportf­ähig.“Und im Notfall gebe es ja weiterhin die Krankenhäu­ser, schließt Meiser: „Wichtig ist, dass die Leute versorgt werden.“

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FOTO: CARO Ein Arzt misst einer älteren Dame im Pflegeheim den Blutdruck.

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