Warum Windenergie die Bürger spaltet
Während einige Saar-Gemeinden Einwohner eng in Planungen einbeziehen, provozieren andere durch strittige Projekte in Wäldern.
FREISEN/PERL/BOUS/WADGASSEN/ REHLINGEN Kaum ein Thema spaltet die Saarländer so stark wie die Windkraft. Während einige Gemeinden Unterstützung aus der Bevölkerung für einen Ausbau erneuerbarer Energien bekommen, bilden sich andernorts Bürgerinitiativen, die Windräder nicht in ihrer Nähe und nicht in Waldgebieten realisiert sehen wollen. Welche Rolle spielen Bürgermeister in der Debatte? Wie werden Bürger überzeugt und einbezogen? Was sind Fehler, die Widerstände hervorrufen, weil Gefahren für die Landschaft und die Natur gesehen werden? Wir haben uns im Saarland umgesehen.
In der Gemeinde Freisen entstand bereits 1994 der erste Windpark überhaupt im Saarland. Bürgermeister Karl-Josef Scheer (SPD) und der Geschäftsführer der Bürger-Energie-Genossenschaft St. Wendeler Land, Wolfgang Klein, erinnern an ein Argument, das die Einwohner von Anfang an bewegt hat: Man wollte der Atomkraft etwas Wirkungsvolles entgegensetzen. Das lasse sich aber nur mit erneuerbaren Energien erreichen. Es bildete sich schnell die Initiative Energiewende, der auch viele Bürger angehörten. Bürgermeister Karl-Josef Scheer (SPD) sieht hierin die wichtigste Voraussetzung überhaupt, um erneuerbare Energien und Windräder auf den Weg zu bringen. ,,Die Bürger müssen mitmachen und mitbestimmen können.“Das werde andernorts unterschätzt.
In Freisen werde regelmäßig informiert. Nach Zustimmung der Bürger begleite der Gemeinderat gemeinsam mit dem Bürgermeister Investitions-Entscheidungen. Die fallen wohl auch leichter, da auf den Hügeln rund um die Gemeinde ideale Windverhältnisse bestehen. Größter Anteilseigner und Förderer der Windkraft in Freisen sind die Stadtwerke Saarbrücken. Auch die VSE und KEW engagieren sich. Für die Einwohner entsteht nicht nur der ideelle Wert, saubere Energie zu fördern, sie profitieren auch materiell durch Beteiligungen an der Bürger-Energie-Genossenschaft St. Wendeler Land. Deren Geschäftsführer Wolfgang Klein sieht Vorteile für alle Beteiligten. Die Windräder sorgten für gute Renditen, „die derzeit keine Bank zahlt“. Keiner der Anteilseigner darf über 25 Prozent Beteiligung halten, die Energieversorger zusammen nicht über 49 Prozent, erläutert Horst Schmeer, Geschäftsführer des Windparks. So behalten die Bürger mit 51 Prozent das Sagen.
13 Anlagen stehen rund um Freisen, fünf weitere sind geplant, davon vier bereits genehmigt und gebaut. Die Gemeinde mit ihren 4000 Haushalten produziert Strom für 25 000 Haushalte. Sie erlöst Pacht aus den gemeindeeigenen Flächen und sorgt dafür, dass die Anlagen ganzjährig laufen können. Sie beteiligt sich auch an Windparks außerhalb von Freisen. Bürgermeister Scheer will jetzt ein Pilotprojekt zur Energiespeicherung starten. Er sucht Partner, auch finanziell, und will das Land einbinden. Erfolgreiche Energie-Speicherung ermögliche Bürgern bessere Tarife. Man könne Kindergärten, Schulen, Rathäuser und Kirchen kostengünstiger beheizen.
