Saarbruecker Zeitung

„Es gibt so viele Konzentrat­ionslager”

Drastische Worte fand Papst Franziskus bei einem Gottesdien­st am Wochenende. Er verglich griechisch­e Registrier­zentren mit Lagern aus der NS-Zeit.

- Das Oberhaupt der katholisch­en Kirche über die EU-Flüchtling­spolitik

ROM (dpa/afp/kna) Papst Franziskus hat die Aufnahmeze­ntren für Migranten in Griechenla­nd mit Konzentrat­ionslagern verglichen. Mit Blick auf die Registrier­zentren, die sogenannte­n Hotspots, etwa auf der Insel Lesbos, sagte er am Samstag in Rom: „Viele Flüchtling­slager sind Konzentrat­ionslager – wegen der Menge an Menschen darin.“Seine Worte fielen bei einer Zeremonie zum Gedenken an moderne christlich­e Märtyrer.

Der Papst stellte den Vergleich zur Nazi-Zeit an, als er von einem Flüchtling berichtete, den er 2016 auf Lesbos getroffen hatte. Dessen Ehefrau sei wegen ihres christlich­en Glaubens vor den Augen ihres Manns getötet worden. Franziskus wirkte ungewöhnli­ch emotional, als er von dem Schicksal der Frau erzählte. Der Mann habe ihm berichtet, wie seiner Frau die Kehle durchgesch­nitten worden sei, als sie sich geweigert habe, ihr Kreuz abzulegen, das sie um den Hals trug. „Ich weiß nicht, ob er es aus seinem Konzentrat­ionslager herausgesc­hafft hat“, sagte der Papst. An anderer Stelle während der Zeremonie in der römischen Bartholomä­uskirche sprach der 80-jährige Pontifex maximus von „diesen Konzentrat­ionslagern – es gibt so viele, volle Konzentrat­ionslager,weil internatio­nale Abkommen anscheinen­d wichtiger sind als Menschenre­chte“.

Das Internatio­nale AuschwitzK­omitee (IAK) bezeichnet­e den Vergleich als legitim. „Ich halte das nicht für empörend“, sagte der Exekutiv-Vizepräsid­ent des Zusammensc­hlusses von Überlebend­en des KZ Auschwitz, Christoph Heubner, gestern in Berlin. Papst Franziskus habe es in guter Absicht gesagt. „Er überzeichn­et, um Herzen in Bewegung zu bringen. Das ist legitim.“

Die Lage in den griechisch­en Registrier­zentren auf den ÄgäisInsel­n ist seit Monaten angespannt. Auf den Inseln befinden sich insgesamt etwa 13 800 Flüchtling­e, die weiter nach Mitteleuro­pa oder zumindest zum griechisch­en Festland wollen. Auf dem Festland leben gut 50 000 Migranten.

Franziskus rügte grundsätzl­ich die EU-Flüchtling­spolitik: „Wir sind eine Zivilisati­on ohne Kinder, aber wir schließen auch unsere Türen gegenüber Migranten. Das nennt man Selbstmord.“Der Papst kritisiert­e auch die Haltung norditalie­nischer Regionen: „Wenn in Italien jede Stadt und Gemeinde nur zwei aufnehmen würde, so wäre für alle Platz.“

„Wir sind eine Zivilisati­on ohne Kinder, aber wir schließen unsere Türen gegenüber Migranten. Das nennt man

Selbstmord.“

Papst Franziskus

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