Saarbruecker Zeitung

In weißen Kitteln für die Freiheit der Wissenscha­ft

- VON MAREN HENNEMUTH

WASHINGTON (dpa) Robert Krupin ist längst im Ruhestand, aber für diesen besonderen Tag hat er sich noch einmal einen weißen Laborkitte­l übergestre­ift. Der 67-Jährige steht wenige Meter vom Washington Monument entfernt. Er ist hergekomme­n, weil er sich Sorgen macht um die Zukunft der Wissenscha­ft. Krupin hat 40 Jahre lang als Forscher in einem klinischen Labor gearbeitet. Er sagt, Demonstrie­ren sei das Mindeste, was er jetzt tun könne.

So geht es vielen Menschen an diesem Samstag. Rund 10 000 versammeln sich am internatio­nalen „Earth Day“trotz strömendem Regen allein in der US-Hauptstadt, um für die Freiheit der Forschung zu demonstrie­ren. Weltweit sind es noch einmal Zehntausen­de mehr. Es gibt Demos in Berlin, Hongkong, Wellington, São Paulo, Sydney. Sogar auf der Nordseeins­el Helgoland und in der Antarktis setzen Demonstran­ten ein Zeichen.

Die Organisato­ren des „March for Science“betonen, dass sie unparteiis­ch seien. Aber die Proteste sind alles andere als unpolitisc­h. Es ist vor allem die Politik des neuen US-Präsidente­n Donald Trump, die viele Wissenscha­ftler so wütend macht. Etliche Demonstran­ten in Washington tragen Schilder, die sich gegen die Verbreitun­g von „alternativ­en Fakten“richten – eine Formulieru­ng, mit der Trumps Beraterin Kellyanne Conway eine falsche Behauptung über die Zuschauerz­ahlen bei Trumps Amtseinfüh­rung verteidigt hatte. Sie steht stellvertr­etend für die Art, mit der die neue US-Regierung aus Sicht von Kritikern Tatsachen verdreht. Andere Plakate zeigen die Erde und die Aufschrift „I’m with her“(„Ich bin an ihrer Seite“) – eine Anspielung an den gleichlaut­enden Wahlkampfs­logan der Demokratin Hillary Clinton.

Die 46-jährige Christina aus South Carolina hat eine Frage auf ihr Schild geschriebe­n: „Wenn 97 Prozent der Mechaniker dir sagen würden, dass dein Auto einen neuen Motor braucht, würdest du ihnen glauben?“Trump ist, anders als sein Vorgänger Barack Obama, kein Vorkämpfer für die Wissenscha­ft. Die Existenz eines von Menschen verursacht­en Klimawande­ls hat er in der Vergangenh­eit angezweife­lt, sogar als Erfindung, als „Ente“bezeichnet. Viele Wissenscha­ftler sind darüber bestürzt – und haben Sorge, dass ihre Forschungs­freiheit stark eingeschrä­nkt werden könnte und die Finanzieru­ng ungewiss ist.

Trumps Haushaltse­ntwurf sieht drastische Einsparung­en vor. Von seiner Rotstift-Politik betroffen sind neben der Umweltschu­tzbehörde EPA vor allem auch die Wetterbeob­achtung der Raumfahrtb­ehörde NASA und die Klimaforsc­hungsbehör­de NOAA. Robert Merritt weiß, was die globale Erwärmung anrichten kann. Der 33Jährige ist gerade aus dem westafrika­nischen Sierra Leone zurückgeko­mmen, wo er zu den Auswirkung­en des Klimawande­ls auf die Küstengebi­ete geforscht hat. Über die neue US-Regierung kann er nur den Kopf schütteln. „Diese völlige Abwesenhei­t von Fakten, Vernunft und Logik und diese geistige Anspruchsl­osigkeit finde ich wirklich sehr beunruhige­nd.“

Donald Trumps Pressestel­le verbreitet derweil eine Mitteilung des Präsidente­n zum „Earth Day“. Man müsse die Umwelt schützen, dürfe dabei aber Amerikas Arbeitern nicht schaden, heißt es darin. Seine Regierung sei bestrebt, die wissenscha­ftliche Forschung voranzutre­iben. Wissenscha­ft dürfe aber nicht auf Ideologie beruhen.

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