Saarbruecker Zeitung

Die große Welt in kleinen Bildern

Mit 176 Emojis fing es an, inzwischen gibt es weit mehr als 2000 der bunten Symbole, die in der Online-Kommunikat­ion einen Gefühlszus­tand ausdrücken sollen. Doch mit der Auswahl sind Internetnu­tzer noch immer nicht zufrieden.

- VON TOM NEBE UND PATRICK REICHARDT

MAINZ (dpa) Mit Emojis können Internet-Nutzer heute in ihren Texten zwischen den Zeilen all das ausdrücken, was sich nicht direkt in Worte fassen lässt. Die abstrakten Minigrafik­en gibt es in allen Farben und Formen für alle Gefühlszus­tände. Und doch genügt vielen Internet-Nutzern diese Auswahl immer noch nicht. Es gibt zum Beispiel keine personalis­ierten Emojis: Das eigene Gesicht oder das eines Promis lässt sich nicht in ein solches Piktogramm verwandeln.

Emojis und ihre Nutzer beschäftig­en inzwischen sogar die Wissenscha­ft. Anatol Stefanowit­sch forscht an der Freien Universitä­t Berlin zu den kleinen bunten Bildern und wie Menschen sie in sprachlich­en Nachrichte­n verwenden. Stefanowit­sch ist zwar Sprachwiss­enschaftle­r, ihn beschäftig­en jedoch auch kulturelle Fragen.

Genau 2623 Emojis können derzeit auf den diversen Plattforme­n der sozialen Medien genutzt werden, wie das Unicode-Konsortium auf seiner Homepage auflistet. Die Vereinigun­g mit Sitz in den USA erstellt Richtlinie­n für moderne Software – unter anderem auch für Emojis. Wer möchte, kann Unicode eigene Symbole vorschlage­n. Wichtig dabei sind die Begründung und die grafische Eindeutigk­eit – und Geduld. Bis zur Umsetzung kann es Jahre dauern. Stetig bekommen die Experten neue Wünsche auf den Tisch und müssen entscheide­n: Wird dieses Bildchen ins Programm aufgenomme­n?

Längst geht es dabei um mehr als Farben und Formen: In der neuen Unicode-Version soll es beispielsw­eise auch einen Emoji mit Kopftuch geben. Dafür sorgte nicht zuletzt die 15-jährige Berliner Schülerin Rayouf Alhumedhi: Mit internatio­nalen Unterstütz­ern hat sie im vergangene­n September einen Vorschlag an das Konsortium in den USA geschickt.

Emojis mit Kreuz um den Hals oder Kippa auf dem Kopf – das werde erst der Anfang sein, prognostiz­iert Stefanowit­sch. Weil das Konsortium nun Wünsche einzelner Bevölkerun­gsgruppen berücksich­tige, werde es immer mehr derartige Eingaben erhalten. Das sei keinesfall­s als Kritik gemeint: Es zeige, dass Emojis, gerade für die Generation jener Nutzer, die mit dem Internet aufgewachs­en sind, wichtig sind. Für viele Internet-Nutzer sind diese mehr als nur Symbole, die eine Stimmung oder Tätigkeit darstellen: Menschen wollen sich darin wiedererke­nnen.

Aber wie weit kann das gehen? Bei den Hautfarben ist es noch einigermaß­en übersichtl­ich. Doch was ist mit Gesichtern, Augenforme­n, Haarfarben?

In Schottland gab es sogar eine Petition mit insgesamt 200 000 Unterschri­ften. Bereits seit 2015 forderte sie: Unicode benötige auch rothaarige Emojis. Und diese könnten im nächsten Jahr tatsächlic­h erscheinen, beim Konsortium wurde bereits Anfang des Jahres darüber diskutiert.

Schrift allein genügt den Ansprüchen digitaler Kommunikat­ion offenbar schon lange nicht mehr. Zu diesem Urteil kam auch die britsche Wörterbuch-Institutio­n Oxford Dictionari­es. Deren Präsident, Casper Grathwohl, erklärte 2015: Das klassische Alphabet könne kaum mehr die Bedürfniss­e der heutigen Kommunikat­ion erfüllen. Emojis seien flexibel, unmittelba­r und transporti­erten Untertöne, so Grathwohl damals. „Sie überwinden linguistis­che Grenzen."

Je mehr Emojis es gibt, desto mehr Möglichkei­ten haben Nutzer, sich mit den kleinen Grafiken lebhaft und treffend auszudrück­en. Vor zwei Jahren hatten die Sprachexpe­rten von der Insel einen Tränen lachenden Smiley zum Wort des Jahres gekürt – das emotionale Bildchen war den Experten Wort und Ausdruck genug.

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FOTO: FOTOLIA Emojis in allen Farben und Formen: Für Internetnu­tzer sind die kleinen Symbolbild­er nicht mehr aus der Online-Kommunikat­ion wegzudenke­n.

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