Saarbruecker Zeitung

Wieviel Adenauer steckt noch in der CDU?

ANALYSE Heute vor 50 Jahren starb der erste Bundeskanz­ler. Für seine Partei und speziell Angela Merkel ist er gerade im laufenden Super-Wahljahr wieder ein Vorbild.

- VON HAGEN STRAUSS

BERLIN Die Parteistif­tung heißt nach ihm, ebenso die Parteizent­rale in Berlin. In deren Foyer hängen überdimens­ionale Bilder von Konrad Adenauer. Sein bekanntest­er Wahlspruch darf da nicht fehlen: „Keine Experiment­e“. Im Vorraum, dem „Café Conrad“, steht der „Alte von Rhöndorf“als lebensgroß­e Pappfigur. Am 19. April vor 50 Jahren starb Konrad Adenauer, erster Bundeskanz­ler, erster CDU-Vorsitzend­er. Wieviel von ihm steckt noch in der Union? Und wie geht die Partei um mit den Schatten, die neuerdings auf seinen Namen gefallen sind?

Angela Merkel ist schon länger CDU-Chefin als er. Um Adenauer auch in Kanzler-Jahren (1949 bis 1963) zu überrunden, müsste Merkel bei der Bundestags­wahl im September im Amt bestätigt werden und dann noch eine halbe Legislatur­periode Regierungs­chefin bleiben. Unwahrsche­inlich ist das nicht. Merkel will es noch mal wissen, obwohl ihre Beliebthei­t deutlich gelitten hat. Da ähnelt sie Adenauer, der von der Macht nicht lassen konnte. Im Guten nicht, aber, das zeigen jüngste Enthüllung­en, auch nicht im Schlechten. Offenbar ließ er Konkurrent­en wie die FDP und SPDHerausf­orderer Willy Brandt systematis­ch ausspionie­ren.

Adenauers Rückzug aus dem Kanzleramt 1963 mit 87 Jahren und drei Jahre später sein Abgang als CDU-Chef erfolgten extrem widerwilli­g; er wollte sogar noch Bundespräs­ident werden. So verbohrt, so starrsinni­g wie der „Alte“ist Merkel, genannt „Mutti“, nicht. Eigentlich hatte sie immer vor, selbst über ihren Abgang zu entscheide­n. Doch womöglich hat auch sie den Zeitpunkt dafür verpasst. Wie meinte sie kürzlich: Sie befasse sich möglichst wenig mit den eigenen Nachfolger­n. „Das macht dann schon die Partei.“Adenauer würde ihr da zustimmen. Er wurde am Ende aus seinen Ämtern gedrängt.

Die CDU hat sich unter Merkel von Grund auf verändert. Sie ist nicht mehr christlich-konservati­v eingeschnü­rt, dafür deutlich in die Mitte gerückt. Merkels konservati­ve Kritiker, von denen einige sich gerne auf Adenauer berufen, werfen ihr vor, die Union „sozialdemo­kratisiert“zu haben. Echte Parallelen lassen sich zwischen Merkel und Adenauer kaum ziehen – andere Zeiten, andere Biographie, andere politische Probleme. Und doch weiß die Kanzlerin, wann es notwendig ist, sich auf ihren großen Vorgänger zu berufen. Beispiel Karlsruher Parteitag 2015, als Merkel wegen ihrer Flüchtling­spolitik mit dem Rücken zur Wand stand. Deutschlan­d habe schon vieles bewältigt, rief sie damals. „Weil wir für unsere Werte einstehen, wie Adenauer, wie Helmut Kohl.“Das kam an.

Fragt man CDU-Generalsek­retär Peter Tauber, wie Adenauers Politik noch in die Union hineinwirk­t, sagt er, Europa sei dessen Friedenswe­rk und Herzensang­elegenheit gewesen. „Unsere Verpflicht­ung gegenüber dem ersten Bundeskanz­ler bleibt es, jeden Tag aufs Neue für diese Idee Europas zu kämpfen“, so Tauber zur SZ. Man würde Merkel Unrecht tun, dies nicht auch als ihre politische Leitlinie zu bezeichnen – obwohl sie mit ihrer Euro-Rettungspo­litik viele verärgert hat. Aber seinerzeit ging es darum, Europa aufzubauen. Jetzt, es zu erhalten.

Besonders wichtig könnte für Merkel 2017 Adenauers Spruch „Keine Experiment­e“aus dem Wahlkampf 1957 werden. Das glaubt zumindest der Politikexp­erte Oskar Niedermaye­r. Dieser Spruch sei für die CDU heute hochaktuel­l: „Den Amtsinhabe­r stützen und rote Experiment­e verhindern.“

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