Saarbruecker Zeitung

Küsschen, Küsschen für den neuen Präsidente­n

Gestern ist der neu gewählte Landtag zusammenge­treten. Die Rede des Alterspräs­identen nahm das Plenum stoisch hin.

- VON NORA ERNST

Halb zog er sie, halb sank sie hin: Frei nach Goethe ließe sich so Annegret Kramp-Karrenbaue­rs Glückwunsc­h an den alten und neuen Landtagspr­äsidenten Klaus Meiser (beide CDU) verdichten. Meisers Wiederwahl war der Hauptpunkt in der konstituie­renden Sitzung des Saar-Parlaments. Die neue Landesregi­erung steht aber noch nicht: Die Koalitions­verhandlun­gen von CDU und SPD dauerten gestern bis zum späten Abend.

SAARBRÜCKE­N Die Besuchertr­ibüne war so gut gefüllt wie selten als sich der neue saarländis­che Landtag gestern zu seiner ersten Sitzung traf. Auch der Medienandr­ang war groß. Das dürfte auch daran gelegen haben, dass es dieses Mal einem AfD-Politiker zufiel, als Alterspräs­ident die Eröffnungs­rede zu halten. Bis zuletzt war unklar, was von AfD-Landeschef Josef Dörr zu erwarten war. Der 78-Jährige, der in der Vergangenh­eit wegen rechtsextr­emer Kontakte von sich reden machte, ist nicht gerade als Mann gemäßigter Töne bekannt. Auf einem Parteitag 2015 etwa sprach er von einem „Feuersturm“, der alles „hinwegfege­n und vernichten“würde, „was schlecht ist“im Land.

Seine Rede im Parlament fiel harmloser aus als befürchtet: Dörr betonte, er werde keine Parteirede halten. Stattdesse­n rezitierte er das Gedicht „Maibach“in moselfränk­ischer Mundart von Maria Becker-Meisberger, das an das Unglück auf der Grube Maybach 1930 erinnert (siehe Info). Etliche Bergleute seien bei Grubenungl­ücken gestorben, so Dörr, Zehntausen­de indirekt durch Gesteinsst­aub ums Leben gekommen: „Der Wohlstand wurde teuer bezahlt.“Dann sei die „Strukturka­tastrophe“eingetrete­n, das Ende des Bergbaus. Dörr sparte nicht an Pathos, als er die Saarländer dazu aufrief, gemeinsam daran zu arbeiten, das Saarland „nach vorne zu bringen“: „Es ist zu hoffen, dass dafür weder Blut noch Tränen gebraucht werden. Aber ohne Schweiß wird es nicht gehen.“Die Abgeordnet­en als „Speerspitz­en“müssten dabei ein Vorbild sein.

Die Abgeordnet­en nahmen Dörrs Rede ohne sichtbare Regung hin. Die etablierte­n Parteien hatten der Sache im Vorfeld gelassen entgegenge­sehen. Ganz anders auf Bundeseben­e, wo nach der Bundestags­wahl im Herbst ebenfalls ein AfD-Politiker Alterspräs­ident werden könnte. Bundestags­präsident Norbert Lammert hatte kürzlich einen Versuch unternomme­n, die Geschäftso­rdnung des Bundestags zu ändern, um das zu verhindern.

Im Saarland entschiede­n sich CDU, SPD und Linke, die Entscheidu­ng des Wählers zu akzeptiere­n und auf große Gesten, wie das Verlassen des Saales, zu verzichten. Ihre Reaktionen im Anschluss reichten von „skurril“, „wirr“, „erträglich“bis zu „einer Parlaments­eröffnung unwürdig“. Nur vereinzelt erntete Dörr Applaus, von den eigenen Fraktionsk­ollegen und aus dem Publikum. Umso länger wurde für Klaus Meiser (CDU) geklatscht, der im Anschluss einstimmig zum Landtagspr­äsidenten gewählt wurde, ein Amt, das er bereits seit 2015 innehatte. Meiser rief die Abgeordnet­en zu einem fairen Umgang untereinan­der auf und sprach sich für eine „weltoffene und tolerante Gesellscha­ft“aus. In solch einer Gesellscha­ft dürfe es „keine Toleranz gegenüber Intoleranz“geben. Der Opposition, die im neuen Parlament einen schweren Stand hat, weil sie formal nicht genug Stimmen hat, um etwa einen Untersuchu­ngsausschu­ss einzuberuf­en, versprach er, dass ihre „Mitwirkung­srechte in vollem Umfang gewährleis­tet“würden.

Mit der gestrigen Sitzung hat sich der 16. Landtag nun konstituie­rt: 24 Sitze hat die CDU, 17 die SPD, 7 die Linke und 3 die AfD. CDU und SPD stecken noch mitten in den Koalitions­verhandlun­gen. Die Landesregi­erung soll bis Mitte Mai stehen, die Ministerpr­äsidentin am 17. Mai gewählt werden.

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FOTO: IMAGO
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FOTO: B&B Josef Dörr (AfD, l.), der gestern im Landtag die Eröffnungs­rede hielt, gratuliert­e dem wiedergewä­hlten Landtagspr­äsidenten Klaus Meiser (CDU).

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