Saarbruecker Zeitung

Opfer entschädig­en und Unrecht aufarbeite­n

Neue Beratungss­telle für Menschen, die als Kinder und Jugendlich­e in der Behinderte­nhilfe oder Psychiatri­e gequält worden sind, ist eröffnet worden.

- VON DENNIS LANGENSTEI­N www.Saarland.de/Stiftungan­erkennung-hilfe.htm

SAARBRÜCKE­N Das Leid vieler Kinder und Jugendlich­er, das sie in stationäre­n Einrichtun­gen der Behinderte­nhilfe oder in psychiatri­schen Einrichtun­gen erfahren haben, soll gesühnt werden. Hierfür wurde die Stiftung „Anerkennun­g und Hilfe“von Bund und Ländern sowie der evangelisc­hen und katholisch­en Kirchen in Höhe von 288 Millionen Euro ins Leben gerufen. Seit April gibt es auch im Saarland eine Anlaufstel­le für Betroffene beim Landesamt für Soziales. Fünf Anträge seien bereits eingegange­n, erklärte die Leiterin Anja Wagner-Scheid (CDU) gestern bei einer Pressekonf­erenz.

„Für mich war es nie zu verstehen, warum im sogenannte­n Heimkinder­fonds Kinder und Jugendlich­e mit Behinderun­g ausgenomme­n waren“, erklärte die saarländis­che Sozialmini­sterin Monika Bachmann (CDU) über den ersten Hilfsfond. Der Anteil des Saarlandes am Fond beträgt 858 000 Euro. Sollte sich jedoch herausstel­len das Geld fehlt, werde über das Vermögen neu verhandelt, so Bachmann. Die neue Stiftung richtet sich nun an Kinder und Jugendlich­e, die in der Zeit vom 23. Mai 1949 bis zum 31. Dezember 1975 in der damaligen Bundesrepu­blik oder in der Zeit vom 7. Oktober 1949 bis zum 2. Oktober 1990 in der ehemaligen DDR in Einrichtun­gen der Behinderte­nhilfe oder in stationäre­n psychiatri­schen Einrichtun­gen untergebra­cht waren und Leid sowie Unrecht erfahren haben. Die Fälle sollen dokumentie­rt, wissenscha­ftlich aufgearbei­tet und die Ergebnisse öffentlich zugänglich gemacht werden. „Die Betroffene­n können als Anerkennun­g einmal pauschal 9000 Euro erhalten. Außerdem können sie für entgangene Rentenansp­rüche bei sozialvers­icherungsp­flichtiger Arbeit von bis zu zwei Jahren 3000 Euro und bei mehr als zwei Jahren 5000 Euro erhalten“, erklärte Bachmann. Auf ein umfangreic­hes Beweisverf­ahren könne verzichtet werden. „Vielmehr wird auf Bundeseben­e durch wissenscha­ftliche Arbeit festgelegt, in welchen Einrichtun­gen dieses Leid und Unrecht stattgefun­den haben kann“, so die Ministerin. Der Antragstel­ler muss nur nachweisen, dass er in einer dieser Einrichtun­gen untergebra­cht war. „Auch Hausbesuch­e können von der Beratungss­telle gemacht werden. Die Antragsste­ller können eine Person ihres Vertrauens mitbringen“, ergänzte WagnerSche­id.

Auch der erste saarländis­che Antragsste­ller war bei der Konferenz dabei, möchte allerdings nicht namentlich genannt werden. „Ich habe meine Erlebnisse über Jahre verdrängt“, berichtete er. Vor Monaten habe er von der Stiftung gehört, seine Erinnerung­en zu Papier gebracht und Einsicht in seine Krankenakt­e beantragt. „Zwei Monate hat der Antrag gedauert. Ich habe vieles aus der Akte erfahren, das ich nicht wusste, und bin gespannt, wie viele Anträge kommen werden.“19 Jahre war er in Kinderheim und Jugendpsyc­hiatrie untergebra­cht und habe „vielfaches Leid“erfahren. Im Anschluss war der Einstieg in die Gesellscha­ft schwierig: „Ich habe versucht einigermaß­en durchzukom­men und ließ die Finger weg von Drogen und allem, was mir Probleme bereiten könnte.“

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FOTO: WERNER KREWER Monika Bachmann

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