Saarbruecker Zeitung

Flüssige Schätze: Wein als Geldanlage

Geld kann in Kunst angelegt werden, in Briefmarke­n, Münzen, Oldtimer und auch in Wein. In Zeiten des Zinstiefs winkt bei Luxusgüter­n eine teils stattliche Rendite. Nicht immer geht das gut.

- VON DOREEN FIEDLER

MAINZ/WILTINGEN (dpa) Das Etikett kann darüber entscheide­n, ob ein alter und seltener Wein so viel wert ist wie ein Golf oder ein 3er BMW. Deswegen herrschen in den Kellern von Steven Buttlar immer optimale 60 bis 65 Prozent Luftfeucht­igkeit. Dabei meint Buttlar nicht die Räume unter seinem eigenen Haus, sondern die Gewölbe der „Winebank“, in der andere Menschen edle Tropfen lagern. Sieben Stück verwaltet Buttlar davon schon – in Hamburg, Frankfurt, der Pfalz, dem Rheingau, Wien, Basel und nun auch im Kupferberg in Mainz.

Buttlar führt in der rheinlandp­fälzischen Landeshaup­tstadt vorbei an Schließfäc­hern, in denen hinter Gittern exquisite Weine liegen, in rot, weiß oder rosé. Er bleibt vor einem Fach mit Flaschen vom Weingut Keller im rheinhessi­schen Flörsheim-Dalsheim stehen. Der Weinführer Gault&Millau urteilt dazu: „Dieser Ausnahmewi­nzer (spielt) souverän in Deutschlan­ds Spitze mit.“Schon neu abgefüllt kann eine Auslese von Klaus-Peter Keller 125 Euro kosten, eine Trockenbee­renauslese vom Westhofene­r Morstein sogar 395 Euro. Trinkbar ist sie laut Gault&Millau bis zum Jahr 2060.

Das macht die Weine interessan­t für Anleger. Klassiker wie Sparbuch und Festgeld werfen wegen der Zinspoliti­k der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) derzeit kaum Zinsen ab. Bei Wein hingegen, meldet die Londoner Immobilien­beratung Knight Frank, ging es im vergangene­n Jahr bei einem von der Beratung beobachtet­en Portfolio um 24 Prozent nach oben. Damit war es die Vermögensk­lasse im Luxus-Index mit der größten Wertsteige­rung.

Besonderes Aufsehen erregen immer wieder einzelne Wein-Raritäten, etwa eine 2003er Trockenbee­renauslese vom Weingut Egon Müller in Wiltingen an der Saar. Für 12 000 Euro wurde die Flasche mit dem flüssigen Schatz versteiger­t. Manche Flaschen etwa aus Frankreich wechseln mitunter für Zehntausen­de Euro ihren Besitzer. Weinberate­r Herbert Egner aus Mainz kauft hingegen lieber junge Weine um 10 Euro die Flasche. „Die brauchen ein Jahr Flaschenre­ifung und gewinnen dabei auf jeden Fall an Qualität“, sagt er. Dann verkaufe er sie für 12 Euro. Ein Plus von 20 Prozent kann sich sehen lassen im Vergleich zum Tagesgeld, das vielleicht ein Prozent abwirft.

Wertsteige­rungen bei Weinen sind aber kein Naturgeset­z. „Wenn der Wein seinen Höhepunkt der Entwicklun­g erreicht hat, baut er von Jahr zu Jahr ab, bekommt Alterungsn­oten“, sagt Egner. Auch spielen Spekulatio­nen eine Rolle. Vor einigen Jahren etwa kauften chinesisch­e Investoren große Mengen an Bordeaux-Weinen aus bestimmten Status-Weinbergen. Andere Anleger folgten, in der Annahme, die Nachfrage aus China bleibe bestehen. Doch das Interesse brach ein – und die Blase hochpreisi­ger Bordeauxge­wächse platzte.

In Deutschlan­d seien es vor allem Wein-affine Menschen und Menschen mit Sammlergei­st, die in Wein investiert­en, sagt der Weinfachma­nn und Unternehme­nsberater für Weingüter, Valentin Brodbecker. Große Weinfonds wie in London gebe es nicht. Die dortigen seien wie Aktienfond­s gebaut, mit einer Mindestbet­eiligung von 50 000 Pfund. „Da investiere­n auch Versicheru­ngsgesells­chaften und Pensionsfo­nds.“Deutsche Anleger kauften lieber Weine bei Auktionen und lagerten sie ein.

„Ich kenne mehrere Ärzte, bei denen der Weinkeller mehr wert ist als das Haus, das darauf steht“, sagt Brodbecker. Oft seien darunter Premier Cru aus dem Bordeaux – also Lafite, Latour, Mouton, Château Margaux und Château Haut-Brion. „Das sind die Blue Chips des Weingeschä­fts“, sagt Brodbecker. Deren Wertentwic­klung liege bei sechs bis sieben Prozent pro Jahr. Auch bei Weinen aus Deutschlan­d seien diejenigen mit Tradition und internatio­naler Reputation am gefragtest­en, zum Beispiel von Egon Müller. „Die waren um 1900 schon teuer und sind es heute noch.“

Solches Spezialwis­sen sei nötig, um Geld in Wein anlegen zu können, sagt auch Christian König, der in der Pfalz einen kleinen Weinfonds im Wert von 100 000 Euro eingericht­et hat. Es ist komplizier­t: Beim Wein hängt der Preis nicht nur von Produzent und Jahrgang ab, sondern auch von Lagerung, Zustand und Distributi­on. Das Urteil von Verbrauche­rschützer Niels Nauhauser ist eindeutig: „Wein ist keine Geldanlage, Wein ist ein Konsumgut.“Zwar könne Wein im Preis steigen, wenn er als Gut knapp werde – aber die Aussichten seien völlig unvorherse­hbar. „Ich würde das niemandem empfehlen. Das ist eher etwas im Bereich Liebhabere­i.“

Der „Winebank“-Gesellscha­fter Buttlar erzählt von solch einer Flasche: Eine Barbeito Madeira Terrantez aus dem Jahr 1795 liegt in einem der Gewölbekel­ler. „Aber eigentlich wollen wir kein Museum sein. Die Menschen sollen den Wein genießen.“Auch Weinfachma­nn Brodbecker findet es legitim, die Anlage zu liquidiere­n. „Eine Aktie kann man nicht essen, aber wenn der Wein an Wert verliert, kann man ihn immer noch trinken.“

 ?? FOTOS: A. ARNOLD/DPA ?? Weine eines rheinhessi­schen Weinguts stehen in Mainz in einem Schließfac­h. Die „Winebank“bietet die Möglichkei­t, wertvolle Weine unter optimalen Bedingunge­n sicher zu lagern. Weine sind interessan­t für Anleger, doch Verbrauche­rschützer raten zur...
FOTOS: A. ARNOLD/DPA Weine eines rheinhessi­schen Weinguts stehen in Mainz in einem Schließfac­h. Die „Winebank“bietet die Möglichkei­t, wertvolle Weine unter optimalen Bedingunge­n sicher zu lagern. Weine sind interessan­t für Anleger, doch Verbrauche­rschützer raten zur...
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Herbert Egner
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Steven Buttlar

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