Szenenwechsel. Auch auf den Höhen rund um Perl sieht man viele Windräder. Sechs Anlagen entstehen gerade auf dem Renglischberg unweit von Sinz. Bürgermeister Ralf Uhlenbruch (CDU) verweist darauf, dass es so gut wie keinen Widerstand gegen die Windräder gegeben habe. Die Gemeinde binde die Bürger ein und es sei frühzeitig zugesagt worden, keine Windräder in Waldgebiete zu bauen. So sollten schwerwiegende Eingriffe in die Natur verhindert werden. Das habe viele Bedenken zerstreut. Das Hauptargument, warum so viele Perler pro Windkraft sind, ist mit dem Atomkraftwerk Cattenom nur einige Kilometer entfernt zu sehen. Finanzielle Gründe können als Argument für das Windkraft-Engagement einer Gemeinde oft vernachlässigt werden. Perl bekommt nur eine Entschädigung für die Zufahrtswege zu den Windrädern und für die Verlegung der Kabeltrasse zum Ableiten der Windkraft. In der Gemeinde Bous ist es eine Entschädigung für die Nutzung der Wege zum geplanten Windpark sowie für ein Umspannwerk, zumal der Entwickler des Parks in Kleve sitzt, sagt der parteilose Bürgermeister Stefan Louis. Deshalb gehen Gewerbesteuern verloren. Geeignete Flächen im Umkreis der Gemeinde seien fast alle im Besitz des landeseigenen Saarforstes.
Der steht mächtig unter Druck, weil sich viele Saarländer daran stören, dass Windräder mit Zustimmung des Landes in Wäldern gebaut werden. Johannes Bely, Mitglied der sich gründenden Bürgerinitiative zum
Schutz des Waldes der Gemeinde Wadgassen, kämpft dagegen an. Er verweist auf sechs beantragte Windräder, fünf auf Überherrner Seite, eines auf Wadgasser Seite mit der Option für den Investor, drei weitere zu bauen. Bely und viele Einwohner argumentieren, Windräder im Wald gefährdeten Tiere wie den Rot-Milan und Uhu-Pärchen. Ihnen drohe auf der Nahrungssuche „die Schrädderung“, so Bely.
Er unterstellt dem finanzschwachen Land und dem Saarforst, Geld im Auge zu haben. „Der Saarforst bekommt pro Windkraft-Anlage zwischen 50 000 und 60 000 Euro pro Jahr. Hier wird rein betriebswirtschaftlich gedacht. Da vernachlässigt man schon mal den Tierschutz und andere Kriterien.“Widerstand regt sich auch in der Gemeinde Rehlingen-Siersburg. Einwohner sehen in der geplanten Windkraft-Konzentrationszone vor dem Königsberg in Hemmersdorf einen Eingriff in die Natur. Sie schreiben an Bürgermeister Martin Silvanus (SPD), das größte zusammenhängende Waldgebiet in der Gemeinde, das auch mit Wäldern der Gemeinde Wallerfangen vernetzt ist, werde beeinträchtigt und das Areal seiner ökologischen Funktion als schützenswertes Naturschutzgebiet beraubt. Es drohten Gefahren für das Trinkwasser. Silvanus hält es zwar für den besseren Weg als Gemeinde, mit einer solchen Zone auch klare Vorgaben machen zu können, bevor ein Investor deutlich näher zur Wohnbebauung tätig wird. Silvanus plädiert jedoch dafür, die Planung von Windrädern wieder in die Verantwortung des Landes zurückzuverlagern. Darüber will er mit der neuen Landesregierung reden.
Der Bund habe den Fehler gemacht, Windräder durch eine Änderung des Baurechts zu privilegierten Bauprojekten zu erklären. Die Ex-Grünen Umweltministerin Simone Peter habe als Mitglied der Jamaika-Regierung an der Saar das Problem noch verschärft mit ihrer Vorgabe, dass Gemeinden für Windräder Konzentrationsflächen schaffen. Jetzt müsse man mit einer ausufernden Ansammlung von Windrädern leben, auch in Gebieten mit schwachen Winderträgen und berechtigten Argumenten des Umweltschutzes. Man dürfe den Bürgerwillen nicht unterschätzen: „Das Thema entwickelt sich zu einer besorgniserregenden Belastung des gesellschaftlichen Friedens in Städten und Gemeinden“, warnt Bürgermeister Silvanus.
Martin Silvanus
„Das Thema entwickelt sich zu einer Belastung des gesellschaftlichen Friedens.“
Bürgermeister Rehlingen-Siersburg