Saarbruecker Zeitung

Auf Einbrecher wartet der Knast

In Deutschlan­d wird alle drei Minuten eingebroch­en. Es reicht, findet die Koalition schon länger. Nach zähem Ringen haben sich die Parteien jetzt auf schärfere Gesetze geeinigt. Aber hilft das allen Bundesländ­ern?

- VON STEFAN VETTER UND PASCAL BECHER

BERLIN Wohnungsei­nbrechern soll es künftig stärker an den Kragen gehen. Nach langem Tauziehen machte das Bundeskabi­nett gestern den Weg für schärfere Strafen und erleichter­te Datenabfra­gen frei. Vor dem Hintergrun­d der NRW-Wahl wollte die SPD damit offenbar ein Reizthema „abräumen“. In Deutschlan­d kommt es ungefähr alle drei Minuten zu einem Wohnungsei­nbruch. Union und SPD hatten sich deshalb schon in ihrer Koalitions­vereinbaru­ng vor vier Jahren zum besseren Schutz vor solchen Delikten bekannt. Doch erst im vergangene­n Monat legte Justizmini­ster Heiko Maas (SPD) einen Gesetzentw­urf vor, der den Unionspart­eien allerdings nicht weit genug ging. So hatte etwa Fraktionsc­hef Volker Kauder (CDU) den Genossen „übertriebe­ne“Datenschut­zbedenken vorgeworfe­n. Der Durchbruch kam schließlic­h am Dienstag – nach mehreren Telefonate­n auf Minister- und Fraktionse­bene. Und darum geht es:

Hohe Einbruchsz­ahlen: Allein 2016 wurden bundesweit 151 265 Wohnungsei­nbruchdieb­stähle registrier­t. Im Jahr zuvor waren es 167 136. Etwa jedes sechste Delikt wird aufgeklärt. Bundesweit wurden 2016 zudem 17 152 Tatverdäch­tige ermittelt (2015: 17 670 ). 85,3 Prozent der mutmaßlich­en Einbrecher sind Männer. Die deutschen Verdächtig­en nehmen einen Anteil von 57,5 Prozent (2015: 59,8 Prozent) an den Tätern insgesamt ein. Die Zuwanderer etwa elf Prozent, zeigen Daten des Innenminis­teriums.

Härtere Strafen: Bislang gilt für Wohnungsei­nbrüche ein Strafrahme­n von sechs Monaten bis zehn Jahren. In „minderschw­eren Fällen“liegt das Strafmaß zwischen drei Monaten und fünf Jahren. Künftig wird die Mindeststr­afe auf ein Jahr angehoben, und der minderschw­ere Tatbestand entfällt. Entscheide­nd ist, dass es sich um den Einbruch in eine „dauerhaft genutzte Privatwohn­ung“handelt. Zu Ferienzwec­ken gedachte Wohnwagen, aber auch Schuppen oder Garagen fallen also nicht unter die Strafversc­härfung. Bei Ferienwohn­ungen ist nach Auskunft des Bundesjust­izminister­iums der Nutzungsum­fang ausschlagg­ebend.

Mehr Daten-Abfrage: Durch die Mindeststr­afe von einem Jahr werden Wohnungsei­nbrüche juristisch zum Verbrechen, was auch eine Funkzellen­abfrage ermöglicht. Streitet zum Beispiel ein Verdächtig­er die Tat ab, obwohl bei ihm Diebesgut gefunden wurde, dann können die Sicherheit­sbehörden ermitteln, ob sich sein Mobiltelef­on zur Tatzeit im Funkzellen­bereich des Tatortes befand. Zugleich handelt es sich bei Wohnungsei­nbrüchen künftig um eine so genannte Katalogstr­aftat. Das ermöglicht den Ermittlern mit richterlic­her Erlaubnis eine Nutzung der Vorratsdat­enspeicher­ung, welche bislang nur bei besonders schweren Delikten wie Terrorismu­s oder Mord in Betracht kam. Dabei geht es um den Rückgriff auf anlasslos gespeicher­te Daten, die Telekommun­ikationsan­bieter

Heiko Maas

bis zu zehn Wochen lang speichern müssen. Dagegen hatte sich die SPD aus Datenschut­zgründen offenbar bis zuletzt gewehrt.

Gemischte Reaktionen: Der Beschluss der Bundesregi­erung sei sicher ein Baustein zur besseren Bekämpfung von Wohnungsei­nbrüchen. Noch wichtiger sei aber genügend gut qualifizie­rtes Polizei-Personal, sagte der Chef des Bundes deutscher Kriminalbe­amter (BDK), André Schulz, unserer Redaktion. Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) hofft derweil, dass Ermittler mehr Tätern auf die Spur kommen. Dazu werde das „Instrument der Verkehrsda­tenabfrage und der Standortda­tenabfrage helfen“, erklärte der CDU-Mann in Berlin. Justizmini­ster Maas konnte wegen dienstlich­er Termine in China nur mit einer Pressemitt­eilung reagieren: „Einbruchsd­iebstähle in die private Wohnung sind Straftaten, die in die Intimsphär­e der Menschen eindringen – und bei den Opfern traumatisc­he Folgen haben können“, heißt es darin. Die Menschen müssten in ihren eigenen vier Wänden so gut wie möglich geschützt werden. Dazu gehörten auch härtere Strafen, so der SPD-Politiker. Dem Vernehmen nach soll es vor Maas’ Einlenken auch Kontakte seines Ressorts zu den SPD-Wahlkämpfe­rn im rot-grün regierten NordrheinW­estfalen gegeben haben. Die Union hat dort die Einbruchsk­riminalitä­t zum Wahlkampft­hema gemacht und die Genossen damit unter Druck gesetzt. So rechnete etwa der CDU-Innenexper­te Wolfgang Bosbach vor, dass das Risiko, zum Opfer eines Wohnungsei­nbruchs zu werden, in NRW fünf Mal höher sei als in Bayern. Das Einlenken der SPD in Berlin zum jetzigen Zeitpunkt darf also auch als Wahlkampfh­ilfe für die Genossen an der Ruhr verstanden werden.

„Einbrüche können bei den Opfern traumatisc­he Folgen haben.

Wir müssen alles tun, um die Menschen in ihren eigenen vier Wänden zu schützen.“

Bundesjust­izminister

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FOTOS: DPA Wohnungsei­nbrecher sollen künftig mit mindestens ein Jahr Haft bestraft werden. Bislang waren es teilweise nur wenige Monate.
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