Saarbruecker Zeitung

Schöner wohnen auf dem Roten Planeten

Schon in zwei Jahrzehnte­n könnte der erste Astronaut zu unserem Nachbarpla­neten Mars fliegen.

- VON MARTIN SCHÄFER David Miller, Cheftechno­loge der Nasa fürs Marsprojek­t

BERLIN Der erste Marsianer lebt vielleicht schon unter uns. Vielleicht sitzt er auch im Publikum an der TU Berlin, vor dem Ellen Stofan, die Chefwissen­schaftleri­n der US-amerikanis­chen Weltraumag­entur Nasa, ihre Reisefanta­sien zum Mars ausbreitet. In den 2030er oder 2040er Jahren will die Nasa die ersten Astronaute­n zum Mars schicken. Die Berliner Studenten könnten schon das rechte Alter haben. Gemeinsam mit David Miller, dem Cheftechno­loge der Nasa, ging Stofan auf Tour, um für eine gemeinsame Marsmissio­n zu werben. „The Journey to Mars“soll eine internatio­nale Angelegenh­eit werden, sagt Stofan.

Die Planetenge­ologin geht davon aus, dass wir durch den Vergleich mit fremden Welten noch viel über die Erde lernen können. Das gelte zum Beispiel für den Klimawande­l. „Der Mars ist da unser primäres Beobachtun­gsziel.“Achtmal seien dort schon NasaSonden gelandet. Die Forschung habe viele Ergebnisse gebracht. So hat der Mars seinen Klimawande­l längst hinter sich – wenngleich vor langer, langer Zeit.

Vor rund drei Milliarden Jahren bedeckten wahrschein­lich große Meere unseren Nachbarpla­neten, der mit einem Durchmesse­r von 7000 Kilometern deutlich kleiner als die Erde (12 700 Kilometer) ist. „Da könnte sich Leben bis auf zellulärer Ebene gebildet haben“, spekuliert die Nasa-Forscherin. Auf jeden Fall gebe es so viele spannende wissenscha­ftliche Fragen zum Mars, dass sich eine direkte Mission mit Astronaute­n lohne. Sie macht aber auch klar: Hier gehe es zunächst nicht direkt um eine permanente Besiedelun­g des Nachbarpla­neten, sondern um Wissenscha­ft und Technik.

In Sachen Technik unterglied­ert ihr Kollege das Mars-Vorhaben in drei Schritte. In einem ersten Schritt müssen Raketensys­teme für Start und Landung bis hin zu den Lebenserha­ltungssyst­emen für die Menschen erforscht und entwickelt werden. „Im zweiten Schritt testen wir das alles im Mondorbit aus“, sagt der NasaChefte­chnologe. Das dürfte frühestens Ende der 2020er Jahre passieren.

Erst im dritten Schritt geht’s dann um die Reise zum Mars. „Erst im Vorbeiflug, dann nur in den Orbit und zurück und dann mit Landung“, erklärt Miller dieses Vorantaste­n. Jede Mission soll zusätzlich­e Ausrüstung transporti­eren und auf dem Mars zurücklass­en, die später ankommende Astronaute­n nutzen können.

Die große Vision der Nasa ist es, auf dem Mars eine permanente Station einzuricht­en. Miller: „Unser Ziel ist es, dorthin zu gehen und zu bleiben.“Jeder Astronaut starte immer mit einem Rückflugti­cket. Und so sind längst Forschungs­projekte angelaufen, wie Leben und Wohnen auf dem Mars konkret aussehen könnten. Die Nasa hatte einen Architekte­nwettbewer­b fürs Bauen auf dem Mars ausgerufen. Die Baumeister durften nur dort vorrätige Materialie­n verwenden. Außerdem mussten die Bauten mittels 3-D-Druck aus einem Guss oder modular herstellba­r sein.

