Saarbruecker Zeitung

Alfas schöner Gipfelstür­mer

Bello, bellissimo, Stelvio: Das neue SUV von Alfa Romeo sieht nicht nur blendend aus, es bietet auch richtig Fahrspaß – kleinere Macken inklusive.

- VON OLIVER SCHWAMBACH

TURIN Ein Verführer ist er. Ein Romeo. Ein Alfa Romeo. Und zählte bloß Schönheit, müsste der Stelvio, das erste SUV der italienisc­hen Traditions­marke, keine Konkurrenz unter den Alleskönne­r-Autos fürchten. Keinen pausbäckig­en Audi, keinen kantigen BMW, auch den distinguie­rten Jaguar F-Pace nicht. Allenfalls der Maserati Levante macht noch so hinreißend bella figura. Doch ist der ein Schlitten für die mit der großen Brieftasch­e. Vom Stelvio aber, mit dem Alfa nun reichlich spät im immer noch boomenden SUV-Markt mitmischen will, dürfen auch die mit dem etwas schmaleren Geldbeutel träumen. Bei 47 500 Euro geht’s los für den 2,0-Liter-Benziner.

Seit Alfa, Teil der italo-amerikanis­chen Autozwecke­he FCA, voriges Jahr die Mittelklas­se-Limousine Guilia auf den Markt brachte, träumen auch die Italiener wieder von rosigeren Zeiten. Der Stelvio, der zunächst mit zwei Motorvaria­nten startet, einem 280 PS starken Benziner und einem Diesel mit 210 PS, soll den Aufwärtstr­end beflügeln. Doch was hatten die Turiner den Alfisti in den vergangene­n Jahren und Jahrzehnte­n auch nicht alles zugemutet! Eine Rostschüss­el namens Alfasud, Klapperkis­ten wie den Alfa 33, die optische Ausnüchter­ungszelle 164 und die Kurzschlus­skönigin Brera. Mit der Guilia aber stieg der Phönix Alfa einmal mehr aus der Asche. Wurden 2015 gerade mal 2800 Alfas in Deutschlan­d neu zugelassen, waren es 2016 – dank der schönen Guilia – schon knapp 4300. Und nun ist es Alfa-Chefdesign­er Scott Kruger tatsächlic­h geglückt, Guilias Dress auch auf den Stelvio zu übertragen. Die Front mit dem markanten ScudettoGr­ill, die schlanken, doch muskulösen Linien und das nach hinten coupéhaft eingezogen­e Dach: alles ein einziger Augenschma­us. Und innen erst: Leder, mattes Holzdekor, das elegant eingepasst­e Infotainem­ent-System mit großem 8,8-Zoll-Monitor, Alu-Pedale und Tüten-Tachos, die an selige Spider-Ausritte erinnern. Auch hier war die Guilia unverkennb­ar Patin. Ohnehin hat man den Stelvio, der im Werk Cassino südlich von Rom gebaut wird, aus der Rippe der Guilia geschnitzt. Denn auch die Plattform stammt von der BMW-Dreier-Konkurrent­in. Die Kehrseite der Schönheit zeigt sich aber in einer schmalen Heckscheib­e und breiten C-Säulen. Nach schräg links hinten ist man als Fahrer im Stelvio quasi blind.

Dennoch: Sitzt man erst mal hinterm Lenkrad, drückt den eigenwilli­g am Volant platzierte­n Startknopf, wird aus Vorfreude pure Lust. Just der 280-PS-Benziner erweist sich als perfekte Maschine für das SUV. Im dreistufig­en Fahrprogra­mm „d“wie „dynamic“wählen, und schon jubelt der Turbo-Wonnepropp­en willig,

aber auch vernehmlic­h hoch, packt kräftig zu. So könnte man, verspricht Alfa glaubhaft, in 5,7 Sekunden auf Tempo 100 sein.

Spaß aber macht was anderes. Im Stelvio lässt es sich nämlich auch wunderbar klettern. Selbst in engen Kehren kommt man dank des serienmäßi­gen Allradantr­iebs, der bei Bedarf bis zu 50 Prozent der Kraft auf die vorderen Räder lenkt, auch aus engen Kurven zügig raus. Selbst, wenn man Gras oder Kies statt Asphalt unterm Reifen hat. Der AchtgangAu­tomat von ZF gehört zum Feinsten, was aktuell in dieser Klasse zu haben ist.

Vor allem aber staunt man, wie leichtfüßi­g der Stelvio wedelt. Tatsächlic­h ist er trotz stattliche­r 4,68 Meter Länge beinahe ein Leichtfuß. Bloß 1660 Kilogramm bringt er leer auf die Waage – und wirkt doch grundsolid­e. Viele Karosserie­teile aus Aluminium und eine aus Kohlefaser gefertigte Antriebswe­lle machen es möglich. So wird der Alfa sogar am Berg zum Sprinter. Zu Recht taufte man ihn nach dem 2500 Meter hohen Stelvio-Pass, dem Stilfser Joch. Allein die etwas leichtgäng­ige Lenkung und der mangelnde Seitenhalt der vorderen Fauteuils trüben das Sportvergn­ügen. In puncto Lehnenbrei­te nahm man wohl eher an Altherren-Fülle Maß. Alfa stellt allerdings Abhilfe schon in Aussicht – mit Sportsitze­n.

Der Stelvio kann aber auch den Biedermann und Lastkarren spielen. Dafür ist der kraftvolle 2,2-Liter Selbstzünd­er mit 210 PS (ab 47 500 Euro) ideal. Und der Fahrer kann sich von Spurhaltea­ssistent und Notbremsfu­nktion unterstütz­en lassen. Auf den drei hinteren Sitzen allerdings engt die CoupéLinie etwas ein, ohne dass es aber gleich unbequem würde.

Zum Start gibt es die 280-PSVersion als „First edition“mit Ledersitze­n, 20-Zoll-Felgen und großem Navigation­s- und Entertainm­ent-System. Dafür werden aber auch 56 000 Euro fällig. Viel Geld, mit dem man auch einen potenten Audi Q5 kaufen könnte. Und obwohl Alfa in puncto Qualität Boden gut gemacht hat, ein Armaturenb­rett, das links bündig und rechts mit merklich Luft zur ASäule hin montiert ist, lässt ahnen, dass deutsche Premiumher­steller noch einiges an Vorsprung durch Technik und Qualität haben. Nur sind das eben keine solchen Verführer wie der Stelvio.

ZAHLEN UND FAKTEN

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FOTOS: ALFA ROMEO Der Alfa Romeo Stelvio ist das erste SUV der Traditions­marke – und gleich ein Treffer.

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