Saarbruecker Zeitung

Warum Windenergi­e die Bürger spaltet

Während einige Saar-Gemeinden Einwohner eng in Planungen einbeziehe­n, provoziere­n andere durch strittige Projekte in Wäldern.

- VON THOMAS SPONTICCIA

FREISEN/PERL/BOUS/WADGASSEN/ REHLINGEN Kaum ein Thema spaltet die Saarländer so stark wie die Windkraft. Während einige Gemeinden Unterstütz­ung aus der Bevölkerun­g für einen Ausbau erneuerbar­er Energien bekommen, bilden sich andernorts Bürgerinit­iativen, die Windräder nicht in ihrer Nähe und nicht in Waldgebiet­en realisiert sehen wollen. Welche Rolle spielen Bürgermeis­ter in der Debatte? Wie werden Bürger überzeugt und einbezogen? Was sind Fehler, die Widerständ­e hervorrufe­n, weil Gefahren für die Landschaft und die Natur gesehen werden? Wir haben uns im Saarland umgesehen.

In der Gemeinde Freisen entstand bereits 1994 der erste Windpark überhaupt im Saarland. Bürgermeis­ter Karl-Josef Scheer (SPD) und der Geschäftsf­ührer der Bürger-Energie-Genossensc­haft St. Wendeler Land, Wolfgang Klein, erinnern an ein Argument, das die Einwohner von Anfang an bewegt hat: Man wollte der Atomkraft etwas Wirkungsvo­lles entgegense­tzen. Das lasse sich aber nur mit erneuerbar­en Energien erreichen. Es bildete sich schnell die Initiative Energiewen­de, der auch viele Bürger angehörten. Bürgermeis­ter Karl-Josef Scheer (SPD) sieht hierin die wichtigste Voraussetz­ung überhaupt, um erneuerbar­e Energien und Windräder auf den Weg zu bringen. ,,Die Bürger müssen mitmachen und mitbestimm­en können.“Das werde andernorts unterschät­zt.

In Freisen werde regelmäßig informiert. Nach Zustimmung der Bürger begleite der Gemeindera­t gemeinsam mit dem Bürgermeis­ter Investitio­ns-Entscheidu­ngen. Die fallen wohl auch leichter, da auf den Hügeln rund um die Gemeinde ideale Windverhäl­tnisse bestehen. Größter Anteilseig­ner und Förderer der Windkraft in Freisen sind die Stadtwerke Saarbrücke­n. Auch die VSE und KEW engagieren sich. Für die Einwohner entsteht nicht nur der ideelle Wert, saubere Energie zu fördern, sie profitiere­n auch materiell durch Beteiligun­gen an der Bürger-Energie-Genossensc­haft St. Wendeler Land. Deren Geschäftsf­ührer Wolfgang Klein sieht Vorteile für alle Beteiligte­n. Die Windräder sorgten für gute Renditen, „die derzeit keine Bank zahlt“. Keiner der Anteilseig­ner darf über 25 Prozent Beteiligun­g halten, die Energiever­sorger zusammen nicht über 49 Prozent, erläutert Horst Schmeer, Geschäftsf­ührer des Windparks. So behalten die Bürger mit 51 Prozent das Sagen.

13 Anlagen stehen rund um Freisen, fünf weitere sind geplant, davon vier bereits genehmigt und gebaut. Die Gemeinde mit ihren 4000 Haushalten produziert Strom für 25 000 Haushalte. Sie erlöst Pacht aus den gemeindeei­genen Flächen und sorgt dafür, dass die Anlagen ganzjährig laufen können. Sie beteiligt sich auch an Windparks außerhalb von Freisen. Bürgermeis­ter Scheer will jetzt ein Pilotproje­kt zur Energiespe­icherung starten. Er sucht Partner, auch finanziell, und will das Land einbinden. Erfolgreic­he Energie-Speicherun­g ermögliche Bürgern bessere Tarife. Man könne Kindergärt­en, Schulen, Rathäuser und Kirchen kostengüns­tiger beheizen.

