Trump schwingt den politischen Zauberstab
ANALYSE Die Pläne des US-Präsidenten für eine Steuerreform sind noch ziemlich wolkig. Doch eines steht fest: Das Grundprinzip hat bislang nie funktioniert.
WASHINGTON Der Verdacht liegt nahe, dass mit heißer Nadel gestrickt wurde. Um nach 100 Tagen im Oval Office nicht mit leeren Händen dazustehen, hat Donald Trump seine Finanzexperten zur Eile angehalten. Deren Steuerplan ist allerdings so vage und unausgegoren, dass man wohl ruhigen Gewissens orakeln kann: Es wird manches verändert werden, ehe der Kongress Gesetze beschließt.
Neben der Unternehmensteuer, an die das Weiße Haus die sprichwörtliche Axt anlegen will, soll auch die Einkommensteuer sinken, gestaffelt auf Sätze von zehn, 25 und 35 Prozent. Trump wirbt mit dem Charme grandios vereinfachter Regeln, weil er zugleich das Dickicht der Steuerabzugsmöglichkeiten auszulichten verspricht. Es klingt nach der in Deutschland zum geflügelten Wort avancierten Steuererklärung auf dem Bierdeckel.
Tatsächlich aber sind es nicht viel mehr als ein paar Krümel, die der Präsident den Normalverdienern der Mittelschicht hinwirft, um den Kern seines Programms zu kaschieren. Der besteht darin, reiche Amerikaner überproportional zu entlasten, sie im Grunde aus ihrer Pflicht zu entlassen. Trump will, um nur ein Beispiel zu nennen, die „Alternative Minimum Tax“(AMT) kassieren. Das ist ein steuerpolitisches Instrument, das sicherstellt, dass Besserverdienende einen angemessenen Beitrag leisten, so arm sie sich auch rechnen mögen. 2005, dem einzigen Jahr der jüngeren Vergangenheit, für das eine Steuererklärung des einstigen Baulöwen publik wurde, hätte Trump ohne die AMT gerade mal vier Prozent seiner Einnahmen beim Fiskus abgeliefert. So aber waren es immerhin 25 Prozent.
Kein Zweifel, dass Trump mit der Reform auch seine eigenen Interessen verbindet. Dem breiten Publikum wird sie natürlich anders verkauft: mit dem Versprechen, dass niedrigere Abgaben einen Wachstumsschub auslösen, der wiederum genauso viel Geld wie bisher in die Staatskasse spült. Wenn nicht noch mehr.
Es ist eine altbekannte Methode, allerdings ist die Logik noch in keinem Fall aufgegangen. George Bush senior, ein Republikaner, hatte sie vor Jahren „Voodoo Economics“genannt – Wirtschaftspolitik mit dem Zauberstab. Schon als Ronald Reagan die Steuern drastisch reduzierte, brachte er eine Welle anschwellender Haushaltsdefizite ins Rollen. Bei George W. Bush wiederholte sich das Ganze. Nach dem Schock der Finanzkrise durfte Barack Obama die Suppe dann auslöffeln.
Das Bemerkenswerte an der Geschichte ist, dass sich die US-Republikaner offenbar nur dann für die Staatsschulden interessieren, wenn ein Demokrat im Weißen Haus sitzt. Was musste sich Trumps Vorgänger nicht alles anhören: Die Polemik ging so weit, dass man ihm vorwarf, das Land in griechische Verhältnisse treiben zu wollen. Die radikale Tea Party entstand als Rebellenbewegung fiskalischer Falken innerhalb der Republikaner, die Obama die ausufernden Verbindlichkeiten anlasteten, als hätte es keine Vorgeschichte gegeben.
Zurzeit hat es den Anschein, als wäre aus den Falken ein Kollektiv von Tauben geworden. Mag sein, dass sich das wieder ändert, jedenfalls schlägt demnächst die Stunde der Wahrheit. Denn falls es die amerikanische Rechte jemals ernst meinte mit ihrer Warnung vor der unkontrolliert zu Tal donnernden Schuldenlawine, müsste sie ihr Veto einlegen gegen Trumps Steuer-Skizze. Belässt sie es bei der einen oder anderen milden Mahnung, hat sie es verdient, dass man ihr zu Ehren ein Denkmal der Scheinheiligkeit errichtet.
Die US-Republikaner interessieren sich offenbar nur dann für die Staatsschulden,
wenn sie nicht den Präsidenten stellen.