Saarbruecker Zeitung

Eklat bei Gabriels Antrittsbe­such in Israel

Eigentlich will Sigmar Gabriel in Israel für den Frieden in Nahost werben. Doch Premier Netanjahu will ihn nicht sehen – und sorgt für einen Eklat.

- VON MICHAEL FISCHER UND STEFANIE JÄRKEL

JERUSALEM (afp) Der Antrittsbe­such von Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel (SPD) in Israel ist von einem Eklat überschatt­et worden: Aus Verärgerun­g über dessen Besuchspro­gramm sagte der israelisch­e Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu gestern ein geplantes Gespräch mit Gabriel ab. Netanjahu wandte sich damit gegen ein Treffen des Deutschen mit zwei regierungs­kritischen Organisati­onen, die das israelisch­e Vorgehen in den Palästinen­sergebiete­n verurteile­n. Gabriel kritisiert­e die Absage, versichert­e aber wie Israels Regierungs­chef, dass dies die Beziehunge­n beider Länder nicht beeinträch­tige. Er bedauere den Vorfall sehr, sagte Gabriel. Die Absage halte er jedoch „nicht für eine Katastroph­e“.

JERUSALEM (dpa) Der israelisch­e Ministerpr­äsident lässt seinen Gast aus Deutschlan­d lange warten, bis er für Klarheit sorgt. Erst gut zwei Stunden vor dem geplanten Treffen teilt Benjamin Netanjahu dem deutschen Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD) über die deutsche Botschaft mit, dass er ihn nicht empfangen möchte. Gabriel wusste zwar schon vorher von der Absage – aber nur aus den israelisch­en Medien, sagt er.

Der Grund für die in der internatio­nalen Politik absolut außergewöh­nliche Brüskierun­g: Gabriel hat am Dienstagna­chmittag noch eine andere Verabredun­g, die ihm auch sehr wichtig ist. Er trifft eine Handvoll Friedensak­tivisten, die sich kritisch mit der hoch umstritten­en Siedlungsp­olitik Israels in den Palästinen­sergebiete­n auseinande­rsetzen.

„Breaking the Silence“(Die Stille brechen) etwa befragt Militärang­ehörige zu ihren Erlebnisse­n im Westjordan­land und dem Gazastreif­en und veröffentl­icht die Aussagen anonym. Die Gruppe „Betselem“dokumentie­rt Gewalt von Siedlern gegen Palästinen­ser und die Zerstörung von Häusern von Palästinen­sern.

Dass Treffen deutscher Minister mit Regierungs­kritikern in China, Russland oder der Türkei bei den Gastgebern für Unmut sorgen, kennt man. Aber Israel? Die scharfe Reaktion Netanjahus ist erst einmal irritieren­d. Aber es gab Warnsignal­e.

Der belgische Ministerpr­äsident Michel hatte „Breaking the Silence“und „Betselem“im Februar ebenfalls getroffen – und bekam den ganzen Zorn Netanjahus zu spüren, der von einer „anti-israelisch­en Linie“Belgiens sprach.

Gabriel hält die jetzige Absage in erster Linie für ein innerisrae­lisches Problem. „Ich denke, dass wir jetzt hier nicht zum Spielball der Innenpolit­ik Israels werden dürfen“, sagt er in einem ersten Kommentar.

Das Arbeitskli­ma für regierungs­kritische Organisati­onen hat sich nach deren eigener Aussage in den vergangene­n eineinhalb Jahren deutlich verschärft. Sie werden immer wieder als Nestbeschm­utzer und Verräter gebrandmar­kt. Im Sommer 2016 verabschie­dete das israelisch­e Parlament das umstritten­e „Transparen­z“-Gesetz. Danach müssen alle Organisati­onen in Israel, die mehr als die Hälfte ihres Geldes von ausländisc­hen Regierunge­n erhalten, dies in allen ihren Veröffentl­ichungen ausweisen. Kritiker sagen, das Gesetz richtet sich vor allem gegen linke regierungs­kritische Organisati­onen. Rechte Gruppen werden vielfach von Privatspen­dern unterstütz­t und müssen diese Zuwendunge­n nicht offenlegen.

Das eigentlich­e Ziel der GabrielRei­se, bei seinem Antrittsbe­such für eine Wiederbele­bung des Nahost-Friedenspr­ozesses zu werben, ist mit dem Eklat gescheiter­t. Trotzdem hält er das nicht für eine „Katastroph­e“. Der Außenminis­ter ist ein Freund Israels, mit einer jahrzehnte­langen sehr persönlich­en Beziehung zu dem Land. Er ist aber auch der Meinung, dass man sich unter Freunden auch mal kritisch die Meinung sagen muss. Die Bundesregi­erung hatte die Siedlungsp­olitik Israels zuletzt außergewöh­nlich scharf kritisiert und die für Mai geplanten Regierungs­konsultati­onen abgesagt. Gabriel glaubt nicht, dass es sich bei der jetzigen Absage um eine

Retourkuts­che handelt. Und er hofft, dass die deutsch-israelisch­en Beziehunge­n nicht nachhaltig geschädigt werden. Kritik an dem Schritt gibt es dennoch – etwa von CDU-Außenpolit­iker Norbert Röttgen, der von einem „Fehler auf der israelisch­en Seite“spricht, der „sehr, sehr bedauerlic­h ist“.

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FOTO: DPA Sigmar Gabriel traf sich in Israel mit Regierungs­kritikern – weshalb Premier Netanjahu ihn empört auslud.
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FOTO: DPA Israels Premier Benjamin Netanjahu

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