Szenenwech­sel. Auch auf den Höhen rund um Perl sieht man viele Windräder. Sechs Anlagen entstehen gerade auf dem Renglischb­erg unweit von Sinz. Bürgermeis­ter Ralf Uhlenbruch (CDU) verweist darauf, dass es so gut wie keinen Widerstand gegen die Windräder gegeben habe. Die Gemeinde binde die Bürger ein und es sei frühzeitig zugesagt worden, keine Windräder in Waldgebiet­e zu bauen. So sollten schwerwieg­ende Eingriffe in die Natur verhindert werden. Das habe viele Bedenken zerstreut. Das Hauptargum­ent, warum so viele Perler pro Windkraft sind, ist mit dem Atomkraftw­erk Cattenom nur einige Kilometer entfernt zu sehen. Finanziell­e Gründe können als Argument für das Windkraft-Engagement einer Gemeinde oft vernachläs­sigt werden. Perl bekommt nur eine Entschädig­ung für die Zufahrtswe­ge zu den Windrädern und für die Verlegung der Kabeltrass­e zum Ableiten der Windkraft. In der Gemeinde Bous ist es eine Entschädig­ung für die Nutzung der Wege zum geplanten Windpark sowie für ein Umspannwer­k, zumal der Entwickler des Parks in Kleve sitzt, sagt der parteilose Bürgermeis­ter Stefan Louis. Deshalb gehen Gewerbeste­uern verloren. Geeignete Flächen im Umkreis der Gemeinde seien fast alle im Besitz des landeseige­nen Saarforste­s.

Der steht mächtig unter Druck, weil sich viele Saarländer daran stören, dass Windräder mit Zustimmung des Landes in Wäldern gebaut werden. Johannes Bely, Mitglied der sich gründenden Bürgerinit­iative zum

Schutz des Waldes der Gemeinde Wadgassen, kämpft dagegen an. Er verweist auf sechs beantragte Windräder, fünf auf Überherrne­r Seite, eines auf Wadgasser Seite mit der Option für den Investor, drei weitere zu bauen. Bely und viele Einwohner argumentie­ren, Windräder im Wald gefährdete­n Tiere wie den Rot-Milan und Uhu-Pärchen. Ihnen drohe auf der Nahrungssu­che „die Schrädderu­ng“, so Bely.

Er unterstell­t dem finanzschw­achen Land und dem Saarforst, Geld im Auge zu haben. „Der Saarforst bekommt pro Windkraft-Anlage zwischen 50 000 und 60 000 Euro pro Jahr. Hier wird rein betriebswi­rtschaftli­ch gedacht. Da vernachläs­sigt man schon mal den Tierschutz und andere Kriterien.“Widerstand regt sich auch in der Gemeinde Rehlingen-Siersburg. Einwohner sehen in der geplanten Windkraft-Konzentrat­ionszone vor dem Königsberg in Hemmersdor­f einen Eingriff in die Natur. Sie schreiben an Bürgermeis­ter Martin Silvanus (SPD), das größte zusammenhä­ngende Waldgebiet in der Gemeinde, das auch mit Wäldern der Gemeinde Wallerfang­en vernetzt ist, werde beeinträch­tigt und das Areal seiner ökologisch­en Funktion als schützensw­ertes Naturschut­zgebiet beraubt. Es drohten Gefahren für das Trinkwasse­r. Silvanus hält es zwar für den besseren Weg als Gemeinde, mit einer solchen Zone auch klare Vorgaben machen zu können, bevor ein Investor deutlich näher zur Wohnbebauu­ng tätig wird. Silvanus plädiert jedoch dafür, die Planung von Windrädern wieder in die Verantwort­ung des Landes zurückzuve­rlagern. Darüber will er mit der neuen Landesregi­erung reden.

Der Bund habe den Fehler gemacht, Windräder durch eine Änderung des Baurechts zu privilegie­rten Bauprojekt­en zu erklären. Die Ex-Grünen Umweltmini­sterin Simone Peter habe als Mitglied der Jamaika-Regierung an der Saar das Problem noch verschärft mit ihrer Vorgabe, dass Gemeinden für Windräder Konzentrat­ionsfläche­n schaffen. Jetzt müsse man mit einer ausufernde­n Ansammlung von Windrädern leben, auch in Gebieten mit schwachen Winderträg­en und berechtigt­en Argumenten des Umweltschu­tzes. Man dürfe den Bürgerwill­en nicht unterschät­zen: „Das Thema entwickelt sich zu einer besorgnise­rregenden Belastung des gesellscha­ftlichen Friedens in Städten und Gemeinden“, warnt Bürgermeis­ter Silvanus.

Martin Silvanus

„Das Thema entwickelt sich zu einer Belastung des gesellscha­ftlichen Friedens.“

Bürgermeis­ter Rehlingen-Siersburg

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FOTO: DIETZE Freisens Bürgermeis­ter Karl-Josef Scheer (l.) – hier gemeinsam mit Vertretern der Wind-Projekte – hat seine Bürger mit einbezogen.
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FOTO: IRIS MAURER Der Perler Bürgermeis­ter Ralf Uhlenbruch (CDU) setzt mit den Bürgern auf erneuerbar­e Energien statt Atomstrom aus Cattenom.
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