Saarbruecker Zeitung

Saar-Linke steht vor großem Umbruch

Die Partei verdankt ihre Erfolge Oskar Lafontaine. Langsam muss sie überlegen, wie es 2022 ohne ihn weitergehe­n soll.

- VON DANIEL KIRCH

SAARBRÜCKE­N Die Linke hat bei der Landtagswa­hl 3,3 Prozentpun­kte verloren, sie bleibt in der Opposition. Dass das Wahlergebn­is ein Triumph für die CDU war und RotRot eine Absage erteilt wurde, das sind für Oskar Lafontaine trotzdem „Fake News“. „Seit der SaarlandWa­hl dreht der Mainstream-Journalism­us am Rad“, zürnte Lafontaine auf Facebook. SPD und Linke hätten zusammen (42,4 Prozent) mehr Stimmen als die CDU (40,7).

An Oskar Lafontaine lag es sicher nicht, dass es zum rot-roten Regieren trotzdem nicht reicht. Seine Beliebthei­tswerte sind im Vergleich zu früheren Wahlen gestiegen. Während er 2009 und 2012 auf einer Skala (-5 bis +5) der Forschungs­gruppe Wahlen stets unter null landete, wurde er diesmal bei plus 0.6 notiert. Bestnoten erhielt er von Linken-Wählern (+3.7), aber auch die Anhänger der SPD (+1.3) bewerteten ihn ordentlich. „Er hat bei dieser Landtagswa­hl nicht mehr so stark polarisier­t“, sagt Matthias Jung, Chef der Forschungs­gruppe Wahlen. „Das hat sehr viel damit zu tun, dass der Konflikt SPD/Linke, der im Saarland sehr emotional war, durch die Koalitions­bereitscha­ft von beiden Seiten abgebaut worden ist.“Ein Teil der SPD-Wähler wollte sich trotzdem nicht mit Rot-Rot anfreunden – das zeigen Umfragen und die Erfahrunge­n von SPD-Wahlkämpfe­rn, die am Wahlabend über das „Schreckges­penst“Lafontaine schimpften.

Trotz der Verluste bleiben die 12,8 Prozent für die Linke für westdeutsc­he Verhältnis­se ein Ausnahme-Ergebnis. „Dieser Erfolg ist ganz eindeutig mit der Person Oskar Lafontaine verbunden“, sagt Jung. Linken-Wahlkämpfe­r berichten: „An den Wahlkampfs­tänden haben die Leute gesagt: Ich wähle de Oskar. Sie haben nicht gesagt: Ich wähle die Linke.“Dass die Linke seit 2009 Stimmen verloren hat, führt Wahlforsch­er Jung auf zwei Ursachen zurück: Erstens verblasse die Erinnerung an Lafontaine­s Zeit als Ministerpr­äsident (1985 bis 1998) immer mehr, weil es bei jeder Wahl fünf Jahrgänge weniger gebe, die ihn als Regierungs­chef kennen. Und zweitens lasse die Rolle der Linken als Protestpar­tei nach. Die subjektive Beurteilun­g der ökonomisch­en Situation im Land sei positiver geworden, und mit dem Aufkommen der Piraten (2012) und der AfD (2017) habe die Linke Konkurrenz von Parteien bekommen, die ebenfalls Protestwäh­ler anzögen.

Für Oskar Lafontaine, der schon 1970 im Landtag saß, beginnt nun die letzte Legislatur­periode im Parlament, er hat vor der Wahl selbst gesagt, dass er nur noch dieses eine Mal antritt („Ähmol geht noch“). Die Partei hat nun fünf Jahre Zeit, sich auf das Ende der Ära vorzuberei­ten – und auf schlechter­e Wahlergebn­isse. „Es wird verdammt schwer, wenn er geht, weil sich alles an ihm orientiert“, sagt der Saarbrücke­r Stadtveror­dnete und ehemalige Landtagsab­geordnete Lothar Schnitzler. Auch Wahlforsch­er Jung sieht den Erfolg der Linken „stark gefährdet“, wenn Lafontaine abtritt. Der ehemalige Landesvors­itzende Rolf Linsler hatte zu Lebzeiten gesagt, ohne Lafontaine „hätten wir im Saarland sehr wahrschein­lich ein einstellig­es Ergebnis, vergleichb­ar mit anderen Bundesländ­ern“.

Was würde sich ändern ohne Lafontaine? Die Saar-Linke wäre für einen Teil ihrer Kernklient­el, die Gewerkscha­ften und ihre Mitglieder, weit weniger attraktiv. Gerade in der IG Metall verehren ihn noch heute viele für die Rettung der

Oskar Lafontaine

„Bei der Organisati­on

der Partei in der Fläche gibt es Defizite.“

Fraktionsc­hef Die Linke

Stahlindus­trie in den 80er Jahren. Nach dem Tod Linslers (früher Verdi-Bezirkslei­ter), dem Karriere-Ende des Abgeordnet­en Heinz Bierbaum (IG Metall) und dem Austritt einiger Gewerkscha­fter wie VerdiGesch­äftsführer Thomas Müller ist die Bindung der Partei an die Gewerkscha­ften bereits geschwächt.

Ohne Lafontaine­s Einfluss wäre die Linke auch thematisch anders gepolt. Sie wäre vermutlich Windkraft-freundlich­er und weniger restriktiv in der Zuwanderun­gspolitik, denn diese für Linke untypische­n Positionen tragen die persönlich­e Handschrif­t Lafontaine­s.

Um auf die Zeit nach Lafontaine vorbereite­t zu sein, wird sich die Partei verjüngen müssen. Schon 2013 sagte Linken-Vordenker Bierbaum: „Wir müssen in unserem Erscheinun­gsbild jünger werden und zeigen, dass es nicht nur den Altherren-Club gibt, sondern dass wir auch Potenzial bei der Jugend haben.“Zwar stellt die Linke mit Dennis Lander (23) nun den jüngsten Abgeordnet­en im Landtag, aber ein richtiger Generation­swechsel hat nicht stattgefun­den. Lafontaine (73) hat das Problem erkannt, er will mehr junge Menschen gewinnen. Lander berichtete, derzeit werde landesweit die „Linksjugen­d Solid“aufgebaut, die im Wahlkampf viele neue Mitglieder gewonnen habe. Auch werde man versuchen, dass bei der Kommunalwa­hl 2019 möglichst viele junge Leute in die Räte kommen.

Eine weitere Baustelle ist die Organisati­on der Partei. „Der Zustand der Partei ist besorgnise­rregend“, sagt Schnitzler. Über Jahre hinweg sei versäumt worden, „ein stabiles Personal- und Organisati­onsgerüst“aufzubauen. Viele Ortsverbän­de seien nicht mehr handlungsf­ähig. Lafontaine kündigte nach der Wahl an: „Wir werden nach diesem Wahlergebn­is unsere Anstrengun­gen verstärken, die Organisati­on der Partei die Linke in der Fläche im Saarland auszubauen. Da gibt es Defizite.“

Eine offene Frage ist, was es für die Linke organisato­risch bedeutet, wenn Lafontaine 2022 am Ende seiner fünfjährig­en Abschiedst­our ankommt. Die Partei steht mit rund 2400 Mitglieder­n zahlenmäßi­g zwar sehr ordentlich da. Aber den meisten ist klar, weswegen so viele Menschen Parteimitg­lied geworden sind: wegen Lafontaine.

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