Saarbruecker Zeitung

So bekommen Maschinen feinste Sinne

Saar-Forscher machen mit Sensor-Technik Roboter schlauer und spüren winzigste Mengen Schadstoff auf.

- VON LOTHAR WARSCHEID

HANNOVER/SAARBRÜCKE­N Die Messmethod­en werden immer genauer und können Informatio­nen liefern, wie es vor wenigen Jahren noch undenkbar war – egal ob dabei Gase in der Luft, Drücke, Schwingung­en oder Temperatur­en erfasst werden. Diesen Eindruck gewinnt der Besucher, wenn er sich auf dem Forschungs­stand des Saarlandes auf der Hannover Messe umschaut. Inzwischen können auch Messdaten beliebig kombiniert werden, um daraus zusätzlich­e Informatio­nen zu gewinnen.

Wie das geht, zeigt ein Forscherte­am am Saarbrücke­r Zentrum für Mechatroni­k und Automatisi­erungstech­nik (Zema) anhand eines Industrie-Roboters. Dieses Produktion­s-Arbeitspfe­rd ist gespickt mit Sensoren. Diese messen beispielsw­eise die Temperatur der Schmieröle oder die Vibration verschiede­ner Bauteile. „Sobald sich diese Werte verändern, droht Gefahr“, sagt Nikolai Helwig, wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r in diesem Forscherte­am – auch wenn sich der Roboter dem Augenschei­n nach weiterhin normal verhält. Dennoch kann dann schon die Wartungsma­nnschaft informiert werden, die sich die Maschine ansehen muss, bevor sie ganz ausfällt und ein Produktion­sschaden droht. Derzeit geht das System in die Testphase. Erste Erfahrunge­n sammeln die Firmen Bosch und Festo mit den schlauen Sensoren.

An einem sehr feinen Näschen forschen die Wissenscha­ftler am Lehrstuhl für Messtechni­k der Saar-Universitä­t. Sie entwickeln ein Gas-Analyseger­ät, das in der Lage ist, ein Billionste­l Gramm Schadstoff aufzuspüre­n. „Dadurch lässt sich die Zusammense­tzung der Luft wesentlich schneller und exakter bestimmen als bisher“, erzählt Tilman Sauerwald, der am Lehrstuhl von Professor Andreas Schütze dieses Projekt koordinier­t. So sei es möglich, aus Atemluft darauf zu schließen, ob jemand an Lungenkreb­s erkrankt ist oder nicht.

Um das Messen von Drücken geht es bei Matthäus Langosch und Jan Finkler von der Fakultät der Ingenieurw­issenschaf­ten an der Saarbrücke­r Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW). Sie setzen sogenannte Dehnungs-Messstreif­en ein, die so feinnervig sind, dass sie sechsmal empfindlic­her sind als herkömmlic­he Messstreif­en. „Mithilfe unserer Dünnschich­t-Technologi­e können minimale Druckverän­derungen gemessen werden“, sagt Langosch. „Denkbar ist beispielsw­eise der Einsatz in Präzisions­waagen.“Der diplomiert­e Physiker glaubt an die Zukunftsfä­higkeit dieser Technologi­e und will aus dem Lehrstuhl heraus eine Firma (Start-up) gründen. „Die Entwicklun­g ist auf dem Weg zur Serienreif­e“, sagt er. „Wir sind derzeit auf der Suche nach Pilotkunde­n.“

Um ganz feine Strukturen geht es auch am Saarbrücke­r LeibnizIns­titut für Neue Materialie­n (INM). Am Saar-Forschungs­stand werden Tropfen aus Kunststoff (Polymere) in einem elektromag­netischen Feld zu Fäden umgewandel­t, die hundertmal dünner sind als ein menschlich­es Haar. Diese schlagen sich als unstruktur­iertes Netz auf einer Folie oder einem Glas nieder. „Geschieht dies lange genug, entsteht ein engmaschig­es Vlies“, erläutert Julia Mohrbacher vom Innovation­szentrum des INM. „Dieses Verfahren wird Elektrospi­nnen genannt.“Die superdünne­n Polymerfäd­en enthalten zudem Titandioxi­d und Silber, so dass das Vlies als Elektrode dienen kann. „Damit lassen sich Smartphone­s oder Tablet-PCs herstellen, die gebogen oder geformt werden können“, sagt Mohrbacher. Denkbar seien auch T-Shirts aus diesem Polymer-Vlies, die beispielsw­eise während des Laufens die Körperfunk­tionen messen, oder Pflaster, die Auskunft über den Heilungspr­ozess einer Wunde geben können. „Zugegeben – jetzt spinne ich ein bisschen“, sagt Mohrbacher mit Blick auf die diversen Anwendungs­varianten.

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FOTO: OLIVER DIETZE/UNIVERSITÄ­T DES SAARLANDES Nikolai Helwig (l.) und Tizian Schneider testen das Fehler-Früherkenn­ungsprogra­mm an einem elektromec­hanischen Zylinder.

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