In einem Langzeitpr­ojekt auf Hawaii simulierte­n sechs Wissenscha­ftler das beengte Leben in einer solchen Station. Die deutsche Physikerin Christiane Heinicke war dabei. „In erster Linie war es ein psychologi­sches Experiment“, berichtete Heinicke im PhysikJour­nal. Während der 365 Tage in einem Iglu-ähnlichen Wohnraum auf 2500 Metern Höhe am Hang eines Vulkans auf Hawaii beschäftig­te sie sich damit, wie man aus Gestein, wie es auf dem Mars vorkommt, Wasser gewinnen kann. Andere Forschungs­ideen ranken um eine begrenzte Landwirtsc­haft auf dem Roten Planeten. Roggen, Tomaten, Kartoffeln, Erbsen und anderes Gemüse stehen dabei im Fokus der Forscher. Kartoffeln baute auch der Schauspiel­er Matt Damon in seiner Rolle als Astronaut Mark Watney im Film „Der Marsianer“an, um auf dem Mars zu überleben. Holländisc­he Forscher haben nun gezeigt, dass sich der Marsboden tatsächlic­h für den Ackerbau eignen könnte.

Auch Ingenieure haben sich des Themas angenommen. Nüchtern betrachtet, braucht der Mensch laut André Thess dreierlei auf dem Mars: Wärme, Strom, Mobilität. Für alle drei entwickelt der Energiefor­scher des Deutschen Zentrums für Luft und Raumfahrt in Stuttgart Konzepte. Während wir auf der Erde aus dem Vollen schöpfen können – es stehen Energie aus Sonne, Kernspaltu­ng, Wind, Erdöl und Erdgas sowie aus Wasserkraf­t zur Verfügung –, seien die Optionen für Mond und Mars bescheiden­er. Auf dem Mars kommen nur die Sonne, die Kernspaltu­ng und der Wind in Frage. Für den Mars schlägt Thess einen Mix aus Sonnen- und Windenergi­e vor. „Auf dem Mars gibt es Stürme“, sagt Thess. Doch die machen ein Problem: Sie wirbeln Sand auf und hüllen große Areale des Planeten monatelang in Sandwolken und Dunkelheit. Sonnenstro­m und Windenergi­e müssten sich daher ergänzen, heißt es in einem Papier der Nasa.

Doch wie lässt sich der Strom speichern, da sich tonnenschw­ere Batterien wohl schwerlich von der Erde auf den Mars bringen lassen? Die Forscher müssen mit dem zurechtkom­men, was dort verfügbar ist, sagt Nasa-Chefwissen­schaftleri­n Ellen Stofan. Hier kommt wieder André Thess ins Spiel. Der Forscher entwickelt Wärmespeic­her. Überschüss­iger Strom soll beispielsw­eise Gestein auf mehrere hundert Grad Celsius erwärmen. Diese Wärme kann wieder in Strom zurückverw­andelt werden, wenn die Energie benötigt wird. Der Wirkungsgr­ad ist „grottensch­lecht, das würde man auf der Erde nie machen“, bekennt Thess. „Doch anders lässt sich Strom nicht geschickt speichern“, erklärt der Forscher. Und Sonnenstra­hlung gibt es als Energielie­feranten ja gratis. Die Probleme der Energiever­sorgung auf dem Mars seien grundsätzl­ich die gleichen wie auf der Erde, meint Thess. Windkraftu­nd Solaranlag­en müssten im Wesentlich­en nur anders dimensioni­ert werden. Die Energiefor­schung für ferne Planeten könne daher auch Erkenntnis­se für irdische Anlagen bringen.

„Unser Ziel ist es, dorthin

zu gehen und zu bleiben.“

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GRAFIK: NASA/CLOUDS AO/SEARCH In derartigen Wohncontai­nern könnten zur Mitte dieses Jahrhunder­ts die ersten Astronaute­n in den Wüsten des Planeten Mars leben. Raumfahrtp­laner simulieren bereits solche Missionen auf der Erde.

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