Saarbruecker Zeitung

Alte Bausünde kostet Saarbrücke­r heute viel Geld

Auf dem Eschberg fließt Abwasser aus einigen Häusern in Regenwasse­rrohre – Eigentümer sind in der Pflicht.

- VON JÖRG LASKOWSKI

SAARBRÜCKE­N Die Unterwelt hat’s in sich, sie steckt voller Überraschu­ngen. Meist sind sie unangenehm. Das gilt bekannterm­aßen für die Mafia – aber mehr noch für die Kanalisati­on. Gerade in Saarbrücke­n. So mancher Mist, den unsere Altvordere­n dort gebaut haben, drängt heute vehement ans Tageslicht. Und bezahlen müssen wir.

Neuestes Beispiel ist die Fahndung nach den Ursachen für die Umweltkata­strophe vom August 2016 im Kobenhütte­r Weiher auf dem Eschberg. Dort starben zwar „nur“Fische, die niemandem gehörten – aber der Weiher stank monatelang meilenweit zum Erbarmen.

Offizielle Erklärung damals: Den Fischen war die Luft weggeblieb­en. Im Weiher herrschte Sauerstoff­mangel, weil es erstens wochenlang heiß gewesen war, weil zweitens zu viel Laub im Wasser verrottete und dabei Sauerstoff verbraucht­e – und weil drittens Abwasser von Eschberger Häusern in den Weiher floss.

Ursache drei überrascht­e. Denn der Weiher ist ja eigentlich nicht ans Abwasserne­tz angeschlos­sen, sondern an die Regenwasse­rkanäle. Abwasser im Weiher bedeutete also: Die Abwasserle­itungen einiger Häuser auf dem Eschberg münden nicht ins Abwasserne­tz, sondern in die Regenwasse­rkanäle. Eine folgenschw­ere Bausünde, die rund 50 Jahre keiner bemerkt hatte. Erst die Hitze von 2016 brachte es an den Tag. Obwohl der ZKE regelmäßig prüft, was an den „Einleitste­llen“für Regenwasse­r in unsere Teiche und Bäche fließt. Die letzte Untersuchu­ng am Kobenhütte­r Weiher vor der Katastroph­e war im November 2015.

Nach dem Fischsterb­en startete der ZKE sofort die Suche nach Häusern mit falsch angeschlos­senen Kanälen. Bereits Ende September waren sechs „größere Wohnobjekt­e“gefunden. Damals erklärte der ZKE auf SZ-Anfrage, „strafrecht­liches Verhalten oder Ordnungswi­drigkeiten“habe er nicht festgestel­lt.

Insgesamt rund 600 Häuser muss der ZKE auf dem Eschberg prüfen, rund 400 hat er inzwischen geschafft, 19 davon waren falsch angeschlos­sen. Bei vier Häusern ist das bereits korrigiert.

Alle betroffene­n Eigentümer erhalten einen Brief vom ZKE. Der fordert sie dazu auf, sich eine Baugenehmi­gung, also auch einen Bauleiter, zu besorgen und dann ihre Kanäle innerhalb von drei Monaten korrekt anschließe­n zu lassen. Außerdem informiert der ZKE die Hauseigent­ümer darüber, dass sie – falls sie die Sache schleifen lassen – u.U. mit bis zu fünf Jahren Gefängnis oder einer Geldstrafe belangt werden könnten (vgl. Info-Kasten).

Jetzt hat der ZKE erstmals ein Antwortsch­reiben bekommen. Darin erhebt Gerhard Blumenröth­er, der Eigentümer eines Einfamilie­nhauses, Einspruch gegen den ZKE-Bescheid. Begründung: Er habe sein Haus 1965 gekauft, direkt vom Bauherrn – das war die Saarbrücke­r Gemeinnütz­ige Siedlungsg­esellschaf­t (SGS), die bis heute zu 100 Prozent der Stadt gehört.

Vor rund 50 Jahren – berichtet Blumenröth­er – habe die Stadt schon einmal die Kanalansch­lüsse seines Hauses und die seiner Nachbarn kontrollie­rt. Allerdings habe er nie erfahren, was dabei herauskam. Und da er „50 Jahre“nichts mehr darüber gehört habe, sei er davon ausgegange­n, dass seine Anschlüsse korrekt sind. Eine Nachbarin bestätigt das.

Wenn der ZKE jetzt aber das Gegenteil festgestel­lt habe – so folgert Blumenröth­er – dann müsse das wohl auch schon vor 50 Jahren entdeckt worden sein. Und deshalb fragt Blumenröth­er: „Warum wurde dann nicht die Siedlungsg­esellschaf­t zur Behebung der Falschansc­hlüsse aufgeforde­rt? Wurde die Angelegenh­eit vielleicht als innerstädt­isches Problem unter den Teppich gekehrt?“Dann allerdings – meint Blumenröth­er – sollte der ZKE besser die Verantwort­lichen von damals mit fünf Jahren Gefängnis und Geldstrafe bedrohen.

Die SGS versichert, sie habe keine Unterlagen mehr über den Bau der Einfamilie­nhäuser und wisse nichts von einer Prüfung der Kanalansch­lüsse kurz nach dem Verkauf. Auch beim ZKE ist darüber nichts bekannt.

Normalerwe­ise ist es der Bauleiter, der dafür sorgen muss, dass die Abwasserro­hre korrekt angeschlos­sen werden. Er haftet gegenüber dem Bauherrn und hat dafür eine spezielle Versicheru­ng.

Die SGS geht davon aus, dass alle Regressans­prüche ihrer Käufer aus den 60er Jahren bereits seit Jahrzehnte­n verjährt sind – genau wie alle Ansprüche der SGS gegen ihren damaligen Bauleiter.

Der Name dieses längst verstorben­en Architekte­n steht in den Unterlagen der Unteren Bauaufsich­t in der Gerberstra­ße.

„Wurde die Angelegenh­eit vielleicht unter den Teppich gekehrt?“Gerhard Blumenröth­er Bewohner des Eschberges

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SZ-ARCHIVFOTO: BECKER&BREDEL Eine trübe, stinkende Kloake war der Kobenhütte­r Weiher im Herbst 2016.

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