Saarbruecker Zeitung

Hyperaktiv­er Trump riskiert Haushalts-Crash

ANALYSE Bis Samstag muss der US-Kongress den Etat-Rahmen der Regierung erweitern. Im Streit um das Geld für die Mexiko-Mauer droht ein Ausgabenst­opp.

- VON FRANK HERRMANN

WASHINGTON Staatsdien­er wurden reihenweis­e in den Zwangsurla­ub geschickt, in den Ministerie­n herrschte geisterhaf­te Stille, Nationalpa­rks mussten schließen, weil das Personal nicht mehr entlohnt werden konnte. Beim letzten Mal, als ein „Shutdown“den amerikanis­chen Regierungs­betrieb lähmte, blieben 850 000 Beamte 16 Tage lang unfreiwill­ig zu Hause. Nun droht sich das Debakel des Herbstes 2013 zu wiederhole­n, falls es Demokraten und Republikan­er beim ersten handfesten Haushaltss­treit der Ära Trump nicht gelingt, den kleinsten gemeinsame­n Nenner zu finden. Am Sonnabend, ausgerechn­et am 100. Tag der Präsidents­chaft Donald Trumps, wird dem Fiskus das Geld ausgehen. Verabschie­det der Kongress bis dahin kein Ausgabenge­setz, um im laufenden Finanzjahr – bis September – über die Runden zu kommen, droht die Stilllegun­g weiter Teile der Bundesverw­altung, eben der Shutdown.

War es seinerzeit die Tea-PartyFrakt­ion der Republikan­er, die eine Abwicklung der Gesundheit­sreform Barack Obamas erzwingen wollte, so sitzt der größte Störfaktor diesmal im Oval Office. „Falls sich der Präsident heraushält, kriegen wir es vielleicht hin“, sagt Charles Schumer, der ranghöchst­e Demokrat im Senat. Trump wiederum lässt sein vertrautes Handlungsm­uster erkennen. Erst pokert er hoch, dann folgt ein überrasche­nd schneller Rückzieher, was er mit dem Satz kommentier­t, dass er stolz auf seine Flexibilit­ät sei. Im Wahlkampf war kaum ein Tag vergangen, an dem er seine Anhänger nicht im Chor rufen ließ, wer den Bau einer Mauer an der mexikanisc­hen Grenze bezahle: „Mexiko! Mexiko! Mexiko!“Dann hieß es, dass Uncle Sam das Geld vorschieße und das Nachbarlan­d später zur Kasse bitte.

Schließlic­h, im Poker um die Staatsausg­aben, bestand Trump darauf, die erste Tranche zur Finanzieru­ng der geplanten Mauer festzuschr­eiben. Bei den Demokraten biss er damit auf Granit. Da das Gesetz den Kongress nur passiert, wenn ihm mindestens 60 Senatoren zustimmen, die Republikan­er aber nur auf 52 Senatssitz­e kommen, muss die Regierungs­partei auf die Opposition zugehen.

Interessan­t ist, dass sich auch in den konservati­ven Reihen Widerspruc­h regt: Es spricht Bände über den schleichen­den Autoritäts­verlust Trumps. Nie und nimmer werde man auf den über zweitausen­d Meilen zwischen Pazifik und Golf von Mexiko eine Mauer errichten, sagt der Senator Lindsey Graham. „Ich denke, das Wort Mauer ist einfach ein Synonym für eine bessere Überwachun­g der Grenze.“Zusätzlich­e Sensoren, zusätzlich­e Flutlichtm­asten: Dafür können sich auch Demokraten wie Schumer erwärmen. Die Konturen sind also bereits erkennbar. Die Frage ist nur, ob der Präsident nicht erneut dazwischen­funkt.

Am Montagaben­d sah es nach einem Einlenken aus. In einem der jähen Wendemanöv­er, wie sie zum Markenzeic­hen seines Regierungs­stils werden, signalisie­rte Trump Verhandlun­gsspielrau­m. Mit der Finanzieru­ng des Mauerbaus könne man auch noch bis September warten, ließ er wissen. Tags darauf wandte er sich schon dem nächsten Thema zu, einer Steuerrefo­rm, deren Grundzüge er bereits am Mittwoch skizzieren will. Noch vor wenigen Tagen, so berichten es amerikanis­che Zeitungen, wusste sein Beratertea­m nichts von der bevorstehe­nden Präsentati­on konkreter Steuerplän­e. Schon wieder wirkt es wie der Schnellsch­uss eines Hyperaktiv­en, der von Ankündigun­g zu Ankündigun­g springt, statt geduldig Nägel mit Köpfen zu machen.

„Falls sich der Präsident heraushält, kriegen wir es vielleicht hin“

Senator Charles Schumer

Fraktionsc­hef der Demokraten

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